Raumfahrt

Im Tiefschlaf zum Mars

Beim Torpor handelt es sich um eine Art Tiefschlaf für lange Reisen im All. Erste Konzepte dafür existieren bereits.

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Im Science-Fiction-Film „2001: Odyssee im Weltraum“ von Stanley Kubrick aus dem Jahr 1968 werden Astronauten auf ihrer monatelangen Reise zum Planeten Jupiter in eine Art Winterschlaf versetzt. In der Tat wird diese Idee wissenschaftlich intensiv verfolgt. „Torpor“ ist der Fachausdruck, in der Medizin als Hypothermie bezeichnet, eine Art Kurzversion des Winterschlafs.

In der Natur ist Torpor – unabhängig von der Jahreszeit – ein verbreitetes Phänomen, zum Beispiel bei kleinen Säugetieren und Vögeln. Dabei sind die Körperfunktionen und der Stoffwechsel auf ein Minimum reduziert, es braucht keine oder wenig Nahrung zugeführt werden. Um bis zu 75 Prozent wird der Stoffwechsel heruntergefahren.

Bei Astronauten Torpor künstlich zu erzeugen, und zwar bei einer Körperkerntemperatur von um die 33°C, hätte mehrere Vorteile, so John E. Bradford und Douglas Talk vom Raumfahrttechnologie-Unternehmen Spaceworks Enterprises in Atlanta im US-Bundesstaat Georgia: Die Mannschaft würde weniger Ressourcen verbrauchen, was Nahrung, Sauerstoff oder Energie angeht, die Unterbringungsmöglichkeiten könnten deutlich spartanischer gestaltet werden, etwa was eine Bordküche, Ausrüstung für körperliche Aktivitäten, Unterhaltung und anderes mehr angeht, und schließlich würden die psychologischen Herausforderungen einer mehrmonatigen Reise in die Tiefen des Weltalls reduziert.

Was einerseits an baulichen Komponenten eingespart wird, kann andererseits genutzt werden für eine vergleichsweise effektivere Abschirmung vor kosmischer Strahlung sowie für redundante Sicherheitssysteme.

Das Unternehmen hat bereits detaillierte Grafiken publiziert, wie das Modul zur mehrmonatigen „Überwinterung“ von Astronauten für die Dauer der Reise aussehen könnte: Zu sehen sind auf offenen, mit Wärmepads ausgestatteten Liegen angeschnallte, schlafende Männer und Frauen, die bei Bedarf von Roboterarmen versorgt werden.

Das Leben der Astronauten in Zeichnungen

Die Vitalfunktionen werden mit intensivmedizinischen Instrumentarien überwacht, die Ernährung und die Applikation von Medikamenten, etwa zur Gerinnungskontrolle, erfolgt parenteral über Zentralvenenkatheter. Elektroden sorgen für die elektrische Stimulation der Muskulatur, um Muskelatrophien vorzubeugen.

Der Urin wird über einen Blasenkatheter abgeleitet – der Magen-Darm-Trakt ist laut Konzept inaktiv. Per integrierter Zentrifuge wird in der Raumkapsel künstlich Schwerkraft erzeugt. Dies, gemeinsam mit dem Verabreichen von Bisphosphonaten, soll unter anderem der Knochendemineralisation entgegenwirken.

Auf den Zentimeter und Kubikmeter genau haben die Technologen ein Habitat der NASA für die Arbeit im Weltraum und ein „Torpor Stasis Habitat“ miteinander verglichen: Sie kommen zu prozentual zweistelligen Masseeinsparungen zugunsten des Astronauten-Transports im Winterschlaf.

Workshop zeigt Probleme auf

Im März 2018 veranstaltete die NASA im kalifornischen Moffett Field einen zweitägigen Workshop, bei dem sich die Wissenschaftler über die physiologischen Grundlagen des Torpor, Tierexperimente zum Thema und konkrete Möglichkeiten Torpor zu induzieren austauschten. Der Intensivmediziner Keith Ruskin von der University of Chicago hält es demnach für möglich, über Kreisläufe, die für die Thermoregulation des Körpers zuständig sind, künstlichen Torpor beim Menschen zu erzeugen.

Hannah Carey von der University of Wisconsin gab zu bedenken, dass die mit den Astronauten mitreisende Mikrobiota und deren Verhalten bei mehrmonatigem Fasten im Zustand des Torpor berücksichtigt werden müsse. All das zeigt die Ernsthaftigkeit, mit der Wissenschaftler das Fernziel einer bemannten Mission zu anderen Planeten unseres Sonnensystems verfolgen, indem sie versuchen, eine metabolische Kontrolltechnologie für Raumfahrer der Zukunft zu entwickeln. (ner)

Lesetipp: „Hibernation and Torpor: Prospects for Human Spaceflight.“ Handbook of Life Support Systems for Spacecraft and Extraterrestrial Habitats, 1-15.

Lesen Sie dazu auch: Forschung im freien Fall: Diese Aspekte schinden den Körper von Astronauten

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