Porträts

Fleißige Pflegerinnen aus China im Schwabenland

Sie sind hoch motiviert und fit für eine große Herausforderung: Bis Ende 2015 sollen 150 chinesische Pflegefachkräfte in Deutschland eingesetzt werden.

Von Pete Smith Veröffentlicht:
Hoch motiviert um in deutschenPflegeheimen zu arbeiten:Junge Frauen aus China.

Hoch motiviert um in deutschenPflegeheimen zu arbeiten:Junge Frauen aus China.

© Pete Smith

STUTTGART. Nach Einschätzung des Arbeitgeberverbands Pflege fehlen in Deutschland derzeit 30 000 Pflegefachkräfte. "Bis 2030", sagt Verbandspräsident Thomas Greiner, "benötigen wir weitere 175 000 Pflegefachkräfte."

Er bezieht sich dabei auf den "Pflegeheim Rating Report" des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI), wonach die Zahl der Pflegebedürftigen in den nächsten 15 Jahren auf 3,3 Millionen Bundesbürger steigen wird.

"Trotz großer Bemühungen in der Aus- und Weiterbildung sowie der verkürzten Qualifikation von Pflegehilfs- zu Pflegefachkräften werden wir den immens steigenden Bedarf nicht decken können", so Greiner. Da auf lange Sicht auch die Zuwanderung von Fachkräften aus europäischen Staaten nicht ausreichen werde, sucht man nach neuen Perspektiven - unter anderem in China.

Vor drei Jahren hat der Arbeitgeberverband Pflege gemeinsam mit der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur für Arbeit ein Pilotprojekt ins Leben gerufen mit dem Ziel, bis Ende 2015 insgesamt 150 chinesische Pflegefachkräfte in Pflege- und Altenheimen in Deutschland einzusetzen, je ein Drittel in Hessen, Hamburg und Baden-Württemberg, wobei in jüngster Zeit auch bayerische Arbeitgeber Interesse bekundet haben.

Anfänglich werden die jungen Chinesinnen als Pflegehilfskraft beschäftigt, nach erfolgter Anerkennung dann als Fachkraft in der Altenpflege.

Achtmonatige Vorbereitungsphase

Für die Auswahl der chinesischen Pflegekräfte sind Personalmitarbeiter der beteiligten deutschen Träger eigens nach China gereist. Voraussetzung ist ein Bachelor-Abschluss in Pflege und mindestens ein Jahr Berufserfahrung in einem Krankenhaus in China.

In einer achtmonatigen Vorbereitungsphase in einem Trainingscenter in Weihai in der Provinz Shandong sind die jungen Pflegekräfte in Deutsch unterrichtet (B1-Sprachniveau) und auf die kulturellen Unterschiede zwischen Deutschland und China vorbereitet worden.

Die ersten 14 Pflegekräfte aus China haben bereits 2014 ihre Qualifizierung in Hessen abgeschlossen und arbeiten inzwischen als Pflegefachkräfte in hessischen Senioreneinrichtungen. In Baden-Württemberg bereiten sich derzeit 27 junge Chinesinnen auf ihre Prüfung zur Anerkennung ihres Berufsabschlusses Pflegefachkraft vor. Das Interesse der Pflegekräfte in China sei riesengroß, so Greiner, derzeit suchten 60 000 einen Job im Ausland.

"Die jungen Frauen aus China bringen eine sehr gute pflegerische Qualifikation mit, haben eine positive Einstellung zu ihrem Beruf und wollen ganz bewusst die Arbeit in der Altenpflege kennenlernen, solche Angebote gibt es in China nämlich nicht", sagt Ingrid Hastedt, Vorstandsvorsitzende des Wohlfahrtswerks Baden-Württemberg, in dessen Einrichtungen elf Chinesinnen tätig sind.

Die Kooperation sei daher eine Win-win-Situation und sehr viel nachhaltiger als die Anwerbung europäischer Pflegekräfte aus Spanien, Italien oder Griechenland. "Wenn es in diesen Ländern wieder aufwärts geht, werden die Pflegekräfte bald zurück in ihre Heimat gehen."

Aufenthalt von mindestens fünf Jahren

Die Anwerbung chinesischer Pflegekräfte soll sich langfristig auszahlen, doch zunächst koste sie Geld, stellt Verbandschef Greiner klar.

Die beteiligten Unternehmen hätten 10.000 Euro in jede Pflegekraft aus China investiert, für die Sprachqualifikation, Unterricht zur Altenpflege in Deutschland sowie die Vorbereitung auf die Kenntnisprüfung.

Dazu kämen die Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis, die Wohnungsbeschaffung, begleitender Sprachunterricht, weitere Qualifikationen wie etwa Telefon-Training und Eingliederungshilfen wie beispielsweise bei der Eröffnung eines Kontos oder der Nutzung des Öffentlichen Nahverkehrs.

"Uns geht es nicht darum, billige Pflegekräfte nach Deutschland zu holen", betont Greiner. "Die Pflegekräfte aus China werden genauso bezahlt wie ihre deutschen Kolleginnen."

Mindestens fünf Jahre könnten die jungen Chinesinnen in Deutschland bleiben, gern auch länger.

  • Wenjing Cai sieht große Chance für ihr Leben
  • Mengyao Zhou kämpft mit schwäbischem Dialekt

Wenjing Cai träumt von einer Zukunft in Deutschland und hofft, dass ihr Mann bald nachkommen kann.

Wenjing Cai lernt eifrig Deutsch.

Wenjing Cai lernt eifrig Deutsch.

© Pete Smith

Sisi wird Wenjing Cai in Deutschland genannt. Das komme daher, dass der erste Buchstabe ihres Namens im Englischen "Si" ausgesprochen werde, erzählt die 28-jährige Pflegekraft. Und wie die ehemalige Kaiserin aus Österreich geht auch "Sisi" Wenjing Cai gern auf Reisen. In Heidelberg, Konstanz, Merseburg und auf der Blumeninsel Mainau sei sie schon gewesen. "Dabei habe ich auch Couchsurfing erlebt", verrät Wenjing Cai, wobei man als Übernachtungsgast nichts bezahlt, sofern man bereit ist, Reisenden bei sich Daheim ebenfalls ein kostenloses Quartier anzubieten.

Wenjing Cai kommt aus Guang Zhou im Süden Chinas, wo sie drei Jahre als Krankenschwester gearbeitet und nebenbei Internationale Pflege studiert hat. Wie ihre Kolleginnen auch hat sie vor ihrer Reise nach Deutschland in einem Trainings-Center in Weihai in der Provinz Shandong einen achtmonatigen Vorbereitungskurs absolviert, in dem sie Deutsch gelernt hat und mit den kulturellen Unterschieden zwischen ihrer alten und neuen Heimat vertraut gemacht wurde. Im August 2014 kam sie dann nach Stuttgart und begann ihre Tätigkeit als Pflegehilfskraft in der dortigen Eduard-Mörike-Seniorenwohnanlage mit dem Ziel, die Anerkennung als Pflegefachkraft zu erlangen und in der Altenpflege zu arbeiten.

Die Arbeit gefalle ihr sehr gut, sagt die 28-jährige Chinesin. "Alle sind sehr nett zu mir. Besonders mit manchen Bewohnern habe ich einen sehr guten Kontakt. Sie helfen mir auch, mein Deutsch zu verbessern. Wenn mir Worte fehlen, wissen sie häufig schon, was ich sagen will und ergänzen meine Sätze." Tatsächlich spricht sie schon sehr gut, sieht aber selbst noch Verbesserungsbedarf: "Das Hören und Sprechen fällt mir noch schwer, weil die Aussprache so anders ist. In China habe sie keine Chance gehabt, mit Muttersprachlern deutsch zu sprechen. Daher bittet sie ihre Gesprächspartner sogar, dass sie ihre Fehler korrigieren.

"Ich habe mich inzwischen gut eingelebt und gebe auch weiterhin mein Bestes, mir das Leben hier gut einzurichten", sagt Wenjing Cai. "Wenn ich Zeit habe, koche ich auch gern und lade Kolleginnen zum Essen ein." Mit den deutschen Essgewohnheiten allerdings hadert sie noch ein wenig. Aus China sei sie warme Mahlzeiten gewöhnt, während die Deutschen gern kalt äßen. Dafür gehe es in ihrer neuen Heimat weitaus gemütlicher zu als in chinesischen Großstädten, wo das Leben sehr stressig sei, weil die Menschen tagaus, tagein arbeiteten. Wenjing Cai hat ein gutes Auge für die Details und zieht daraus ihre Schlüsse. "Die vielen Blumen in den Fenstern finde ich sehr schön", sagt sie beispielsweise. "Das gibt mir das Gefühl, dass die Deutschen das Leben sehr mögen."

Ihr Ehemann lernt derzeit ebenfalls Deutsch, weil er so schnell wie möglich aus China nachkommen möchte. Die 28-Jährige hat konkrete Vorstellungen von ihrer Zukunft. Zunächst müsse sie die Prüfung zur Anerkennung ihres Berufsabschlusses bestehen. Danach könne ihr Mann nachkommen. Mit ihrem Hund. Dann müsse er eine Arbeit finden.

"Maximal zwei Kinder" will Wenjing Cai einmal haben. "Wenn ich in einer glücklichen Familie leben und als Altenpflegerin in Deutschland arbeiten kann, wäre das genug für mich." (smi)

Angschd oder Angst? Für Pflegerin Mengyao Zhou ist die deutsche Sprache eine große Herausforderung.

Mengyao Zhou lernt für die Pflegeprüfung.

Mengyao Zhou lernt für die Pflegeprüfung.

© Pete Smith

Die Stille ist Mengyao Zhou im Ländle als erstes aufgefallen. "In Stuttgart ist es in der Nacht ganz ruhig", sagt die 23-jährige Pflegekraft, die seit einem halben Jahr in der Eduard-Mörike-Seniorenwohnanlage der baden-württembergischen Landeshauptstadt tätig ist. "In chinesischen Großstädten ist es immer laut. Auch nachts."

Mengyao Zhou ist eine von insgesamt 27 Gesundheits- und Krankenpflegerinnen aus China, die sich derzeit in einem Pflegeheim in Baden-Württemberg auf ihre Prüfung zur Anerkennung ihres Berufsabschlusses vorbereiten. "Ich freue mich, dass ich diese Erfahrung machen kann", erklärt sie und lobt vor allem ihre Chefs und Kolleginnen, die alle sehr nett zu ihr seien und sie auf ihrem Weg unterstützten. Schon bei ihrer Ankunft im August vergangenen Jahres sei alles "perfekt vorbereitet" gewesen, so Mengyao Zhou. Sogar chinesisches Essen habe es zu ihrem Empfang gegeben.

Ihre Kolleginnen meinten, sie sei fleißig, aber viel zu ruhig, sagt Mengyao Zhou. Manchmal erinnerten sie sie an ihre Pause, die sie vergesse, da sie ihre Arbeit so sehr möge. "Aber eigentlich könnte ich noch fleißiger sein." Eine der größten Herausforderungen sei die deutsche Sprache, oder besser der schwäbische Dialekt, den die meisten ihrer Patienten sprächen. "Sie sagen zum Beispiel Angschd statt Angst, das hat mich am Anfang ganz schwindelig gemacht", erzählt sie und lacht. "Aber mit der Zeit kann ich sie immer besser verstehen."

In die Gebräuche und kulturellen Gewohnheiten der Deutschen wird Mengyao Zhou nicht zuletzt durch die Feiern und Feste eingeführt, die das Seniorenheim veranstaltet. Einmal habe es auch eine Party für die Mitarbeiterinnen gegeben. "Alle haben gesungen und getanzt, dabei habe ich meine Kolleginnen ganz anders kennengelernt und gedacht, die Deutschen sind ziemlich crazy." Solche Partys seien gut für das Zusammengehörigkeitsgefühl, meint die 23-Jährige. "Denn wir arbeiten ja als Team."

Was Mengyao Zhou am meisten vermisst, ist ihre Familie. Mit ihr telefoniert die junge Pflegekraft alle zwei Tage - über den Online-Videodienst Skype. Dabei werde sie nach ihrem Leben in Deutschland, ihrer Arbeit und ihrem Verdienst gefragt, aber auch, ob sie schon einen Freund habe. "Meine Mutter sagt, du bist schon 23 und hast noch keinen Freund." In ihrer Kollegin Zorak, einer aus Ex-Jugoslawien stammenden Pflegefachkraft, und deren deutschen Mann hat die junge Chinesin eine Ersatzfamilie gefunden. Zorak sei 47, so alt wie ihre Mutter. Sie und ihr Mann lüden sie öfter zum Kochen oder Essen ein. Dabei könne sie auch ihre Sprachkenntnisse verbessern.

In ihrer Freizeit geht Mengyao Zhou ab und zu in einem asiatischen Laden einkaufen oder unternimmt mit ihrer Freundin Ausflüge in die City oder Umgebung, zum Beispiel nach Ludwigsburg. Abends lernt sie dann Deutsch und was sie sonst noch für ihren Beruf braucht. "Dass wir die Prüfung bestehen, ist ganz wichtig", sagt die 23-Jährige. "Wenn nicht, müssen wir nach China zurück." (smi)

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