Immer mehr Badetote

Lebensretter mit Nachwuchssorgen

In manchen Regionen Deutschlands werden händeringend Rettungsschwimmer gesucht. Gerade bei den heißen Temperaturen kann der Nachwuchsmangel lebensgefährlich werden.

Von Angela Wiese Veröffentlicht:
Rettungsschwimmer Michael Wittstock steht am Unterbacher See in Düsseldorf im Wasser und passt auf die Badegäste auf.

Rettungsschwimmer Michael Wittstock steht am Unterbacher See in Düsseldorf im Wasser und passt auf die Badegäste auf.

© Christian Reimann / dpa

DÜSSELDORF. Michael Wittstock steht knietief im Wasser, die Sonne scheint ihm auf den Kopf. Was nach Urlaub klingt, ist eigentlich Arbeit: Er ist Rettungsschwimmer und das schon sein halbes Leben lang.

Der Job gibt dem 60-Jährigen ein gutes Gefühl: Bisher habe er jeden in Not geratenen Badegast retten können, erzählt er.

Das klingt nach einer tollen Aufgabe - doch bei Vereinen wie der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) oder der Wasserwacht des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) droht ein Nachwuchsmangel.

Dabei sind Rettungsschwimmer dringend nötig, wie viele tödliche Unfälle zeigen. In Nordrhein-Westfalen gab es zuletzt kaum ein Sommer-Wochenende ohne Badetote.

In Bayern ertranken allein am vergangenen Wochenende neun Menschen. Vor allem in den Urlaubsorten Deutschlands steige die Zahl derzeit, sagt Sebastian Löw, Pressereferent der DLRG.

In einigen Regionen Deutschlands mangelt es schon jetzt an Rettungsschwimmern, die oft ehrenamtlich arbeiten. Die DLRG in Sachsen-Anhalt sucht dringend Nachwuchs, die DRK-Wasserwacht in Thüringen hat ähnliche Sorgen.

Der Sprecher der DLRG Nordrhein, Michael Grohe, nennt verschiedene Ursachen für die Probleme. So erschwere in einigen Städten auch das Bädersterben und damit der Wegfall von Trainingsmöglichkeiten die Ausbildung neuer Rettungsschwimmer.

Es muss mehr Schwimmunterricht geben

Die Vereine lassen sich einiges einfallen, um dem Schwund entgegenzuwirken. Die DLRG Nordrhein, deren Gebiet sich vom Niederrhein bis in die Eifel erstreckt, versucht mit Aktionen wie dem "Tag des Wasserretters" gezielt Kinder anzusprechen.

Die DRK-Wasserwacht plant für 2014 ein Projekt mit dem Titel "Zukunft Schwimmen", wie Landesleiter Dieter Schneider-Bichel sagt. Er wirbt dafür, auch an Ganztagsschulen mehr Schwimmaktionen anzubieten.

Laut DLRG sind im vergangenen Jahr 383 Menschen bundesweit ertrunken. Auch in diesem Jahr häufen sich seit Beginn der Sommerhitze die Todesfälle an den Badeseen.

Eine Stichprobe der DLRG Anfang Juli hat ergeben, dass bundesweit schon mehr als doppelt so viele Menschen ertrunken sind wie zu diesem Zeitpunkt 2012.

Rettungsschwimmer Wittstock arbeitet am Unterbacher See, einem der beliebtesten Freizeitgebiete der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt Düsseldorf. Auch hier gab es Anfang Juli einen tragischen Fall: Ein zwölfjähriger Junge kam ums Leben, als er auf einem Tretboot unterwegs war.

Allein in Nordrhein konnten 17 Menschen gerettet werden

Wittstock musste einen solchen Todesunfall noch nicht miterleben, wie er sagt. Bei dem jüngsten Unglück an einem Montag war der Vater von zwei Kindern nicht im Dienst.

Er ist Maschinenbaukonstrukteur und opfert meistens seine Sonntage für sein Ehrenamt am Unterbacher See. Wittstock behält für die DRK-Wasserwacht das Südufer des 2,5 Kilometer langen Gewässers im Blick - gemeinsam mit bis zu 25 anderen DRK-Rettern.

Rund 130.000 ehrenamtliche Rettungsschwimmer sind laut Dieter Schütz, Pressesprecher des DRK, für die Wasserwacht an 3000 Wachstationen bundesweit im Einsatz. Bei der DLRG helfen nach eigenen Angaben in ganz Deutschland über das Jahr verteilt rund 50.000 Rettungsschwimmer.

Nach Angaben des Vereins konnten die Helfer allein in der Region Nordrhein im vergangenen Jahr 17 Menschen vor dem Tod bewahren. 411 Menschen seien es in ganz Deutschland gewesen.

Mit einer Fahrkarte und bis zu zehn Euro für Verpflegung werde das Engagement bei der DRK-Wasserwacht bezahlt, erläutert Schneider-Bichel. Lebensretter Michael Wittstock hat aber eine andere Motivation: Er schätze den Kontakt mit den Menschen. Er arbeite "vorbeugend", spreche die Leute an, bevor etwas passiere.

Einen Betrunkenen, der nicht mehr schwimmen sollte zum Beispiel. Oder ein Kind, das zu tief ins Wasser geht. "Es gibt mir eine tiefe Befriedigung, etwas Sinnvolles gemacht zu haben", erklärt Wittstock. (dpa)

Schlagworte:
Mehr zum Thema

Kritik an „Suizidtourismus“ in den USA

Mehrere US-Bundesstaaten wollen Beihilfe zum Suizid erlauben

Glosse

Die Duftmarke: Frühlingserwachen

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Ulrike Elsner

© Rolf Schulten

Interview

vdek-Chefin Elsner: „Es werden munter weiter Lasten auf die GKV verlagert!“