Anschlag in Berlin

Schockstarre, Grablichter und rote Rosen

In Berlin ist das passiert, was schon lange befürchtet worden war. Ein massiver Anschlag trifft die Hauptstadt. Am Morgen steht der demolierte Sattelschlepper noch an der Gedächtniskirche.

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BERLIN. Am Rand des Weihnachtsmarkts steht eine türkische Ärztin, sie trägt noch medizinische Handschuhe. Sie habe eine Stunde lang geholfen und versucht, Opfer zu reanimieren, sagte sie. Ein Mensch sei trotzdem gestorben. Außerdem habe sie mehrere abgetrennte Gliedmaßen gesehen. Mittlerweile ist ein großer Teil der Bergungsarbeiten abgeschlossen.

Am Morgen nach dem mutmaßlichen Terroranschlag von Berlin herrscht gespenstische Stimmung in der Hauptstadt: ein kleiner Strauß roter Rosen liegt in der Nähe der Gedächtniskirche. Ein paar Kerzen brennen. Weiträumig ist der Ort des Grauens am Breitscheidplatz in der City-West mit rot-weißen Bändern abgesperrt.

Polizisten laufen Streife. "Es ist furchtbar", sagt die 31-jährige Aileen geschockt. "Ich war am Montagabend auf dem Weihnachtsmarkt verabredet, konnte aber nicht hin, weil ich kränklich war", sagt die Kauffrau auf dem Weg zur Arbeit. "Es hätte auch mich treffen können."

Nach bisherigen Informationen riss der schwere Laster, der auf den Weihnachtsmarkt raste, elf Menschen in den Tod, Dutzende wurden verletzt. Auch ein Mann, der neben dem mutmaßlichen Täter auf dem Beifahrersitz saß, ist tot. Der festgenommene Verdächtige soll aus Pakistan stammen und in einer Berliner Flüchtlingsunterkunft gewohnt haben. Dazu verdichteten sich am Dienstag die Hinweise.

Am Dienstagmorgen steht der demolierte Sattelschlepper schief verkantet noch da. Die Windschutzscheibe des Lasters mit polnischem Kennzeichen ist zerstört, die Frontpartie verbeult. Es ist eine fast absurde Szene: Die blinkenden Leuchter des Abschleppwagens mischen sich mit der bunten Weihnachtsbeleuchtung. Gitter mit Planen sollen die Blicke Neugieriger fern halten.

Suche nach Arbeitsweg

Menschen hasten am abgesperrten Tatort vorbei, sie suchen einen Ersatzweg zur Arbeit. Viele können es noch gar nicht fassen. Die blinde Gewalt hat Berlin an der Gedächtniskirche, dem Symbol für Krieg und Zerstörung, erreicht.

Aileen arbeitet in einem Hotel, nur wenige Meter entfernt. "Ich hoffe, dass keinem meiner Kollegen etwas passiert ist." Auch hier haben Unbekannte an einem Pfeiler Teelichter entzündet. Eine kleine Deutschlandfahne liegt auf dem Gehweg, darauf steht ein Grablicht. Ein älterer Mann im schwarzen Mantel schüttelt nur stumm den Kopf. Er könne jetzt nichts sagen.

Indes werden die Fahnen an Dienstgebäuden auf halbmast gezogen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat Trauerbeflaggung angeordnet – als Zeichen der Anteilnahme.

Am Vormittag soll ein Kondolenzbuch in der Gedächtniskirche ausgelegt werden. Berliner können hier ihrer Trauer Ausdruck geben. Auch Gottesdienste sind in Kirchen Berlins geplant.

Um 13.00 Uhr wollen im Roten Rathaus der Regierende Bürgermeister Michael Müller, Innensenator Andreas Geisel (beide SPD), Staatsanwaltschaft, Polizei und Feuerwehr über den Stand der Ermittlungen informieren.

Zertrümmerte Stände

Am Montagabend hatten die Menschen fröhlich Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt getrunken, als das Grauen über sie hereinbricht. Gegen 20 Uhr rast ein dunkler Lastwagen über den Bürgersteig, direkt in den Markt hinein. Auf einer Strecke von 50 bis 80 Metern werden Menschen überrollt, Buden eingedrückt, Markstände zerstört. Überall liegt zerfetzt Weihnachtsdekoration zwischen zertrümmerten Ständen.

Auf Videos ist zu sehen, wie Menschen auf dem Boden liegen, andere Besucher verstört umherirren oder per Handy versuchen, Angehörige zu benachrichtigen. Wenig später ist ein Großaufgebot von Polizei und Rettungskräften am Tatort. Immer wieder tragen Sanitäter mit Infusionsflaschen Schwerverletzte in die Rettungswagen. Andere Opfer werden in einem weißen Zelt nahe der Gedächtniskirche behandelt.

Der Fahrer flüchtet zunächst Richtung Zoo und wird später im Bereich der Siegessäule festgenommen. Am Dienstag wird für die Ermittler immer klarer: Es war kein Unfall. Vieles deutet auf einen Terroranschlag hin.

Ein 62-jähriger Mann, der seinen Namen nicht nennen will, berichtet, dass der Laster aus Richtung Ku'damm gekommen war. "Ich habe gesehen, wie unter dem Lkw vier Personen lagen. Die lagen da drunter, die waren eingeklemmt. Denen konnte da keiner helfen." (dpa)

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