"Natürliche Lebensgrundlagen bewahren - das ist kostengünstige präventive Gesundheitspolitik"

Er hat noch viele Pläne: Professor Detlev Drenckhahn vom Institut für Anatomie und Zellbiologie der Universität Würzburg ist weitere vier Jahre Präsident der deutschen Sektion des World Wide Fund for Nature (WWF).

Von Pete Smith Veröffentlicht:

"Die Folgen der Erderwärmung sind schon jetzt dramatisch." Professor Detlev Drenckhahn Universität Würzburg

Ein Arzt leitet die Geschicke einer der größten Naturschutzorganisationen in Deutschland. Gerade ist Professor Detlev Drenckhahn, Lehrstuhlinhaber am Institut für Anatomie und Zellbiologie der Universität Würzburg, für vier weitere Jahre zum Präsidenten der deutschen Sektion des World Wide Fund for Nature (WWF) gewählt worden. Die Wahl fiel ausgerechnet in die zweiwöchige 15. UN-Klimakonferenz in Kopenhagen, wo über das Schicksal unseres Planeten verhandelt wird.

"Die Staatengemeinschaft muss sich darauf verständigen, die globale Erwärmung deutlich unterhalb der Gefahrenschwelle von zwei Grad Celsius zu begrenzen", fordert Drenckhahn im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung". "Am Ende des Klimagipfels muss sicher sein, dass ab 2013 ein neuer internationaler Klimaschutzvertrag in Kraft treten kann."

Hinter den Kulissen wird vermittelt und beraten

Vertreter des WWF sind in Kopenhagen präsent, um ihren Einfluss auf die Politiker geltend zu machen. Und der, so Drenckhahn, sei nicht zu unterschätzen. "Gerade internationale Organisationen wie der WWF haben Zugang zu allen Delegationen. Unsere Rolle ist es dann oft, hinter den Kulissen zu vermitteln, aber auch beratend tätig zu sein." Seine Organisation sieht er darüber hinaus in der Rolle des Wächters. Schließlich gelte es zu prüfen, ob "ein im Ansatz vernünftiges Vertragswerk nicht durch versteckte Schlupflöcher entwertet wird". Das Minimalziel eines Vertrags sei eindeutig: "Die globalen Emissionen von Treibhausgasen, insbesondere von CO2, müssen vor 2017 ihren Zenit erreicht haben und dann drastisch bis 2050 auf fast null Prozent sinken. Dazu müssen die Industrieländer ihre Treibhausgasemissionen bis 2020 um mindestens 40 Prozent unter den Wert von 1990 senken."

Die Folgen der Erderwärmung seien schon jetzt dramatisch, sagt Drenckhahn, der bereits während seiner Habilitationsjahre in Kiel eine länderübergreifende Naturschutzbewegung geleitet hat. "Das nahezu vollständige Absterben der Warmwasserkorallen der Erde werden wir nicht mehr verhindern können, ebenso nicht das nahezu komplette Verschwinden des arktischen Eisschildes im Sommer." Daher müsse man nun alles tun, um den weiteren Anstieg der Erdtemperatur so gering wie möglich zu halten.

Planet Erde in Gefahr: Demo beim Kopenhagener Klimagipfel.

Planet Erde in Gefahr: Demo beim Kopenhagener Klimagipfel.

© Foto: dpa

Sein Heimatland sieht der alte und neue WWF-Präsident zwar in einer Vorreiterrolle - "immerhin gehört Deutschland zu den wenigen Ländern, die ihre Klimaschutzziele bis 2012 erreichen werden". Allerdings profitiere das Land hierbei auch vom Zusammenbruch der Wirtschaft in der ehemaligen DDR. Für die Zukunft seien verstärkte Anstrengungen nötig. "Beispielsweise ist der Bau von neuen Kohlekraftwerken für eine klimafreundliche Zukunft kontraproduktiv, weil dadurch ein hoher CO2-Ausstoß für Jahrzehnte festgeschrieben wird." In einer eigenen Studie ("Modell Deutschland") habe der WWF nachgewiesen, "dass wir unseren Treibhausgas-Ausstoß bis zur Mitte des Jahrhunderts fast auf Null fahren können, ohne unseren Wohlstand aufgeben zu müssen".

Als Arzt und Naturforscher sieht sich Drenckhahn gerade in Deutschland in einer langen Tradition. Naturschutz sei immer auch Gesundheitsschutz. "Menschliches Elend sieht man kaum dort, wo die Natur intakt ist. Die Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen ist die bei weitem kostengünstigste präventive Gesundheitspolitik."

Wenn die Menschheit mit dem Verbrauch natürlicher Vorräte der Erde weiter so umgehe wie bisher, hätten gegen Ende des Jahrhunderts an die drei Milliarden Menschen keinen direkten Zugang mehr zu sauberem Wasser - "mit all den uns Ärzten bekannten Gesundheitsfolgen".

Ärzte sollen als Multiplikatoren wirken

Naturschützer ist der 65-Jährige durch und durch - auch als Medizin-Professor in Würzburg, wo er in seinen Vorlesungen immer wieder aktuelle Themen der Umweltpolitik anschneidet. "Das wird von den Studenten geschätzt", freut er sich. Sein Wunsch an die Kollegen in der Praxis: "Vielleicht können sie in ihren Wartezimmern das WWF-Magazin auslegen und so als Multiplikator wirken und hoffentlich viele Menschen für den Naturschutz allgemein und den WWF im Besonderen begeistern."

World Wide Fund for Nature (WWF)

Der 1961 gegründete World Wide Fund for Nature (WWF) ist eine der größten Naturschutzorganisationen der Welt. Im vergangenen Jahr arbeiteten in 140 Ländern etwa 5000 Mitarbeiter in Projekten der Organisation. Erklärte Ziele des WWF sind die Bewahrung der biologischen Vielfalt, die naturverträgliche Nutzung erneuerbarer Ressourcen sowie die Eindämmung der Umweltverschmutzung und des verschwenderischen Konsums. Die deutsche WWF-Sektion besteht seit 1963. Ihre Arbeit wird zu 70 Prozent aus privaten Spenden Testamenten und Vermächtnissen finanziert. Dazu kommen Lizenzeinnahmen und Spenden. (Smi)

www.wwf.de

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Die Stimme von Ärzten hat Gewicht

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