Ein Kinderhospital zwischen den Fronten

Der Konflikt zwischen Arabern und Israelis belastet auch die Arbeit der Ärzte und Pfleger am Caritas Baby Hospital in Bethlehem.

Von Bernadett Groß Veröffentlicht:
Das Caritas Baby Hospital liegt über den kargen Feldern von Bethlehem.

Das Caritas Baby Hospital liegt über den kargen Feldern von Bethlehem.

© Foto: Groß

BETHLEHEM. Der deutsche Kinderarzt Peter Krieg gönnt sich gerade eine Pause auf einer Terrasse des Caritas Baby Hospital. Das Handy klingelt: Ein herzkrankes Neugeborenes ist unterwegs, von einer Geburtsklinik hierher. Von der Terrasse aus blickt er hinunter auf Bethlehems Hirtenfelder, auf die weite, karge Landschaft, dorthin, wo nach der biblischen Überlieferung die Engel den Hirten Christi Geburt verkündeten.

Der verheißene Friede auf Erden ist dort noch nicht angekommen: Die politische Situation ist verfahren, die Abriegelung der palästinensischen Gebiete verringerte die Zahl der Terroranschläge auf israelischem Gebiet signifikant, hat jedoch extreme Auswirkungen auf den Alltag in den palästinensischen Gebieten und auch auf die Arbeit des Krankenhauses. Die Menschen sind arm, die Arbeitslosigkeit riesig, die Bildung mangelhaft, die tägliche Anspannung groß.

Am Geld sollte der Mangel in den Kliniken nicht liegen

Fachkräfte, die im Ausland eine qualifizierte Ausbildung genossen, kehren selten zurück. Dr. Hiyam Awad Marzouqa, engagierte Chefärztin der Klinik, hat in Würzburg studiert und ist eine der Ausnahmen. Möglicherweise mangelt es auch deshalb an guten Krankenhäusern auf palästinensischem Gebiet, am Geld sollte es angesichts respektabler Fördermittel aus aller Welt nicht liegen. Die Qualität der 24 staatlichen Kliniken ist unzureichend, die Kindersterblichkeit viermal höher als in Deutschland.

Als das Neugeborene in der Klinik ankommt, stellt sich heraus, das es wegen eines unterbrochenen Aortenbogens dringend in ein entsprechend ausgerüstetes Krankenhaus für eine OP verlegt werden müsste - doch das gibt es nur jenseits der Mauer in Jerusalem. Um die bürokratischen Hürden zu überwinden, greift Dr. Rula Awwads zum Hörer: Die Kardiologin kennt viele israelische Kollegen, daher gibt es Chancen auf grünes Licht für diese Notfall-Verlegung. Dann müssten zuerst die notwendigen Passierscheine für die Eltern beantragt, das Baby an die Mauer gefahren und dort in einen israelischen Wagen umgeladen werden.

Das Caritas Baby Hospital ist ein Allgemeinkrankenhaus für Kinder von bis zu sechs Jahren und ist damit das einzige moderne in der Westbank. Es verfügt über 82 Betten. Letztes Jahr leistete das 14-köpfige Ärzteteam über 4000 stationäre und knapp 30 000 ambulante Behandlungen. Oberarzt Peter Krieg gehört ihm als Entwicklungshelfer nur vorübergehend an. Vor knapp 60 Jahren von einem Schweizer Pater gegründet, wird die Klinik heute getragen von der "Kinderhilfe Bethlehem", einem Verein, dem vor allem Verbände und Diözesen der Schweiz, Deutschlands und Österreichs angehören. In Ausstattung, Qualität und Personalstand entspricht die Klinik einem mittleren Krankenhaus in Europa, mit 40-Stunden-Woche und Drei-Schicht-Betrieb. Doch konkret gibt es viele Unterschiede: So kann die Klinik etwa nicht an ein Krankenhaus mit Spezialabteilungen überweisen.

Das merken die Ärzte auch an diesem Tag: Die Ärzte nehmen an dem Neugeborenen, das am Vormittag eingeliefert wurde, abends einen Herz-Katheter-Eingriff vor - der Notfalleinsatz war erfolgreich. Das Kind überlebt, und kann eine Woche später nach Jerusalem verlegt und dort operiert werden.

Ein anderer Unterschied ist der Mangel an Pflegekräften. Das Hospital hat dieses Problem auf seine Weise gelöst und bildet seit Jahren auf der eigenen Krankenpflegeschule qualifiziertes Personal aus. Der Unkenntnis der Mütter begegnet man mit einer "Mütterschule", in der die Mütter während des Krankenhausaufenthaltes ihres Kindes in die Pflege eingeführt werden. Oft fehle es an einfachster Kenntnis über Hygiene oder das richtige Mengenverhältnis beim Anrühren von Milchpulver.

Immer mehr Kinder haben Armutserkrankungen

Behandelt wird unabhängig von Religion und Volkszugehörigkeit, auch unabhängig vom Geldbeutel. So muss die Klinik um Spenden werben - die jährlichen Kosten betragen 6,3 Millionen Euro - und ist Anlaufstelle für die Ärmsten. Manche sind mehrere Stunden mit dem Bus unterwegs, um in der Ambulanz ihre Kinder vorzustellen. Die Kinder kommen zunehmend mit Armutserkrankungen durch Mangel- und Fehlernährung und schlechte Hygiene in die Klinik.

Das Caritas Baby Hospitals ist ein Lichtblick für die Region rund um Bethlehem, auch wirtschaftlich: Es ist mit über 200 Beschäftigten der zweitgrößte Arbeitgeber.

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