"Endlich Raucher!" - Loblieder auf den blauen Dunst

Von Sandra Trauner Veröffentlicht:

Bücher wie "Endlich Nichtraucher!" gab es gestern. Heute schlagen die Raucher zurück. Gleich drei Bücher in diesem Herbst singen ein - freilich nicht ganz ernst gemeintes - Loblied auf den blauen Dunst. "Endlich Raucher!" (Knaur) ist ein Sammelsurium aus Anekdoten, Zitaten und Witzen mit Holzhammer-Humor. "Der letzte Raucher" (Kindler) ist ein gut formulierter Text voller origineller Beobachtungen. "Die letzte Zigarette" (Eichborn) versteht sich als "Liebesroman über das Rauchen".

Wer Argumente für das Anfangen sucht, findet sie in diesen Büchern zuhauf. Rauchen ist nicht nur "integraler Bestandteil der hedonistischen Evolution". Rauchen schützt auch davor, Opfer der Organmafia zu werden. Rauchen saniert den deutschen Staatshaushalt. Rauchen bewahrt Tabakpflückerinnen in der Dritten Welt vor dem Straßenstrich.

Die Bücher rauchender Schriftsteller sind besser als die enthaltsamer Autoren. Rauchen kann sogar Leben retten, glaubt man der Legende, die sich um die Geburt von Pablo Picasso rankt: Ein Arzt soll das tot geborene Kind wiederbelebt haben, indem er ihm Rauch in die Lungen blies.

Workout in 20 Tagen zum Kettenraucher

Oliver Kuhn macht den Leser mit seinem "Workout in 20 Tagen vom Nichtraucher zum Kettenraucher". Seine Anekdoten-Fibel "Endlich Raucher!" sieht aus wie eine Zigarettenpackung, es gibt sie in verschiedenen Farben. Mit Vorliebe fährt der Autor bekannten Anti-Rauch-Argumenten in die Parade.

Den volkswirtschaftlichen Schaden durch das Rauchen rechnet er auf gegen den Schaden durch Omas, die ewig brauchen, bis sie an der Supermarktkasse ihr Kleingeld herausgefummelt haben. Und er fordert eine Statistik über Raucher, die an Lungenentzündung erkrankten, weil ihre Gastgeber sie bei Wind und Wetter zum Rauchen auf den Balkon schickten.

Ein solches Balkon-Opfer beschreibt Mark Kuntz in seinem Buch "Der letzte Raucher": Sein Kumpel, genannt "der Dirk", ist frisch gebackener Nichtraucher und daher gemein zu Nochrauchern. Während der Gast draußen vor sich hin schmaucht, verriegelt "der Dirk" die Tür und geht mit seinen Kumpels in die Kneipe. 28 Zigaretten lang hat Kuntz nun Zeit, sich über das Rauchen Gedanken zu machen. Er malt Soziogramme von Rauchern, Nichtrauchern und Exrauchern, erinnert sich an die Vertreibung der Süchtigen aus den Büros und würdigt die lange unterschätzte "Zigarette davor".

Im Gewitterschauer phantasiert er sich als letzter Raucher ins Jahr 2040: Vom Zigaretten-Automaten der Zukunft muß sich der Kunde eine Standpauke anhören, bevor die ersehnte Schachtel kommt. Die kostet dann 99 Euro und enthält drei Zigaretten, ist mit Fotos von Lungen-OPs beklebt und löst beim Öffnen leichte Elektroschocks aus. Bei der Bahn werden neue Raucherzonen eingerichtet - auf dem Dach des ICE; für Kunden der ersten Klasse gibt es einen Windschutzanzug.

Allerdings, so erfährt der Leser der drei Bücher, hatten bereits die ersten Raucher gehörig Ärger: Einen sperrte die Inquisition ein, weil die Glaubenswächter dachten, der rauchende Teufel sei in ihn gefahren. Ein anderer bekam ein Glas Wasser ins Gesicht, weil ein Diener ihn löschen wollte. Ein russischer Zar drohte, Rauchern den Mund zunähen zu lassen, ein türkischer Sultan schlug zum Spaß Tabakverkäufern die Köpfe ab.

Im 16. Jahrhundert galt die Tabakpflanze als Heilkraut

Die Bezeichnung Nikotin geht übrigens zurück auf einen französischen Diplomaten namens Jean Nicot, der im 16. Jahrhundert zur Verbreitung der Tabakpflanze beitrug, weil er sie für ein Heilkraut hielt. In Bruno Preisendörfers Buch "Die letzte Zigarette" will der Erzähler eigentlich ein Buch über Nicot schreiben, aber weil es mit dem historischen Roman nicht so recht vorangeht (und weil es "die meisten Leute eben mehr interessiert, wer wann mit wem ein Bett teilt, als wer wann mit wem die Welt"), erzählt er stattdessen von seinen Frauen und deren Verhältnis zum Nikotin.

Carmen zum Beispiel gewöhnte sich das Rauchen durch Vielrauchen ab. Sie rauchte mehr und mehr, bis sie sich davor ekelte; gegen Rückfälle bewahrte sie ein Einmachglas mit stinkenden Kippen auf. Nicots Gattin Kreta schritt zum Äußersten, als sie von seiner Affäre erfuhr: Sie drohte, so lange nicht zu rauchen, bis er seine Geliebte verlassen habe. Melanie, die ihren Kindern zuliebe drinnen nicht rauchte, zog einfach in eine Wohnung ohne Balkon.

Weil Preisendörfers "Liebesroman über das Rauchen auch ein Entwicklungsroman ist", kann sich der Leser beim Lesen gleich selbst entwöhnen. Er darf sich nämlich immer nur dann eine anzünden, wenn im Text das "Bitte rauchen"-Symbol erscheint. Und die werden im Laufe des Buchs immer weniger. (dpa)

Mark Kuntz: Der letzte Raucher. Kindler Verlag. Reinbek 2006. 158 Seiten. 9,90 Euro. ISBN 3-463-40502-4

Bruno Preisendörfer: Die letzte Zigarette. Eichborn Verlag. Frankfurt/Main 2006. 200 Seiten. 16,90 Euro.  ISBN 3-8218-0076-8

Olive Kuhn: Endlich Raucher! 100 gute Gründe (wieder) zu rauchen. Knaur Taschenbuch Verlag. München 2006. 160 Seiten. 8,20 Euro. ISBN 3-426-77871-5



STICHWORT

Raucherstatistik

Nach Angaben der WHO gibt es weltweit etwa 1,3 Milliarden Raucher. Fünf Millionen Menschen sterben jedes Jahr an den Folgen des Tabakkonsums. In Deutschland leben nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in Köln etwa 20 Millionen Raucher, davon seien zwölf Millionen Männer. 140 000 Menschen sterben nach BZgA-Angaben hierzulande jedes Jahr an den Folgen des Rauchens. Die Zahl der jugendlichen Raucher ist der BZgA zufolge in den vergangenen Jahren leicht gesunken. 2001 rauchten noch 28 Prozent der 12- bis 17jährigen regelmäßig, 2005 griffen nur noch 20 Prozent zum Glimmstengel.

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