Schinderhannes-Bandenmitglied identifiziert

Viel Aufregung um ein Skelett: Medizinerinnen der Heidelberger Anatomie haben vor kurzem einen jahrzehntelangen Irrtum aufgedeckt.

Von Marion Lisson Veröffentlicht:

HEIDELBERG. Einen jahrzehntelangen Irrtum haben jetzt Medizinerinnen der Heidelberger Anatomie aufgedeckt. Nicht das Skelett des Räubers "Hölzerlips" ist im Anatomischen Institut der Universität Heidelberg ausgestellt, sondern das des "Schwarzen Jonas", Gefolgsmann des Hunsrücker Räuberhauptmannes "Schinderhannes".

Sara Doll und Anne Serwe, Präparatorinnen des Heidelberger Anatomischen Instituts haben erstmals die Sammlungsbücher der Jahre 1805 bis 1916 ausgewertet und dabei die Verwechslung entdeckt.

Die Geschichte des "Schwarzen Jonas" und seines Skeletts ist aufgrund seines prominenten Freundeskreises gut dokumentiert: Am 21. November 1803 wurde Christian Reinhard, genannt "Schwarzer Jonas" zusammen mit seinem Freund und Räuberhauptmann Johannes Bückler, genannt "Schinderhannes", und 18 weiteren Bandenmitgliedern in Mainz durch die Guillotine hingerichtet.

Leichen in anatomischen Theatern seziert

Damals war es üblich, die Leichen hingerichteter Verbrecher nach ersten wissenschaftlichen Experimenten in die umliegenden anatomischen Theater zu bringen, um sie dort zu sezieren. "Schinderhannes" und der "Schwarze Jonas" kamen zu dem bekannten Anatomen Jacob Fidelius Ackermann (1765 - 1815), der ihre Skelette präparierte und sie 1805 aus Mainz mit nach Heidelberg brachte.

Auch in den Sammlungsbüchern seiner Nachfolger auf dem Lehrstuhl für Anatomie, Friedrich Tiedemann (1781-1861) und Jacob Henle (1809-1885), sind beide Skelette aufgeführt. Danach ließ Carl Gegenbaur (1826-1903) in seinen Inventurbüchern allerdings nur noch neu hinzugekommene Präparate verzeichnen, was die Übersicht über den Gesamtbestand deutlich erschwerte.

"Hölzerlips" gehört nicht zur Sammlung

Fakt ist jedoch: Die Annahme, dass sich das Skelett des Räubers Georg Philipp Lang, genannt "Hölzerlips", in der Heidelberger Sammlung befindet, ist falsch. Eine kleine, unscheinbare Nummer auf dem Beckenknochen erlaubt eine eindeutige Zuordnung des Fundes und beweist, dass es sich in Heidelberg um das Skelett des "Schwarzen Jonas" handelt. "Wir haben Belege gefunden, dass die richtige Identität dieses Skeletts noch unter Carl Gegenbaur, der von 1873 bis 1901 in Heidelberg Anatomie lehrte, bekannt war", berichtet Sara Doll, die vor einem Jahr mit der Recherche in den Archiven der Universität begann.

Gemeinsam mit ihrer Kollegin Anne Serwe aktualisiert Sara Doll derzeit den Gesamtkatalog der anatomischen Präparate. "Uns interessiert auch die Geschichte der Präparate: Wer waren diese Menschen? Wie haben sie gelebt? Aus welchen Gründen sind die Präparate hergestellt worden und schließlich in unsere Sammlung gelangt?", so Doll, die als präparationstechnische Assistentin der Fachrichtung Medizin Seminare und Präparierkurse für Studenten betreut sowie Tutoren ausbildet.

Doch was wurde aus dem "Hölzerlips", der als Räuber in der Kurpfalz und im Odenwald sein Unwesen trieb? Sein Name taucht in keinem der bisher gesichteten Heidelberger Dokumente auf. Bekannt ist, dass er mit drei seiner Mittäter am 31. Juli 1812 in Heidelberg hingerichtet wurde: Ihm wurde unter anderem der Raubmord an einem Schweizer Kaufmann bei einem Kutschenüberfall zwischen Hemsbach und Laudenbach zur Last gelegt. Nach der Hinrichtung wurde sein Leichnam wahrscheinlich in Heidelberg seziert und, wie damals üblich, anonym auf dem Armenfriedhof der Spitalskirche St. Anna bestattet.

Das Skelett des "Schwarzen Jonas" ist in der Ausstellung des Instituts für Anatomie und Zellbiologie der Uni Heidelberg, Im Neuenheimer Feld 307, zu besichtigen. Besuchszeiten sind Montag bis Freitag von 8 bis 17 Uhr.

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