Helmholtz-Zentrum

Künstlicher Magnetsinn für Orientierungslose

Können Menschen bald wie Vögel das Magnetfeld der Erde zur Orientierung nutzen? Dresdner Forscher haben einen Sensor entwickelt, der das ermöglichen soll. Der Clou: Der Sensor ist hauchdünn und kann auf der Haut getragen werden.

Veröffentlicht:
Eine auf dem Finger aufgeklebten Folie erkennt das Erdmagnetfeld und ermöglicht es den Forschern, nur mit einer Handbewegung einen virtuellen Panda zu steuern.

Eine auf dem Finger aufgeklebten Folie erkennt das Erdmagnetfeld und ermöglicht es den Forschern, nur mit einer Handbewegung einen virtuellen Panda zu steuern.

© HZDR / G.S. Cañón Bermúdez

DRESDEN. Während viele Vögel das Magnetfeld der Erde zur Orientierung einsetzen können, fehlt Menschen diese Fähigkeit – bisher zumindest.

Denn Forscher des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf HZDR haben einen elektronischen Magnetsensor entwickelt, der so empfindlich ist, dass er nur über die Interaktion mit dem Erdmagnetfeld die Bewegungen eines Körpers im Raum bestimmen kann (Nat Electronics 2018; 1:pages589–595).

Da der Sensor hauchdünn und flexibel biegbar ist, lässt er sich leicht auf der Haut tragen. Mit dieser „elektronischen Haut“ als Kompass könnte Menschen bei der Orientierung geholfen werden, berichtet das HZDR.

„Auf der Folie haben wir elektronische Magnetsensoren aufgebracht, die kleinste geomagnetische Felder detektieren können“, wird Erstautor Gilbert Santiago Cañón Bermúdez in der Mitteilung des HZDR zitiert.

„Wir reden von 40 bis 60 Mikrotesla – das ist mehr als 1000-mal schwächer als ein üblicher Magnet am Kühlschrank und entspricht in etwa dem Erdmagnetfeld.“

Auf das Erdmagnetfeld ausgerichtet

Das Prinzip hinter den Sensoren, die aus hauchdünnen Streifen des Metalls Permalloy bestehen, beruht auf dem sogenannten anisotropen magnetoresistiven Effekt, wie Cañón Bermúdez erläutert: „Das heißt, dass sich, abhängig von der Orientierung zu einem äußeren Magnetfeld, der elektrische Widerstand dieser Schichten ändert.“

Um sie speziell auf das Erdmagnetfeld auszurichten, haben die Wissenschaftler diese ferromagnetischen Streifen in einem Winkel von 45 Grad mit leitfähigen Goldplättchen belegt. Der Strom kann deshalb nur in diesem Winkel fließen, wodurch die Sensoren am empfindlichsten in der Nähe besonders kleiner Magnetfelder sind.

„Die Spannung ist am stärksten, wenn die Sensoren auf Norden, und am schwächsten, wenn sie auf Süden ausgerichtet sind“, erklärt Cañón Bermúdez.

Sensor wird auf den Finger geklebt

Bei Versuchen in der freien Natur bewiesen die Forscher, dass ihre Konfiguration funktioniert: Den Sensor am Zeigefinger aufgeklebt, orientierte sich die Testperson von Norden über Westen nach Süden und zurück – was dazu führte, dass die elektrische Spannung dementsprechend fiel beziehungsweise wieder anstieg.

Die so angezeigten Himmelsrichtungen stimmten mit einem gewöhnlichen Kompass, der als Vergleich diente, überein. „Dies zeigt, dass wir erstmals einen tragbaren Sensor entwickeln konnten, der die Funktionsweise eines normalen Kompasses reproduzieren und den Menschen einen künstlichen Magnetsinn verleihen kann“, schätzt Bermúdez seine Entwicklung ein.

Den Physikern gelang es darüber hinaus, das Prinzip in die virtuelle Realität zu übertragen. Hier konnten sie bei Panda3D, einer Software für die Produktion von Computerspielen, einen digitalen Panda allein über eine Handbewegung steuern.

„Die Detektion des Magnetfelds aus der realen Welt ließ sich direkt in den virtuellen Bereich übersetzen“, fasst Mitautor Dr. Denys Makarov zusammen.

Da die Sensoren starke Verbiegungen und Verkrümmungen aushalten, ohne Funktionalität einzubüßen, sehen die Forscher großes Potenzial für ihre Entwicklung – nicht nur als Zugang zur virtuellen Realität.

„Damit ließen sich zum Beispiel genauer die Effekte eines Magnetsinnes auf Menschen untersuchen, ohne auf umständliche experimentelle Installationen, die oft die Resultate verzerren, zurückgreifen zu müssen“, gibt Gilbert Santiago Cañón Bermúdez einen Ausblick. (eb/bae)

Mehr zum Thema

Vor dem World Health Assembly

WHO-Pandemieabkommen noch lange nicht konsensfähig

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Interview

STIKO-Chef Überla: RSV-Empfehlung kommt wohl bis Sommer

Lesetipps
Neue Hoffnung für Patienten mit Glioblastom: In zwei Pilotstudien mit zwei unterschiedlichen CAR-T-Zelltherapien blieb die Erkrankung bei einigen Patienten über mehrere Monate hinweg stabil. (Symbolbild)

© Richman Photo / stock.adobe.com

Stabile Erkrankung über sechs Monate

Erste Erfolge mit CAR-T-Zelltherapien gegen Glioblastom

Die Empfehlungen zur Erstlinientherapie eines Pankreaskarzinoms wurden um den Wirkstoff NALIRIFOX erweitert.

© Jo Panuwat D / stock.adobe.com

Umstellung auf Living Guideline

S3-Leitlinie zu Pankreaskrebs aktualisiert