Das Studienhospital - Drama am Krankenbett

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Die Übungsvisite kann von einem Nachbarraum aus verfolgt werden.

Die Übungsvisite kann von einem Nachbarraum aus verfolgt werden.

© Foto: dpa

MÜNSTER (dpa). Was in keinem Hörsaal gelehrt, an keiner Puppe geübt werden kann, lernen angehende Ärzte in Münster künftig in einem nur zu Ausbildungszwecken eingerichteten Krankenhaus. Lernziel ist zum Beispiel: Zuhören, Ängste nehmen und Mut machen.

Endlich ist Visite. Frau Müller ist nervös und verstört, als der junge Arzt an ihr Krankenbett tritt. Vor kurzem war sie noch in der Notaufnahme, klagte über krampfartige Bauchschmerzen. Jetzt schaut sie Hilfe suchend am weißen Kittel des 22-jährigen Nils Kleinelanghorst hoch. Die Diagnose, die der Medizinstudent stellt, scheint nebensächlich. Ständiges Beruhigen und wiederholtes Erklären bei der Untersuchung ist erst mal wichtiger als das Bauchabtasten.

So nah dran am Klinikalltag das Studienhospital in einem umgebauten Schwesternwohnheim auch ist: Frau Müller ist kerngesund. Im richtigen Leben heißt sie Gabriele Brüning (42) und ist Schauspielerin. Für ihre Rolle als Patientin mit Morbus Crohn wurde sie von Ärzten geschult. Die nötige Dramatik für ihren "Auftritt" bringt ihre jahrelange Bühnenerfahrung mit sich.

"Nur so stellt sich der wahre Adrenalinspiegel bei den Studenten ein", ist sich der ärztliche Leiter des "Krankenhauses für Simulanten", Hendrik Friedrichs sicher. Hinzu kommt: Bei einer klassischen Vorlesung bleiben nur rund fünf Prozent Wissen hängen. "Wird das Lernen in die Praxis eingebettet, steigt das später abrufbare Wissen auf bis zu 50 Prozent", betont Oberarzt Jörg Haier, der die Übungsvisite leitet.

Sein Zögling, Nils Kleinelanghorst, bereits im siebten Semester, weiß zwar um den wahren Zustand von Frau Müller. Deren aufgewühltes Verhalten bringt ihn dennoch aus dem Konzept: "Fachgespräch mit dem Oberarzt über den Kopf der Patientin hinweg - das geht nicht", kritisiert Studiendekan Bernhard Marschall, der in der medizinischen Fakultät für Ausbildung zuständig ist. Er steht im Nebenraum hinter einer Scheibe, die nur einseitig durchsichtig ist.

Dort verfolgen fünf Mitstudenten über Lautsprecher die Visite ihres Kommilitonen. Das Besondere: Anhand einer Kamera hinter dem Kopf der Patientin können die Studenten auch sehen und nachempfinden, wie sich die verzweifelte, halbentblößte Frau fühlen muss zwischen ärztlichem "Fachchinesisch" und den Autoritäten in Weiß. Die Rückmeldungen der fiktiven Patienten seien das Wichtigste, betont Marschall.

Das von einer Psychologin mitbetreute Konzept aus echter Klinik-Atmosphäre und unechten Kranken ist nach Marschalls Worten bisher einzigartig an deutschen Universitätsklinken. Bald soll das Studienhospital noch um einen Op-Saal und eine Notaufnahme mit mehreren Behandlungszimmern erweitert werden.

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