Karneval

Besäufnis – und sonst nichts?

Die Karnevals-Hochburgen am Rhein sind gerüstet für den Rosenmontag. Besonders in Köln wurde allerdings eine Debatte mit in die tollen Tage geschleppt, die man in der Stadt eigentlich nicht mag: Verkommt das Fest zum Gelage?

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Überfüllte Plätze, Stimmung ohne Ende: Die Narren sind los am Rhein.

Überfüllte Plätze, Stimmung ohne Ende: Die Narren sind los am Rhein.

© Andreas Arnold/dpa

KÖLN/MAINZ. Die närrischen Hochburgen sind gerüstet für den Rosenmontag. In mehreren Städten appellierte die Polizei an die Narren, auf Verkleidungen als Terrorist und auf Waffenattrappen zu verzichten. In Köln ging zudem die Diskussion darüber weiter, ob der Karneval zu einem reinen Massenbesäufnis verkommt.

Der Präsident des Festkomitees Kölner Karneval, Christoph Kuckelkorn, kritisierte: "Wer behauptet, der Karneval wäre nur Saufen und sonst nichts, der fügt damit dem Karneval und in der Folge der gesamten Stadt Köln einen echten Schaden zu."

Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) hatte zuvor in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur gesagt: "Der Karneval ist in den letzten Jahren – oder eher Jahrzehnten – zu etwas geworden, das eher einem allgemeinen Besäufnis entspricht, als dem, was unsere Karnevalskultur ausmacht."

Feiern und die Sorgen vergessen

Der Schriftsteller Navid Kermani (50, "Entlang den Gräben") hält die in jüngster Zeit viel diskutierten Exzesse im Kölner Karneval für ein Wohlstandsphänomen. "Ich glaube, jeder ältere Kölner wird bestätigen können, dass der Karneval kurz nach dem Krieg eine ganz andere Bedeutung hatte als jetzt, auch wenn damals viel weniger Alkohol getrunken und viel weniger Aufwand getrieben wurde", sagte der vielfach ausgezeichnete Autor der dpa. "Aber es hatte eben eine Bedeutung, dass man drei, vier Tage im Jahr feiern und die Sorgen vergessen konnte."

In ärmeren Ländern könne man diese Art des Feierns heute noch erleben. "Aber wenn es jetzt auch noch Sommerkarneval und Kölner Oktoberfest und elften Elften gibt, dann verliert das Feiern seine eigentliche Bedeutung als etwas Besonderes, das vom Alltag befreit. Feiern als Dauerbeschäftigung kommt mir fürchterlich öde vor."

Dieses Phänomen sei im Übrigen keineswegs nur in Köln zu beobachten, sagte Kermani, der seit Jahrzehnten in der Domstadt lebt; aber durch den Dauerkarneval sei es besonders präsent. "Wenn nur noch eine Verballermannisierung stattfindet, wenn die Spaßgesellschaft sozusagen durchdreht und es nur noch darum geht, zu grölen und sich möglichst schnell zu besaufen, laufe ich weg."

Unterschiedliche Wildpinkler-Strafen

Verkommt das Fest in Köln tatsächlich zum Gelage? Engelbert Rummel, Leiter des Kölner Ordnungsamtes, rechnet vor, was droht, wenn man an den Karnevalstagen kein Dixi-Klo benutzt, sondern einfach in die Gegend pinkelt. "Der Dom ist der teuerste Platz, das kostet 130 Euro", sagt er. Wiesen sind etwas günstiger. "Wenn es aber ein Denkmal ist, dann werden es auch schon mal um die 100 Euro."

Mit Weiberfastnacht hatte auch der Straßenkarneval begonnen. Menschen in Kuh-Kostümen, mit roten Pappnasen und grellen Perücken füllten die Kölner Straßen.

Das Fest steht 2018 allerdings insgesamt unter recht speziellen Vorzeichen. Rummel und seine Leute sollen dafür sorgen, dass es nicht noch mal die "Hölle von Kölle" gibt, wie manche die Zustände zum Karnevalsauftakt, dem 11. November 2017, nannten. Damals – ein Samstag – lief die Feier in einigen Vierteln komplett aus dem Ruder. Es gab massive Beschwerden über Saufgelage, Urin und Müll.

Die Stadt justierte daher nach: Es gibt nun ein neues Pfandsystem, mehr Zugangsbeschränkungen, mehr Struktur. Und vor allem eine Toilettenhäuschen-Armada. Allein die Stadt hat rund 700 zusätzliche Möglichkeiten geschaffen, auf das Klo zu gehen – fast das Zehnfache des vergangenen Jahres. Hat es etwas gebracht?

An den ersten Tagen waren nur wenige Urin-Pfützen zu sehen – auch weil insgesamt weniger los war als im vergangenen Jahr. Rummel führt es aber auch auf seine offensive Anti-Wildpinkler-Rhetorik der vergangenen Wochen zurück. "Das verbreitet sich über die sozialen Netzwerke, gerade bei den Jugendlichen, dass wir da rigoros einschreiten." Eine Stadtsprecherin beschreibt es so: "Wir haben die niedrigste Wildpinkler-Zahl ever."

Mit einem launigen Video zur Fastnacht warnt die Polizei in Mannheim vor den Schattenseiten der tollen Tage. "Betrunkener" werde als Verkleidung nicht akzeptiert, heißt es unter anderem in dem Film, den die Ordnungshüter am Donnerstag per Twitter verbreiteten.

Auch Ausreden wie "Wenn Ihr jetzt ein Auge zudrückt, weil Fasching ist, mach ich es nie wieder", seien bei den zu erwartenden Verkehrskontrollen zwecklos, hieß es. "Wenn Ihr am nächsten Tag nicht frei habt, gönnt immerhin Eurem Auto einen freien Tag und Euch ein gutes Gewissen", appellieren die Polizisten in dem 1:27 Minuten langen Video.

Fleischgewordene Dampfwalze

Unterdessen wartet Donald Trump auf seinen großen Auftritt. Als fleischgewordene Dampfwalze steht er in der Wagenhalle des Kölner Rosenmontagszuges, erbaut von Bildhauer Peter Hochscheid und Malerin Ines Hock.

 Die beiden sind Veteranen ihres Fachs: Anfang der 80er Jahre haben sie – damals noch in Mainz – den damaligen US-Präsidenten Ronald Reagan und den sowjetischen Staats- und Parteichef Leonid Breschnew gebaut. Die Großen der Welt kamen und gingen, aber die Wagenbauer sind geblieben. Nun also Trump.

Künstlerisch sei Trump keine allzu große Herausforderung: "Der ist wie früher Kohl – den machte man einfach als Birne, da wusste jeder, wer gemeint war. Oder Waigel mit den Augenbrauen. Bei Trump reicht allein schon die Haartolle."

"Das Problem ist, dass die zu karikierende Person sowieso schon unfreiwillig komisch ist, sagt Karikaturist Martin Weitz. "Da wird man als Karikaturist eher zum Illustrator, denn wenn man Trump auch noch überzeichnet, driftet man schnell in die Polemik oder ins Vulgäre ab." Eine Sache aber macht den Künstlern echte Sorgen: Wie soll man sich bei Trump noch steigern? (dpa)

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