Neugeborener Retter für den kranken Bruder

Eine heftige Debatte hat in Spanien ein "Designerbaby" ausgelöst. Ein künstlich befruchteter Embryo soll mit seinem Nabelschnurblut seinem kranken Bruder helfen.

Von Jörg Vogelsänger Veröffentlicht:
Javier Mariscal und Soledad Puertas mit dem neugeborenen Javier im Virgen del Rocio Hospital in Sevilla.

Javier Mariscal und Soledad Puertas mit dem neugeborenen Javier im Virgen del Rocio Hospital in Sevilla.

© Foto: dpa-Bildfunk

Als Andrés vor sechs Jahren geboren wurde, war die Freude groß. Doch schon vier Monate später erhielten die Eltern eine erschütternde Nachricht: "Ihr Sohn leidet an Thalassämia major", teilten ihnen die Ärzte im südspanischen Algeciras mit. Von dieser schweren, genetisch bedingten Bluterkrankung hatten die beiden noch nie gehört. "Die Mediziner sagten uns, die Krankheit sei unheilbar, die Lebenserwartung liege bei höchstens 35 Jahren. Es war sehr hart", erinnert sich der Vater, Andrés Mariscal. Für seinen Sohn bedeutete die Diagnose, sich regelmäßig Bluttransfusionen zu unterziehen.

Die Kritik nach der Geburt Javiers ließ nicht lange auf sich warten. Die Katholische Kirche verwies auf eine Erklärung der Bischofskonferenz aus dem Jahr 2006. "Es darf kein Mensch getötet werden, um einen anderen zu retten", heißt es darin in Bezug auf die Embryonen, die bei der Auswahl ausscheiden. Andere Kritiker sprachen von einem "lebenden Ersatzteillager". "Das Verfahren ist entwürdigend und erniedrigt das menschliche Wesen, das wie Vieh aussortiert wird", empörte sich Manuel Cruz, Vorsitzender einer Initiative von Abtreibungsgegnern. In der Kirche gibt es aber auch gemäßigtere Töne. Der Jesuit Juan Masiá, einer der größten Bioethik-Experten Spaniens, sagte der Zeitung "El Mundo": "Ich lehne die Methode nicht ab, man muss aber verantwortungsvoll damit umgehen. Javiers Eltern haben das Kind sicher genauso lieb wie den Bruder."

Zwei Jahre mussten die Eltern auf die Genehmigung warten. Diese obliegt einer Expertenkommission, die bislang über 31 Anträge zu entscheiden hatte: 6 wurden abgelehnt, 8 genehmigt und in 17 Fällen wurden zusätzliche Informationen angefordert. "Das Verfahren ist ein großer wissenschaftlicher Fortschritt", sagte der Vorsitzende der Internationalen Bioethikgesellschaft, Marcelo Palacios. Auch Kronprinz Felipe und Prinzessin Letizia ließen nach der Geburt ihrer ersten Tochter Leonor Stammzellen aus dem Nabelschnurblut bei einer Spezialfirma in den USA lagern, um sie im Falle einer schweren Krankheit parat zu haben.

(dpa)

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