Darmkrebs-Vorsorge

„Prävention ist das Zukunftsthema“

Vertane Chancen sieht die Präsidentin der Felix Burda Stiftung, Dr. Christa Maar, beim Darmkrebs-Screening. Hoffnung setzt sie aber in die kürzlich ausgerufene „Nationale Dekade gegen Krebs“.

Von Pete Smith Veröffentlicht:
Etwa die Hälfte der jüngeren Darmkrebspatienten hat ein familiäres Risiko, von dem die meisten aber nichts wissen.

Etwa die Hälfte der jüngeren Darmkrebspatienten hat ein familiäres Risiko, von dem die meisten aber nichts wissen.

© kei907 / stock.adobe.com

MÜNCHEN. Vier Millionen Bundesbürger haben ein familiär bedingt höheres Risiko, an Darmkrebs zu erkranken. Das betrifft auch junge Menschen, unter denen die Zahl an Neuerkrankungen seit Jahren stetig steigt. Um Betroffene für diese Problematik zu sensibilisieren, steht der diesjährige Darmkrebsmonats März unter dem Motto „Es gibt kein zu jung für Darmkrebs. Rede mit Deiner Familie!“

„Die meisten der familiär belasteten Menschen wissen ja gar nicht, dass sie besonders gefährdet sind, an Darmkrebs zu erkranken“, sagt Dr. Christa Maar, Vorstand der Felix Burda Stiftung und Präsidentin des Netzwerks gegen Darmkrebs. „Und selbst wenn sie es wüssten, hätten sie nicht einmal ein Anrecht auf eine gesetzlich finanzierte Koloskopie.“

Mangel an Aufklärung

2014 erkrankten bundesweit 33.120 Männer und 27.890 Frauen neu an Darmkrebs. Laut Robert Koch-Institut, das voraussichtlich im Herbst aktuellere Zahlen veröffentlichen wird, starben im selben Jahr 13.580 Männer und 11.932 Frauen an den Folgen von Darmkrebs. Derzeit ist Darmkrebs bei Männern das dritthäufigste Karzinom und bei Frauen das zweithäufigste.

Mit fortschreitendem Alter steigt das Risiko: Mehr als die Hälfte der Betroffenen erkrankt ab dem 70. Lebensjahr, allerdings wird jede zehnte Darmkrebsdiagnose bereits vor dem 55. Lebensjahr gestellt. Also vor jenem Alter, in dem man bis dato Anspruch auf Darmspiegelung zur Krebsfrüherkennung hatte.

Setzt sich seit vielen Jahren mit der Felix Burda Stiftung für die Darmkrebsvorsorge ein: Stiftungsvorstand Dr. Christa Maar.

Setzt sich seit vielen Jahren mit der Felix Burda Stiftung für die Darmkrebsvorsorge ein: Stiftungsvorstand Dr. Christa Maar.

© Netzwerk gegen Darmkrebs

Nach dem großen Erfolg des ersten Darmkrebsmonats 2002 beschloss der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) noch im selben Jahr, die Vorsorgekoloskopie als gesetzliche Leistung für alle Bundesbürger ab 55 Jahren einzuführen und Qualitätsrichtlinien für jene Praxen festzuschreiben, die derartige Untersuchungen anbieten. „Das war ein Riesenerfolg“, sagt Christa Maar, der die Darmkrebsprävention nicht zuletzt eines persönlichen Schicksalsschlags wegen eine Herzensangelegenheit ist. 2001 starb ihr Sohn Felix am Kolonkarzinom, seither treibt sie der Wunsch um, möglichst viele Menschen vor einem ähnlichen Schicksal zu bewahren.

Tatsächlich ging die Zahl der Neuerkrankungen in der Altersgruppe von 50 bis 74 Jahre von 2002 bis 2014 um 17 Prozent zurück, zweifelsohne ein Erfolg der 2002 eingeführten Vorsorgekoloskopie. Die schlechte Nachricht: In der Altersgruppe der 25- bis 49-Jährigen stieg die Erkrankungsrate im selben Zeitraum um elf Prozent an.

„Etwa die Hälfte der jüngeren Darmkrebspatienten hat ein familiäres Risiko, von dem die meisten aber nichts wissen“, sagt Christa Maar. „Bei den anderen vermutet man Umwelt- und Lebensstilfaktoren als Ursache, Fast Food, Übergewicht und Bewegungsmangel, aber Studien dazu gibt es nicht.“

In puncto Darmkrebsprävention habe man zwar viel erreicht, sagt Maar, doch noch immer mangele es vielerorts an Aufklärung. „Es gibt weiterhin Hartleibige, die von einer Koloskopie nichts wissen wollen. Insbesondere Männer scheuen sich oft vor dieser Untersuchung, obwohl sie sie vor einer unter Umständen tödlichen Erkrankung schützen kann.“

Ab 1. Juni werden Bundesbürger ab 50 Jahren zu einem immunologischen Stuhltest eingeladen. Die persönliche Ansprache der Versicherten per Brief wäre eine Chance gewesen, deutlich mehr Menschen als bisher zur Teilnahme am Screening zu bewegen, glaubt Christa Maar.

 Doch diese Chance sei vertan worden. Denn wie jetzt vorgesehen, müsse man sich den Test beim Arzt abholen und ihn später zeitnah wieder dorthin zurückbringen. „Die Menschen, die man zum Screening einlädt, sind ja nicht krank“, so Christa Maar. „Sie müssen den zeitlichen Aufwand in ihren beruflichen Alltag integrieren. Dieser sollte deshalb so gering wie möglich sein.“

Man hätte sich ein Beispiel an den Niederländern nehmen können, sagt die Expertin. Dort erhalten die Versicherten den immunologischen Test zusammen mit dem Einladungsschreiben nebst einen frankierten Briefumschlag fürs Labor.

Das niederschwellige Angebot zeige Wirkung, so Christa Maar: 70 Prozent der Eingeladenen nehmen das Screening-Angebot an und schicken den Test zur Auswertung ins Labor. „Anders als in Holland hat der Gedanke, möglichst viele Menschen vor einer schlimmen Krebserkrankung zu bewahren, bei der Erstellung des deutschen Konzepts zum Einladungsverfahren offenbar nur eine sehr untergeordnete Rolle gespielt“, ärgert sich Maar.

Langer Atem ist notwendig

Die Felix Burda Stiftung gehört seit 2008 dem Nationalen Krebsplan der Bundesregierung an und hat sich dort intensiv für Verbesserungen in der Darmkrebsvorsorge eingesetzt. Die wichtigsten Verbesserungsempfehlungen fanden Eingang in das Krebsfrüherkennungs- und Registergesetz von 2013: Zur Darmkrebsfrüherkennung soll eingeladen und die Einführung angepasster Vorsorge für besondere Risikogruppen vom GBA ermöglicht werden.

 „In Deutschland dauert alles immer extrem lang. Der GBA hat seit Gesetzesveröffentlichung sechs Jahre gebraucht, um ein Konzept für ein Einladungsverfahren vorzulegen. Was die Risikogruppe mit familiärem Darmkrebs angeht, so hat sich für diese auch in sechs Jahren nichts im Hinblick auf die Bezahlung risikoangepasster Vorsorge getan. Eine ernüchternde Bilanz“, stellt Maar fest.

Hoffnung setzt sie auf die Ende Januar unter Federführung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung ausgerufene „Dekade gegen Krebs“, in die sie als Patin für die Arbeitsgruppe Prävention berufen wurde. „Es ist die erste Initiative, die nicht nur die Therapie, sondern auch die Prävention ins Zentrum stellt. In meinen Augen ist die Prävention von Krebs unter Ausnutzung aller vorhandenen technischen Möglichkeiten zur Entwicklung individueller Risikoprädiktion und Risikoprävention das zentrale Zukunftsthema. Da können wir in der Dekade hoffentlich einiges bewegen.“

Das ist FARKOR

  • Die Felix Burda Stiftung appelliert an die niedergelassenen bayerischen Ärzte, sich an dem Modellprojekt „Vorsorge bei familiärem Risiko für das kolorektale Karzinom“ (FARKOR) zu beteiligen.
  • Das Projekt bietet allen Versicherten in Bayern im Alter von 25 bis 49 Jahren die Möglichkeit, ihr familiäres Risiko für Darmkrebs untersuchen zu lassen, damit sie gegebenenfalls risikoangepasste Vorsorgemaßnahmen vornehmen können. An dem Projekt sind die KV Bayerns, die bayerischen Krankenkassen und die Münchener Universität beteiligt.
  • Teilnehmen können Ärzte, die Leistungen zur Krebsvorsorge erbringen.
  • Sämtliche Leistungen, die Ärzte im Rahmen von FARKOR erbringen, werden extrabudgetär vergütet.
  • Weitere Informationen finden Sie unter: www.darmkrebs-in-der-familie.de/ärzte und www.kvb.de/abrechnung/verguetungsvertraege/farkor/
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