Die Ärzte Zeitung lacht zur Fassenacht

Flatulenz und Forschungsmüll - hoch soll'n sie leben!

Es müssen Narren sein: Sie hauen wissenschaftliche Forschung in die Tonne, die eigentlich ein Segen für die Menschheit wäre. Heute, am Rosenmontag, sind die Narren unterwegs und können keinen Ärger machen. Wir nutzen die Chance und rücken zwei beeindruckende Studien ins rechte Licht, die das schon lange verdient haben. Helau!

Christoph FuhrVon Christoph Fuhr Veröffentlicht:

Von Christoph Fuhr

Der amerikanische Psychologe Dr. LG Lippman hat in seiner mehr als 30 Jahre alten wissenschaftlichen Abhandlung "The interpersonal regulation of natural gas" - ohne Übertreibung die Mutter aller Studien über die Sozialpsychologie des Furzes - Erkenntnisse über die Wirkung von Blähgasen gesammelt, die zu Unrecht viel zu lange ins Lächerliche gezogen wurden.

Eine der zentralen Fragen an die Teilnehmer der Studie - ohne Ausnahme Studenten - lautete so: Stell dir vor, du bist in einer Gruppe und bei dir bahnt sich ein Furz an. In welchem Falle wirst du am meisten bemüht sein, ihn zu unterdrücken?

A., du weißt, dass der Furz lautlos ist und nicht stinken wird. B., du weißt, dass er laut ist und nicht stinkt. C., du weißt, dass er leise ist und bestialisch stinken wird. D., du weißt, dass er laut ist und fürchterlich stinkt.

Mit überwältigender Mehrheit kommen die Studenten zum Schluss, dass der laute Stinker um alles in der Welt vermieden werden muss, weil er grottenpeinlich ist. Zweifellos eine völlig unterschätzte Erkenntnis, die vielen Menschen wertvolle Orientierung bieten kann, wenn sie sich irgendwann einmal in einer ähnlichen Situation befinden - und das passiert schneller als man denkt!

Die Seriösität des Forschungsansatzes von Lippman ist hinterher zu Unrecht in Frage gestellt worden. Wer weiß tatsächlich schon vorher, ob seine eigenen Blähgase lautlos oder donnernd, bestialisch stinkend oder völlig ohne Geruchsentwicklung in die Welt gesetzt werden, fragten die Kritiker.

Und welchen Erkenntniswert kann vor diesem Hintergrund die Furz-Studie überhaupt haben? Vorher wissen, was hinterher passiert? Das gibt‘s beim Furzen nicht!

Wir möchten diesem Argument heftig widersprechen. Warum, bitte schön, sagt der Volksmund: "Auf jedes Böhnchen folgt ein Tönchen?"

"Gefällt mir" für die Unsterblichkeit

Und gab es da nicht vor mehr als 100 Jahren den berühmten französischen Profifurzer mit dem Künstlernamen "Le Pétomane", der für eine gigantische Gage im Moulin Rouge pupsend die Marseillaise intonieren konnte und mit seinen Blähgasen sogar über die Geräuschkulisse des Erdbebens in San Francisco von 1906 improvisierte?

Vorher wissen, was hinterher passiert? Das gibt‘s beim Furzen durchaus, das sollten sich die Kritiker dieser Studie hinter die Ohren schreiben, zum Donnerwetter nochmal. Helau!

Wir haben bei unseren intensiven Recherchen sogar eine Studie gefunden, der noch übler mitgespielt wurde, obwohl ihre genialen Erkenntnisse die Welt buchstäblich aus den Angeln heben können: Im American Journal of Medical Quality ist im vergangenen Jahr eine Untersuchung über die positive Wirkung von sogenannten "Gefällt-mir"-Buttons von Facebook-Nutzern für Krankenhäuser im Großraum New York publiziert worden.

"Gefällt mir"-Buttons - das sind besondere Zeichen von Wertschätzung, die Facebook-Nutzer verteilen können. Die Studienmacher haben für 40 Kliniken eine Rangliste mit der Zahl der jeweils erreichten Buttons erstellt.

Für jede einzelne Klinik wurde diese Zahl dann ins Verhältnis zu ihrer 30-Tage-Sterberate bei Herzinfarkt-Patienten gesetzt (logisch: womit denn sonst?). Ergebnis: Je mehr Buttons die Klinik hat, um so seltener sterben Menschen dort an Herzinfarkt. Unsere Analyse: Am Ende gibt's niemanden mehr, der noch sterben wird.

Wir haben an dieser Stelle Mut zur Vision: Warum sollte das, was für Kliniken im Großraum New York wissenschaftlich belegt ist, in anderen Regionen der Welt anders sein?

Warum sollte dieses wundersame Phänomen nicht auch im ambulanten Bereich und für alle Krankheiten gelten? Wolle merr se rinnlosse, die Unsterblichkeit? Narrhalla-Marsch!

Der Sensenmann kann in Rente gehen

Ja, wir werden es aushalten, dass weltweit der Run auf immer mehr Menschen beginnen wird, die positive Facebook-Bewertungen abgeben. Wir werden akzeptieren, dass am Ende selbst mongolische Wanderarbeiter aus ihren Jurten geholt werden, um per GPS in Richtung Deutschland zu bekunden, dass sie zum Beispiel einen Arzt in Quadrath-Ichendorf oder eine Poliklinik in Fallingbostel sympathisch finden. Was soll daran verwerflich sein?

Wir werden auch ertragen, dass Gregor Gysi einige Tage später bei Markus Lanz im ZDF die angebliche Ausbeutung des Mannes aus der Mongolei für moralisch verwerflich erklären wird.

Wolfgang Kubicki, Karl Lauterbach und Volker Kauder werden dann mehr oder weniger voneinander abweichend ihre Freude zum Ausdruck bringen, dass wegen der Facebook-Buttons über früher oder später kein Mensch mehr sterben muss. Und Lanz wird am Ende der Sendung sagen: "Der Sensenmann kann jetzt in Rente gehen, er wird nicht mehr gebraucht."

Bei "Stern TV" wird dann ruckzuck der erste Mensch sitzen, der im Krankenhaus nur deshalb nicht am Herzinfarkt gestorben ist, weil seine Klinik genügend Facebook-Likes gesammelt hat.

Und der aus Ulan Bator eingeflogene Wanderarbeiter wird im Studio mit Hilfe eines Dolmetschers umständlich erklären, warum er sich vor seiner Jurte per Facebook für das Überleben der gesamten Menschheit in die Pflicht genommen hat. Na und? Es gibt keinen Grund, diese geniale Studie in die Tonne zu kloppen!

Es reicht, liebe Leserinnen und Leser, jetzt muss Schluss sein. Wir versichern Ihnen: Am Dienstag gibt‘s an dieser Stelle wieder einen seriösen Beitrag - ohne Fürze, ohne Ansprüche auf Unsterblichkeit, ohne konfuse Analysen. Bis dahin aber gilt: Helau, Alaaf - und nicht vergessen: Am Aschermittwoch ist alles vorbei!

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