Buchtipp "Frösche"

Wehrlose Opfer einer radikalen Politik

Der Roman "Frösche" des Literaturnobelpreisträgers Mo Yan wirft ein Schlaglicht auf die gnadenlose Brutalität, mit der in China eine von den Kommunisten verordnete "Ein-Kind-Politik" durchgesetzt wurde.

Von Pete Smith Veröffentlicht:
Beschreibt eine fremde Welt : Mo Yan, Literaturnobelpreisträger 2012.

Beschreibt eine fremde Welt : Mo Yan, Literaturnobelpreisträger 2012.

© Sandberg/dpa

FRANKFURT/MAIN. Gugu ist eine junge Ärztin in den Dörfern Nordost-Gaomis in der ostchinesischen Provinz Shandong. In den 1950er Jahren steigt sie zu einer renommierten Gynäkologin und Geburtshelferin auf, die beinahe wie eine Halbgöttin verehrt wird.

Als ein Jahrzehnt später jedoch die Bevölkerung Chinas rasant wächst und der Parteivorsitzende Mao die strenge Geburtenkontrolle vorgibt, verwandelt sich Gugu in einen Todesengel, der die Ein-Kind-Politik der Partei ohne Gnade vertritt.

In seinem jüngst auf Deutsch erschienenen Roman "Frösche" zeichnet der chinesische Schriftsteller Mo Yan, Literaturnobelpreisträger von 2012, das Portrait einer Ärztin, die sich ihrer Linientreue wegen schuldig macht und diese Schuld erst im Alter bereut.

Gugu hat im Laufe ihres Lebens 10.000 Kindern auf die Welt geholfen, aber auch Tausende getötet.

In einigen Szenen schildert Mo Yan auf drastische Weise, wie selbst Frauen im sechsten, siebten Monat dazu gezwungen werden, ihre reifen Föten abzutreiben und wie einige dabei selbst sterben.

Auch die Parteibonzen schont der Autor nicht, wenn er im zweiten Teil seines Romans deren Tricks schildert, wie sie die Parteiräson umgehen: indem sie Leihmütter verpflichten oder Ablasszahlungen leisten. Geld, so lehrt Mo Yan, öffnet auch in China jede Tür.

Bauern, Handwerker und Bettler

Erzähler der Geschichte ist Wan Fuß, der Neffe der Protagonistin, der sich als Schriftsteller "Kaulquappe" nennt. Er ist das erste Kind, das Gugu auf die Welt geholt hat. Alle Neugeborenen der Provinz werden nach Körperteilen benannt - Chen Augenbraue, Yuan Backe oder Li Hand.

Es sind Bauern, Handwerker, Künstler und Bettler. Alle miteinander kämpfen täglich ums nackte Überleben, wobei sie dennoch bemüht sind, ihre Würde zu bewahren.

Dem vom westlichen Lebensstil geprägten Leser eröffnet sich eine zunächst fremde Welt, in der jedoch schon bald die urmenschlichen Gefühlslagen aufscheinen - von der kindlichen Freude bis zu den Abgründen der Seele.

Mo Yan: Frösche. Hanser Verlag. München 2013. 506 Seiten. 24,90 Euro.

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