Herzstillstand auf dem Fußballplatz

FRANKFURT/MAIN. Bruno Pezzey, Axel Jüptner, Markus Passlack, Marc-Vivien Foé, Serginho, Nedžad Botonji, Hugo Cunha, Antonio Puerta, Chaswe Nsofwa, Phil O'Donnell: zehn Fußballprofis, die in den letzten 13 Jahren nach Herzstillständen gestorben sind. Warum erleiden so viele Hochleistungssportler, darunter auffallend viele Fußballspieler, den Plötzlichen Herztod? Und wie können sie sich schützen?

Von Pete Smith Veröffentlicht:
Kameruns Fußballnationalspieler Marc-Vivien Foé (rechts) kurz vor seinem tragischen Tod nach einem Zusammenbruch bei einem Spiel in Lyon.

Kameruns Fußballnationalspieler Marc-Vivien Foé (rechts) kurz vor seinem tragischen Tod nach einem Zusammenbruch bei einem Spiel in Lyon.

© Foto: dpa

Es ist der 25. August 2007. Während des ersten Ligaspiels seines Vereins FC Sevilla bricht der spanische Fußballnationalspieler Antonio Puerta auf dem Platz zusammen. Ärzten gelingt es, den 22-Jährigen zu reanimieren. Wenig später kollabiert er erneut, Herzstillstand. In der Kabine wird er zum zweiten Mal wiederbelebt. Letztlich vergeblich - am 28. August 2007 stirbt Puerta in einem Krankenhaus Sevillas.

Zehntausende Fans geben dem Spieler Puerta die letzte Ehre

Schon einen Tag später wird der spanische Publikumsliebling beerdigt, Zehntausende von Fans geben ihm die letzte Ehre. Am selben Tag, Tausende Kilometer von Sevilla entfernt, stirbt in Israel ein anderer Fußballspieler: Der 28-jährige sambische Nationalspieler Chaswe Nsofwa bricht während eines Trainingsspiels zusammen und stirbt kurz darauf ebenfalls nach einem Herzstillstand.

In den vergangenen 15 Jahren sind 20 Todesfälle bekannter Fußballprofis nach Herzattacken dokumentiert, darüber hinaus erlitten weitere bekannte Athleten anderer Sportarten den Plötzlichen Herztod, zuletzt der US-Langstreckenläufer Ryan Shay, der Eishockeyspieler Darcy Robinson vom italienischen Club Asiago und der für den Basketball-Verein KGJ Wahl Schwenningen spielende Kameruner Jean-Oscar Matongo.

Statistisch gesehen ist das Risiko eines Plötzlichen Herztodes bei jungen Sportlern 2,5 mal höher als bei Nichtsportlern. Das hat Professor Wilfried Kindermann vom Institut für Sport- und Präventivmedizin der Universität des Saarlandes 2005, viele Jahre Teamarzt der deutschen Nationalmannschaft, in einer Studie dokumentiert ("Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin" 56 (4), 2005, 106). "Der Plötzliche Herztod beim Sport", so schränkt Kindermann ein, "ist kein schicksalhaftes Ereignis und nicht dem Sport per se anzulasten."

Häufigste Ursache für plötzliche Todesfälle bei jungen Sportlern sei die hypertrophe Kardiomyopathie, die in Kindermanns Untersuchung bei gut einem Drittel aller plötzlichen Herztodesfälle diagnostiziert wurde. Angeborene Koronaranomalien, zumeist ein fehlerhafter Abgang der linken Koronararterie, sind die zweithäufigste Ursache. Bei 35-bis 40-jährigen Athleten dominiert mit 80 Prozent die koronare Herzkrankheit.

Das Risiko für einen Plötzlichen Herztod nimmt mit steigendem Lebensalter ab, das heißt über 40-Jährige sind seltener betroffen als junge Sportler. Der Plötzliche Herztod kann laut Kindermann in den meisten Fällen verhindert werden, wenn durch qualifizierte Vorsorgeuntersuchungen bis dahin nicht bekannte kardiovaskuläre Erkrankungen diagnostiziert werden.

Antonio Puerta (rechts) beim UEFA Cup im April 2007. Monate später bricht er auf dem Platz bei einem Spiel in Sevilla zusammen.

Antonio Puerta (rechts) beim UEFA Cup im April 2007. Monate später bricht er auf dem Platz bei einem Spiel in Sevilla zusammen.

© Foto: dpa

Angeborene Herzfehler, Myokarditis, krankhafte Veränderungen, Störungen der Reizübertragung - der Plötzliche Herztod kann viele Ursachen haben. "Es ist nicht der Sport, der die Betroffenen tötet", sagt auch Domenico Corrado, Sportkardiologe aus Padua. "Aber er kann der Auslöser für den plötzlichen Tod sein." Diskutiert wird zudem über Doping als mögliche Ursache für die Schädigung des Herzens.

Einzelne Dopingsubstanzen wie Anabolika, Amphetamine oder Erythropoetin (EPO) können laut Kindermann "unterschiedliche pathologische kardiovaskuläre Veränderungen verursachen wie pathologische Hypertrophie, direkte Schädigung von Herzmuskelzellen, vorzeitige Arteriosklerose der Koronargefäße oder Bildung von Thromben. Chronischer Missbrauch von Kokain kann zu Koronarspasmen und zum Herzinfarkt führen".

Kardiologisches Screening ist Pflicht für jeden Spieler

Die Verantwortlichen im internationalen Fußball haben das Problem längst erkannt. So hat der Bund deutscher Fußball-Lehrer 2004 einen internationalen Trainerkongress zum Plötzlichen Herztod ausgerichtet. Im deutschen Profifußball ist seit 1999 ein internistisch-kardiologisches Screening zu Beginn eines jeden Spieljahres Pflicht. Dazu gehören auch ein Belastungs-EKG, eine Echokardiographie und ein Laborstatus. Weiter sind hier die Italiener, die seit 25 Jahren umfangreiche Untersuchungen vornehmen.

Bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland gehörten kardiologische Tests erstmals zu den Pflichtuntersuchungen. Auch die Ausrichter der diesjährigen Fußball-Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz haben auf die besorgniserregende Entwicklung reagiert und nach eigener Auskunft zumindest alle Stadien mit Defibrillatoren ausgestattet.

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