"Ein Weg, den Mann zu berühren, den ich liebe"

Der US-Chirurg Dr. Edward Ackell hat Alzheimer. Seine Frau hat mit seinem Einverständnis Fotos gemacht, die jetzt in einer Ausstellung in Berlin zu sehen sind.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Bilder einer Ausstellung: Der rechte Arm stützt den Kopf - Ed schläft.

Bilder einer Ausstellung: Der rechte Arm stützt den Kopf - Ed schläft.

© Judith Fox (3)

Drei Jahre nach seiner Hochzeit begann der US-Chirurg Dr. Edward Ackell ganz allmählich sein Leben zu vergessen. Die Diagnose lautete Alzheimer. Judith Fox, seine Frau, übernahm für ihn das Erinnern. Zwischen 2001 und 2009 fotografierte sie ihren Mann mit seinem Einverständnis.

Entstanden ist dabei das Buch "I still do - Loving and living with Alzheimer's". Bis zum 5. November sind die Fotografien im Theodor Tucher Speisekabinett am Pariser Platz in Berlin in einer von Pfizer unterstützten Ausstellung zu sehen.

"Alzheimer verhöhnt und verspottet uns. Stellt den Menschen, den wir geheiratet haben, bloß und ersetzt ihn durch jemanden, der unseren Namen nicht kennt. Wie soll man mit so etwas umgehen?", fragt Judith Fox, die ihren Mann in Kalifornien pflegt. Die Fotografin hat einen Weg gefunden. "Die Kamera erleichtert mein Leben", sagt sie. "Der Blick durch die Linse ist ein anderer Weg, den Mann zu berühren, den ich liebe."

Zwei Hände, die sich vorsichtig ertasten.

Das Lieben ist ein zentrales Thema der Ausstellung. "Inmitten einer zerstörerischen Krankheit gibt es immer noch liebevolle Momente, Lachen, Hände, die sich festhalten und Körper, die sich berühren, und das kostbare und zerbrechliche Geschenk der gemeinsamen Zeit", lautet der Begleittext zu einem Foto zweier sich vorsichtig ertastender Hände.

Die Fotografien des Abschied nehmenden Edward Ackell zeigen auf der hellen Seite einen verschmitzt und freundlich in die Kamera blickenden älteren Herrn, der seinem Spiegelbild schon einmal die Zunge herausstreckt. Der Schatten des Kranken auf einer Betonwand steht für die dunkle Seite des Themas.

Ed Ackell an einem Bistrotisch mit drei Stühlen sitzend von oben aufgenommen lässt die Erkenntnis erahnen, dass die Krankheit weiter fortschreitet. "Ich bin nicht mehr der Mann, der ich war", weiß der frühere Freizeitpilot und begeisterte Sportler, der heute keine Kaffeemaschine mehr bedienen kann und sich nicht daran erinnert, was seine Frau ihm zwei Minuten zuvor erzählt hat.

Der Ehemann schläft - und mit ihm die Hauskatze.

"Der Patient spürt, was er verliert und kann das auch ausdrücken", sagt Judith Fox. Das ist ihr Anliegen. Zu berichten, was die Diagnose Alzheimer für den Einzelnen und seine Angehörigen bedeuten kann. Ihr Ehemann wollte zunächst nicht, dass andere von seiner Erkrankung erfuhren und ihn womöglich für verrückt hielten.

Er fürchtete Respektverlust. Mit dem Fotoprojekt verstand er: Die Krankheit brauchte ein Gesicht, um bei Angehörigen das Gefühl der Isolation zu lindern und der Stigmatisierung der Krankheit entgegenzuwirken.

Nicht alle Familien halten das Leben mit einem Alzheimer-Kranken aus. "Manche wachsen bei der Unterstützung des Patienten und des Pflegepartners zusammen. Manche entfernen sich voneinander und trennen sich", weiß Fox. Überall auf der Welt, wo ihre Bilder ausgestellt werden, stellt die Künstlerin fest, dass das Bedürfnis besteht, über Alzheimer zu sprechen.

Seit einem Jahr fotografiert Judith Fox ihren Mann nicht mehr. Zu weit fortgeschritten ist die Krankheit. Ackell hat die Fotos seiner Frau nie wirklich gesehen. Bei ihm wirkt sich Alzheimer so aus, dass sein Gehirn nicht mehr interpretieren kann, was das Auge sieht.

www.theodortucher.de

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