Lese-Empfehlung

Rückenschwimmend durch die Erinnerung

Demenz ist unsexy – das weiß Lars Ruppel. Trotzdem hat er es gewagt und eine Anthologie mit Gedichten zum Thema veröffentlicht.

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"Wer denkt, dass die Kumpel in den Kohlestollen des Ruhrgebiets einen harten Job machen", schreibt der mehrfache deutsche Poetry-Slam-Meister Lars Ruppel in der von ihm herausgegebenen Anthologie "Geblitzdingst", "der hat den Alltag mit einem Menschen, der unter demenziellen Veränderungen leidet, noch nicht erlebt." Um jenen, die im Verlauf ihrer Erkrankung verstummen, eine Sprache zu leihen, hat Ruppel 25 Texte von Autoren zusammengetragen, die ihre Erfahrungen und Reflexionen im Umgang mit Demenzpatienten in Gedichten sowie Kurzprosa übertragen.

"Eine knöcheltiefe Pfütze/aus Erinnerung und Zeit/durch die Opa rückenschwimmend,/schwelgend mit der Strömung treibt", heißt es etwa in Ruppels Gedicht "Bei Hempels unterm Sofa". Und Gary Glazner, Slam-Poet aus Brooklyn und Gründer des Alzheimer's Poetry Project, schreibt in seinem Poem "We are forget": "Our ears are wishful,/we can't remember our ears./We can speak every language,/we can't remember our mouths./We are porous./We are the past." ("Unsere Ohren sind begierig, wir können uns nicht an unsere Ohren erinnern. Wir können jede Sprache sprechen, wir können uns nicht an unseren Mund erinnern. Wir sind löchrig. Wir sind Vergangenheit.")

Die zusammengetragenen Texte "über das wohl unsexyeste Thema der Welt", wie die Werbung zur Anthologie verheißt, sind berührend, komisch und radikal persönlich. Vornehmlich richten sie sich an Angehörige von Demenzpatienten und an Pflegekräfte, letztlich aber auch an die, "die vergessen und nicht vergessen werden dürfen". Übrigens: Alle Beiträge kann man sich mit Hilfe eines QR-Codes auch anhören, was das Bändchen zu einem echten Multimediaerlebnis macht. (smi)

Buchangaben

Lars Ruppel (Hrsg.): Geblitzdingst. Slam Poetry über Demenz

Satyr Verlag. Berlin 2016. 112 Seiten.

Taschenbuch: 11,90 Euro, E-Book 7,90 Euro. ISBN 978-3944035758.

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