HIV-Infektion

Respekt für Conchita Wursts Coming Out

Der Travestiekünstler Conchita Wurst hat seine HIV-Infektion öffentlich gemacht, um einer Erpressung zuvorzukommen. Die Aids-Hilfe sieht Licht und Schatten.

Von Thomas Bremser und Holger Mehlig Veröffentlicht:
Conchita Wurst hat 2014 den Eurovision-Song-Contest gewonnen.

Conchita Wurst hat 2014 den Eurovision-Song-Contest gewonnen.

© picture-alliance / Geisler-Fotop

BERLIN. Die Deutsche Aids-Hilfe sieht die unfreiwillige Bekanntmachung der HIV-Infektion von Conchita Wurst (29) mit gemischten Gefühlen.

"Hier geht jemand selbstbewusst mit HIV um, macht sich nicht klein und lässt sich nicht von anderen bestimmen. Das kann natürlich Menschen Mut machen", sagte Pressesprecher Holger Wicht am Montag der Deutschen Presse-Agentur.

Der österreichische Travestiekünstler und Sänger Thomas Neuwirth, der in die Rolle der bärtigen Dragqueen schlüpft und 2014 mit "Rise like a Phoenix" den Eurovision-Song-Contest gewann, hatte am Sonntag bekanntgemacht, von einem Ex-Freund erpresst worden zu sein. Dieser Hintergrund könne Betroffenen auch Angst machen, gab Wicht zu bedenken.

88.000 Betroffene in Deutschland

"Das zeigt, dass wir noch lange nicht am Ziel eines selbstverständlichen Umgangs ohne Diskriminierung sind. Conchita Wurst wird sicher in Zukunft eine kraftvolle Stimme für dieses Ziel sein." Rund 88.000 Menschen leben nach Angaben der Deutschen Aids-Hilfe alleine in Deutschland mit HIV.

Mit einer frühzeitigen Therapie und der regelmäßigen Einnahme von Medikamenten könne die Vermehrung von HI-Viren im Körper verhindert werden. Sie seien nach einer Zeit dann nicht mehr nachweisbar und könnten nicht mehr weitergegeben werden. "Diese Nachricht ist leider noch viel zu unbekannt", erklärte Wicht.

Wurst hatte am späten Sonntagabend auf Instagram von ihrer Infektion berichtet. Viele Fans machten der Kunstfigur Mut und zollten ihr Respekt.

Conchita Wurst machte die Information öffentlich, weil ein Ex-Freund ihm drohte, diese zu verbreiten. "Ich gebe auch in Zukunft niemandem das Recht, mir Angst zu machen und mein Leben derart zu beeinflussen", schrieb er auf Instagram. Ihm gehe es aber trotz HIV-Infektion gesundheitlich gut. Zuerst hatte bild.de über das Coming Out berichtet.

2014 hatte die Kunstfigur mit Abendkleid und Vollbart mit dem Song "Rise like a Phoenix" den Eurovision Song Contest gewonnen.

Nun schrieb Neuwirth weiter, seit der Diagnose sei er in medizinischer Behandlung "und seit vielen Jahren unterbrechungsfrei unter der Nachweisgrenze, damit also nicht in der Lage, den Virus weiter zu geben". Er fügte hinzu: "Coming Out sei besser, als von Dritten geoutet zu werden."

Von Damoklesschwert befreit

Er hoffe, anderen Menschen Mut zu machen und einen weiteren Schritt gegen die Stigmatisierung zu setzen, die sich durch ihr eigenes Verhalten oder aber unverschuldet mit HIV infiziert hätten.

Auf jeden Fall habe er sich mit dieser Veröffentlichung "für den Rest meines Lebens von einem Damoklesschwert" befreit – auch wenn diese private Information für die Öffentlichkeit eigentlich irrelevant sei.

Bisher sei er nicht an die Öffentlichkeit gegangen, um seiner Familie die damit verbundene Aufmerksamkeit zu ersparen. Auch seine Freunde wüssten seit geraumer Zeit Bescheid "und gehen in einer Unbefangenheit damit um, die ich jeder und jedem Betroffenen wünschen würde".

Darüber hinaus sei es "eine Information, die meiner Meinung nach hauptsächlich für diejenigen Menschen von Relevanz ist, mit denen sexueller Kontakt infrage kommt".

Conchita Wursts Fans reagierten verständnisvoll und zollten ihm Respekt für den Mut, sich zu outen. "Der heutige Tag wird dir als einer der besten Tage deines Lebens in Erinnerung bleiben und ganz sicher auch vielen anderen Mut machen, die Zügel selbst in die Hand zu nehmen", schrieb einer auf Wursts Instagramseite.

Ein anderer bedauerte, dass Chonchita Wurst die Entscheidung durch einen "grausamen Menschen abgenommen wurde". Wieder ein anderer meinte, HIV sollte heutzutage kein Druckmittel mehr sein dürfen. "Idioten wird es leider immer geben und Dummheit ist NICHT behandelbar." (dpa)

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