Gesunde Zähne

Marburg setzt Standards

Der hessische Landkreis Marburg-Biedenkopf setzt bei der Zahngesundheit von Kindern und Jugendlichen auf ein Erfolgsrezept

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Zähneputzen macht Spaß. Marburger Kinder werden früh angeleitet.

Zähneputzen macht Spaß. Marburger Kinder werden früh angeleitet.

© Coordes

MARBURG. "Bei Kindern und Jugendlichen sind wir der Landkreis der gesunden Zähne", sagt Professor Klaus Pieper, Direktor der Uni-Abteilung für Kinderzahnheilkunde in Marburg.

86 Prozent der Marburger Schüler im Alter von zwölf Jahren haben ein vollkommen gesundes Gebiss.

Damit haben sie im Durchschnitt weniger Löcher in den Zähnen als ihre Altersgenossen in Hessen. Der Grund: Seit mehr als 30 Jahren werden die Kinder mit Fluoridlack und einem Prophylaxeprogramm versorgt, das bundesweit nachgeahmt und von den Spitzenverbänden der Krankenkassen empfohlen wird.

Zu verdanken hat die Universitätsstadt dies dem früheren Marburger Kinderzahnheilkundler Helmut Schmidt, der bereits 1969 einen speziellen Fluoridlack entwickelte.

Die Mischung aus Fluorid und Naturharzen schützt die Zähne vor dem Säureangriff der Mundbakterien und hemmt die Entkalkung.

Heute wird die Rezeptur nicht nur in Deutschland, sondern auch in Skandinavien, Kanada, England und der Schweiz angewendet. Selbst in der Mongolei soll es jetzt übernommen werden.

"Marburger Modell" startet 1981

Mit dem "Marburger Modell" der Jugendzahnpflege startete die Philipps-Universität 1981, acht Jahre später wurde es auf den gesamten Landkreis Marburg-Biedenkopf ausgeweitet.

Heute werden jedes Jahr rund 13 000 Kinder und Jugendliche mit dem klebrigen Lack versorgt, der rund drei Monate hält.

In den Schulen tauchen die Mitarbeiterinnen des inzwischen beim Landkreis angesiedelten jugendzahnärztlichen Dienstes bis zur siebten Klasse zweimal pro Jahr auf.

In Kindergärten und Schulen in sozialen Brennpunkten wird der Lack sogar viermal jährlich aufgetragen.

Den kostenlosen Fluoridschutz erhalten die Kinder aber nur in Absprache mit den Eltern, von denen allerdings mehr als 85 Prozent zustimmen - eine sehr hohe Quote.

Bis heute wird das Projekt mit Untersuchungen und Erfolgskontrollen von der Uni begleitet.

In den Marburger Gymnasien haben die Schüler inzwischen so wenig Karies, dass die Werte nach Einschätzung der Leiterin des jugendzahnärztlichen Dienstes, Petra Völkner-Stetefeld, kaum noch verbessert werden können.

Sehr erfolgreich ist das Konzept aber auch in den Brennpunktgebieten - zurzeit 13 Kindergärten und neun Schulen. Karies ist nämlich auch abhängig vom Sozialstatus, berichtet Völkner-Stetefeld.

Allerdings beschränkt sich das Team nicht auf das Auftragen des Lacks. Die Zähne der Kinder werden regelmäßig auf Löcher untersucht. Dazu gibt es ein Zahnputztraining, Informationen über Zahnbürsten, Pasta sowie Tipps zur richtigen Ernährung.

 "Wir sind oft präsent. Das schwappt auch auf das Elternhaus über", erzählt Völkner-Stetefeld. Durch die Besuche sinke sogar die Angst vor dem Zahnarzt, hat die Universität in einer Studie herausgefunden.

Schlechtere Werte bei Sechsjährigen

Etwas schwieriger ist die Situation bei den Kleineren. Bei den Sechsjährigen haben nur 66 Prozent der Marburger Kinder vollkommen gesunde Zähne.

Wenn die Jugendzahnpflegerinnen zur ersten Untersuchung in die Grundschule oder in den Kindergarten kommen, ist es nämlich oft schon zu spät. Die ersten Löcher sind schon vorhanden. "Die Hauptursache ist das Dauernuckeln", sagt Völkner-Stetefeld.

Um die Kleinkinder zu erreichen, wurde das "Marburger Mini-Modell" ins Leben gerufen, das auf die Fortbildung von Erzieherinnen, Hebammen und Kinderärzten setzt.

Zum Teil werden die Kleinen auch schon in Krabbelgruppen, Krippen und Müttertreffs mit dem Lack versorgt, der sogar leichte kariöse Stellen reparieren kann.

Der Schutz ist günstig: 1,50 Euro kostet die Vorsorge pro Kind und Besuch, hat die Jugendzahnpflege errechnet. Deshalb kann Völkner-Stetefeld nicht verstehen, dass über Kürzungen nachgedacht wird.

Die Expertin: "Jede Karies, die entsteht, ist eine unnötige Karies." (coo)

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