Und so seh' ich es

Callcenter - vom Service für Liebesdienste zum heißen Kassendraht

Veröffentlicht:

So ändern sich die Zeiten. Nicht einmal auf technische Termini kann man sich heutzutage noch verlassen. Nehmen wir beispielweise die Callcenter.

Vor kaum mehr als zehn oder vielleicht fünfzehn Jahren verstand man darunter in der Regel ein Kontaktbüro, in dem man telefonisch Liebesdienste bestellen konnte, meist ins Hotel oder an einen anderen verschwiegenen Ort, um ein paar angenehme Stunden zu erleben - hoffentlich ohne spätere therapeutische Folgen.

Dann übernahmen die Callcenter andere Funktionen. Immer wieder klingelte überraschend das Telefon bei Otto Normalbürger, eine nette Stimme gratulierte überschwänglich zum Gewinn in einem Spiel, an dem man niemals teilgenommen hatte und empfahl gleichzeitig das Abonnement einer oder mehrerer Zeitschriften, den Kauf eines Handys oder die Buchung einer Reise, die man nicht antreten wollte. Einmal geantwortet, wiederholten sich diese ungebetenen Anrufe, bis man entnervt mit einer Anzeige drohte. Das half dann - meistens wenigstens ...

Auch die Deutsche Post richtete Callcenter ein, nachdem sie sich fast aus allen Kommunen zurückgezogen hat und ihre Dienste erheblich nachgelassen haben. Dort soll man sich beschweren, wenn die Postzustellung nicht klappt. Ein Betroffener berichtete, die Dame im Callcenter sei ausnehmend höflich gewesen, habe ihn gute zwanzig Minuten lang genau befragt, was, wie und wo etwas nicht gestimmt habe und versprochen, dass sie alles notieren und weiterleiten werde - aber auch nach sechs Wochen rätselt er noch, wo und in welchem Papierkorb die Beschwerde gelandet sein könnte.

Inzwischen bieten auch einige Krankenkassen ihre Callcenter-Dienste an - nicht nur, damit man im hessischen Friedberg via Callcenter in Nordrhein-Westfalen mit der zuständigen Krankenkasse in Hessen verbunden wird. Nein, die Krankenkassen-Callcenter geben ganz konkrete Gesundheitstipps und durchaus auch als Prävention verschleierte Wellness-Angebote. Und Adressen hat man ja genug aus Diabetiker- oder Asthmatikerprogrammen. Klar doch: Scheint eine Betreuung per Telefon doch zumindest vordergründig Kosten zu senken. Aber: All die möglicherweise sogar gut gemeinten Worte am Telefon ersetzen niemals den Besuch bei einem Arzt, zu dem man Vertrauen hat.

Jeder kennt die altbekannte Weisheit - der Arzt ist per se schon die beste Medizin. Nicht umsonst kursiert unter Patienten der folgende Witz: Als Herr Meier in den Himmel kommt, steht seine vor zehn Jahren gestorbene Frau schon an der Pforte und faucht ihn an: "Wo hast Du so lange gesteckt?" Daraufhin Meier kleinlaut: "Verzeih mir, Schatz - aber unser Hausarzt hat mich aufgehalten." Solch eine Beziehung kann man niemals virtuell und auch nicht über den heißesten Draht erreichen, meint

Mehr zum Thema

Freiwillige Selbstverpflichtung reicht Minister nicht

Özdemir will Lebensmittelproduzenten Reduktionsziele vorgeben

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Wo lang im Gesundheitswesen? Der SVR Gesundheit und Pflege empfiehlt mehr Richtungspfeile für alle Akteure.

© StefanieBaum / stock.adobe.com

Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege

Gesundheitsweise empfehlen Primärversorgung für alle – und Quotierung der Weiterbildung

„Wenn die Politik Wissenschaftlern sagen würde, wir wollen dieses oder jenes Ergebnis, ist das Propaganda.“ Klaus Überla – hier im Treppenhaus seines Instituts – über Einmischungen aus der Politik.

© Patty Varasano für die Ärzte Zeitung

Interview

STIKO-Chef Überla: RSV-Empfehlung kommt wohl bis Sommer

Dr. Iris Dötsch Fachärztin für Innere Medizin, Diabetologin und Ernährungsmedizinerin hat die Hauptstadtdiabetologinnen, eines neues Netzwerk für Frauen in der Diabetologie, gegründet.

© snyGGG / stock.adobe.com

Hauptstadtdiabetologinnen

Ein Netzwerk für Diabetologinnen