Flüchtlinge

Ärzte ohne Grenzen mahnen EU

Die Hilfsorganisation macht der Union schwere Vorwürfe wegen der "Aquarius"-Flüchtlinge.

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BERLIN. Die Regierungen der EU-Staaten nehmen aus Sicht der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen das Leid der erschöpften Schiffbrüchigen auf dem Rettungsschiff "Aquarius" bewusst in Kauf, um weitere Menschen von der Flucht nach Europa abzuhalten.

Die nun geplante tagelange Überfahrt nach Spanien berge gesundheitliche Gefahren für die Passagiere, warnte Geschäftsführer Florian Westphal bei der Vorstellung des Jahresberichts der Organisation am Dienstag in Berlin. Das Schiff müsse deshalb umgehend in den nächsten sicheren Hafen gebracht werden.

Einige der Flüchtlinge hätten bei ihrer Rettung wiederbelebt werden müssen, erklärte Westphal. Wasser in der Lunge berge die Gefahr schwerer Lungenprobleme. Andere Flüchtlinge an Bord litten an schweren Verätzungen.

Auch kleine Kinder seien auf dem Schiff, ebenso wie mehrere schwangere Frauen. Die Organisation kritisierte, dass die erschöpften Migranten bei einer Überfahrt nach Spanien weitere vier Tage auf See überstehen müssten.

Die von den Organisationen Ärzte ohne Grenzen und SOS Méditerranée betriebene "Aquarius" kreuzt regelmäßig im südlichen Mittelmeer, um Migranten aus seeuntüchtigen Booten zu retten und nach Italien zu bringen. Die neue italienische Regierung mit dem fremdenfeindlichen Innenminister Matteo Salvini verweigert aber den Hafenzugang.

In 70 Ländern Nothilfe

Ärzte ohne Grenzen leistete im Jahr 2017 in rund 70 Ländern Nothilfe. Die Einnahmen durch private Spenden seien um knapp 15 Millionen auf 147,7 Millionen Euro gestiegen, sagte Vorstandschef Volker Westerbarkey.

Die Gesamteinnahmen hätten bei 153,6 Millionen Euro gelegen, ausgegeben habe die Organisation insgesamt 154,6 Millionen Euro. Mit 136 Millionen Euro habe die deutsche Sektion Projekte in 40 Einsatzländern finanziert.

Westerbarkey berichtete am Dienstag vor allem von der katastrophalen Lage im Bürgerkriegsland Jemen. 22 von 27 Millionen Menschen seien dort auf humanitäre Hilfe angewiesen. Das Gesundheitssystem sei zusammengebrochen, es fehle an Nahrung und sauberem Wasser.

"Die offensichtlichsten Opfer der seit Jahren andauernden Gewalt sind Menschen, die von Schüssen, Granaten, Minen und bei Luftangriffen verletzt wurden", sagte Westerbarkey. "Doch auch die grundlegende Gesundheitsversorgung ist so gut wie weggefallen, sowie medizinische Hilfe für chronisch Kranke, Schwangere und Kinder."

Viele Kinder seien akut mangelernährt als Folge von Krankheiten, die vermieden werden könnten.

Ohne die notwendigen Impfungen kämen längst überwunden geglaubte Erkrankungen zurück, wie im vergangenen Jahr die Diphtherie in 15 von 20 Provinzen des Landes auf der arabischen Halbinsel.

Es habe Dutzende Tote gegeben, vor allem Kinder. Den letzten Diphtherie-Fall hatte es zuvor 1992 gegeben. (dpa/bar)

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