Flugzeugabsturz

Viele Aids-Experten unter den Toten

Der Absturz von Flug MH 017 über der Ostukraine erschüttert auch die medizinische Fachwelt: an Bord waren viele Aids-Experten und ein Pionier der HIV-Forschung.

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Erschüttert und traurig: der designierte IAS-Präsident Professor Chris Beyrer (Mitte) mit Kollegen am Freitag in Melbourne.

Erschüttert und traurig: der designierte IAS-Präsident Professor Chris Beyrer (Mitte) mit Kollegen am Freitag in Melbourne.

© Joe Castro / AAP / epa / dpa

BERLIN. An Bord der über der Ostukraine mutmaßlich abgeschossenen Boeing 777 der Malaysia Airlines sind zahlreiche Aids-Experten gewesen. Darunter waren auch ein Pionier der HIV-Forschung und ein Mitarbeiter der Weltgesundheitsorganisation WHO. Sie alle waren auf dem Weg zur 20. Internationalen Aids-Konferenz, die am Sonntag im australischen Melbourne beginnt, teilte die International Aids Society (IAS) mit.

Bis zum Sonntag bestätigte die IAS, dass von den 283 Passagieren an Bord von Flug MH 017 insgesamt sechs Kongress-Delegierte waren. Womöglich könnte die Zahl noch höher liegen. Am Freitag, einen Tag nach dem Unglück, war zunächst von über 100 IAS-Delegierten die Rede.

Die IAS nannte das Unglück ein "unglaublich trauriges" Ereignis und sprach den Angehörigen ihr Beileid aus. In der australischen Metropole Melbourne beraten vom 20. bis 25. Juli über 12.000 Ärzte, Forscher, Experten und Aktivisten über Strategien im Kampf gegen die HIV-Epidemie.

Den Kongress wolle man trotz des "tragischen Verlusts, der die gesamte Aids-Gemeinschaft trifft" fortsetzen, teilte die IAS mit. Kollegen würde vor Ort die Gelegenheit zum Gedenken gegeben.

Michel Sidibé, Chef des HIV-Programm der Vereinten Nationen, UNAIDS, sagte, die gesamte Organisation stehe unter einem "tiefen Schock". Unsere Herzen sind bei den Familien der Opfer dieses tragischen Absturz. "Der Tod von so vielen engagierten Menschen, die gegen HIV gekämpft haben, wird ein großer Verlust für die AIDS-Bekämpfung sein."

Unter den Toten befindet sich der niederländische Arzt und renommierte HIV-Experte Professor Joep Lange. Lange war von 2002 bis 2004 Präsident der internationalen Aids-Gesellschaft IAS. Zudem hatte er Anfang der 1990er Jahre das WHO-Programm zur Entwicklung von HIV-Therapien geleitet. Er gilt als früher Pionier der Aids-Forschung.

Zu dem Thema hat Lange seit den ersten Tagen der Aids-Entdeckung Anfang der 1980er Jahre über 160 Studien und Aufsätze veröffentlicht. Zudem hat er die ersten großen Studien zur antiretroviralen Therapie mitentworfen. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt war die pränatale HIV-Prophylaxe bei infizierten Müttern.

Zahlreiche Weggefährten von Lange äußerten sich bestürzt über das Unglück. Auf Twitter und Facebook wurden Kondolenzbekundungen veröffentlicht. Die Deutsche Aids-Hilfe brachte ihre "tiefe Bestürzung und Trauer" zum Ausdruck.

Das "British Columbia Centre for Excellence in HIV/Aids" reagierte schockiert auf die Nachricht. Lange sei ein "Held auf dem Gebiet der globalen Gesundheit" gewesen, sagte Institutsdirektor Professor Julio Montaner.

Am Flughafen in Melbourne trauerten am Freitag zahlreiche bereits angereiste Kongressteilnehmer um Lange und die anderen Delegierten, die an Bord von Flug MH 017 waren. "Der kollektive Verlust von so vielen wichtigen Menschen ist emotional niederschmetternd", sagte einer. Ein Kollege von Lange aus Kalifornien bezeichnete den Verlust als "nicht zu fassen". Lange sei eine "unglaubliche Koryphäe" gewesen.

Weitere Opfer, die die internationale Aids-Gemeinde beklagt, sind Pim de Kuijer und Martine de Schutter von "STOP AIDS NOW!", Lucie van Mens von der Female Health Company, die Frauenkondome entwickelt, sowie Jacqueline van Tongeren von ArtAids.

An Bord des Flugs war außerdem einer der vier Pressesprecher der Weltgesundheitsorganisation WHO. Glenn Thomas war ebenfalls auf dem Weg zur Aids-Konferenz, sagte sein WHO-Kollege Gregory Härtl am Freitag in Genf. Weitere UN-Mitarbeiter seien nicht an Bord des Flugs gewesen.

Der 49-jährige Brite Thomas arbeitete seit über zehn Jahren bei der WHO. Auf Twitter kondolierte unter anderem der Koordinator des WHO-Tuberkulose-Programms, Dr. Haileyesus Getahun.

Der jetzige Vorfall erinnert die Aids-Gemeinde an den Swissair-Flug 111. Die Maschine war am 2. September 1998 auf dem Weg von New York nach Genf südwestlich von Halifax in den Atlantik gestürzt. Damals kamen 229 Menschen ums Leben, darunter der HIV-Forscher und Arzt Dr. Jonathan Mann, der das Aids-Programm der WHO aufgebaut hatte. (nös)

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