Jubiläum

Kindernetzwerk wird 25 – und hat noch viel vor

Das Kindernetzwerk macht zum Jubiläum darauf aufmerksam, dass die Situation für Kinder mit chronischen oder seltenen Erkrankungen noch immer verbesserungswürdig ist.

Julia FrischVon Julia Frisch Veröffentlicht:
Vater und Sohn — im Kindernetzwerk teilen Eltern ihre Erfahrungen.

Vater und Sohn — im Kindernetzwerk teilen Eltern ihre Erfahrungen.

© Jaren Wicklund / Fotolia

BERLIN. Als der Verein Kindernetzwerk (KNW) Ende 1992 gegründet wurde, sollte er eine Kommunikationsbrücke zwischen Eltern von schwer erkrankten Kindern und Experten der Kinder- und Jugendmedizin schlagen. Dieser Elternselbsthilfe schlug anfangs allerdings Skepsis entgegen.

"Es wurde zu dieser Zeit völlig verkannt, dass Eltern die eigentlichen Spezialisten gerade bei chronischen Krankheiten und seltenen Erkrankungen sind", erinnerte sich Hubertus von Voss, Gründungsmitglied und heute Ehrenvorsitzender, auf der Jubiläumstagung, die kürzlich in Berlin stattfand.

Das Kindernetzwerk sei im Laufe der Zeit zu einer Drehscheibe des Wissensaustausches geworden und entwickelte sich zu einem Dachverband der Elternselbsthilfe. Heute werden seine Vertreter sogar zu Anhörungen im Parlament geladen. Bei Krankenkassen und kinderärztlichen Verbänden sei das Netzwerk geachtet, sagte von Voss.

Eine Koordinierungsstelle in Berlin wurde eingerichtet, eine Akademie gegründet und vor vier Jahren eine große Versorgungsstudie zusammen mit dem AOK-Bundesverband durchgeführt.

Dutzend Themen auf der Agenda

Zurücklehnen werde sich das Kindernetzwerk nun aber nicht, sagte von Voss und umriss knapp ein Dutzend Themen, die in dem Verein in den kommenden Jahren ganz oben auf der Agenda stehen werden.

So benötige Deutschland für die Registrierung seltener Erkrankungen eine zentrale Erfassungsstelle, die mit ausländischen Partnern wie Orphanet oder Eurordis zusammenarbeitet. "Dafür muss die Bundesregierung Geld in die Hand nehmen", forderte von Voss.

Ferner sei es "höchste Zeit, die Pharmaindustrie zu bedrängen", mehr kindgerechte Medikamente und mehr Arzneien für die Behandlung seltener Krankheiten zu entwickeln.

Ebenso müssten Krankenkassen aufhören, ständig wiederholend Kostenerstattungen für Untersuchungen bei komplexen Erkrankungen abzulehnen.

Der Gemeinsame Bundesausschuss sollte zudem seine "mitunter willkürlichen Entscheidungen" zur Finanzierung von Diagnostik und Behandlungen von Kindern infrage stellen.

Sechs zentrale Themenfelder

Wo noch Arbeit auf das Kindernetzwerk wartet, zeigte auch Geschäftsführer Raimund Schmid auf der Jubiläums-Jahrestagung.

Er zog eine Bilanz des "Berliner Appells", eines Handlungskatalogs, der 2012 von Kindernetzwerk und der Eltern-Selbsthilfe veröffentlicht worden war. Sechs zentrale Themenfelder klopfte Schmid darauf hin ab, ob sie in der Politik, Öffentlichkeit und bei den Akteuren im Gesundheitsbereich "angekommen" sind.

Erfolge gebe es auch durch Gespräche des Netzwerkes zum Beispiel bei der Pflegebegutachtung von Kindern und Jugendlichen. Drei Viertel der Befragten gaben in der KNW-Versorgungsstudie an, dass die Pflegebedürftigkeit und der Pflegegrad angemessen eingestuft worden sei.

Zehn Jahre zuvor habe diese Quote nur bei 50 Prozent gelegen, berichtete Schmid. Noch nicht erreicht worden sei aber eine Forderung des "Berliner Appells", mehr gesetzlich geregelte Entlastungsangebote für Eltern mit pflegebedürftigen Kindern zu schaffen.

Noch großer Handlungsbedarf

Beim Thema Transition gebe es neben einer von der KNW-Akademie angeboten Ausbildung zum Transitionscoach oder –berater auch immer mehr Medizinische Zentren von Erwachsenen mit Behinderung. Bundesweit fehlten aber nach wie vor strukturierte und als Regelleistung implementierte Transitionsprogramme.

Ebenso bestehe noch großer Handlungsbedarf, um psychische Tabuerkrankungen aus dem Schatten herauszuholen.

Für Familien mit Kindern mit komplexen Erkrankungen müssten Case-Managements bereitgestellt und erfolgreiche Lotsenprojekte in die Regelversorgung übernommen werden, mit denen Familien durch das Gesundheitssystem geführt werden.

Schmid forderte auch eine Verbesserung der Weiterbildung zum Kinder- und Jugendarzt. Hier hinke man immer noch der Allgemeinmedizin hinterher. Das führe dazu, dass in weiten Teilen der Republik Pädiater Mangelware seien.

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