Trotz Dopingvorwürfen

Warum Russland bei Olympia antreten wird

Neue Dopingvorwürfen vor allem gegen russische Sportler: Schließt der IOC-Präsident Russland von den Olympischen Spielen in Rio aus? Daran zweifelt unser Autor Pete Smith. Dafür ist die Beziehung zwischen Bach und Putin zu eng.

Von Pete Smith Veröffentlicht:
Dopingvorwürfe gegen russische Sportler: Sperrt das IOC den russischen Verband?

Dopingvorwürfe gegen russische Sportler: Sperrt das IOC den russischen Verband?

© Justin Setterfield / LOCOG / dpa

BERLIN. Nulltoleranz, Schutz "sauberer" Athleten, hohe Strafen für die Täter: IOC-Präsident Thomas Bach vermittelt derzeit den Eindruck, als werde das Internationale Olympische Komitee fortan mit aller Härte gegen Dopingsünder vorgehen.

Nach den Enthüllungen Gregori Rodschenkows, des ehemaligen Leiters des Moskauer Anti-Doping-Labors, hält Bach selbst einen Ausschluss des gesamten russischen Teams von den Olympischen Spielen in Rio für möglich. Meint es Bach tatsächlich ernst? Oder ist die Drohung des ehemaligen Weltklassefechters im Grunde nur Säbelgerassel?

IOC prescht momentan vor

Auf den ersten Blick scheint sich das IOC seiner Verantwortung nun tatsächlich zu stellen. Erst vor wenigen Tagen gab das Komitee bekannt, dass bei einer Nachkontrolle von 454 während der Olympischen Sommerspiele 2008 in Peking genommenen Proben 31 Athleten des Dopings überführt worden seien.

Man habe gezielt Sportler ins Visier genommen, die auch bei den im August beginnenden Spielen in Rio starten könnten, die Namen der Sünder sind allerdings noch geheim. In Kürze, so kündigte das IOC an, werde man mit verfeinerten Messmethoden weitere 250 Proben auswerten, die 2012 bei den Olympischen Spielen in London genommen worden sind.

Zudem hat das IOC die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) damit beauftragt, Rodschenkows Vorwürfe zu überprüfen, wonach die russischen Athleten bei den Winterspielen 2014 in Sotchi systematisch manipuliert haben sollen, 15 der 33 russischen Medaillen-Gewinner gedopt gewesen sein sollen und der russische Inlandsgeheimdienst mehr als 100 Urinproben ausgetauscht habe. Nach Informationen der ARD sollen noch vor August die B-Proben der betreffenden Sportler untersucht werden.

Ausschluss Russlands nicht wahrscheinlich

Ein Ausschluss Russlands von den Sommerspielen in Rio ist trotz der massiven Vorwürfe kaum vorstellbar. Dagegen spricht nicht allein die Verbundenheit zwischen IOC-Präsident Bach und dem russischen Präsidenten Putin, sondern auch die Tatsache, dass Bach in der Vergangenheit nicht gerade als kompromissloser Kämpfer für einen sauberen Sport in Erscheinung getreten ist.

Schon in seiner aktiven Laufbahn hat er nicht den Säbel, sondern das Florett geschwungen, historisch betrachtet eine stumpfe Übungswaffe. Stumpf ist auch seine Drohung, in "kontaminierten Verbänden" notfalls die Beweislast umzukehren. Denn dass Athleten vor ihrem Start tatsächlich ihre Unschuld beweisen müssen, wäre schon aus logistischen Gründen kaum umzusetzen.

Viele Fans sind der ewigen Dopingenthüllungen überdrüssig. Die russischen Sportler von den olympischen Spielen in Rio auszuschließen, wäre von daher sicher ein starkes Signal. Aber auch fair? Was ist mit jenen Athleten, die sich nie etwas haben zuschulden kommen lassen? Und überhaupt: Warum nur Russland?

Auch in anderen Verbänden wird munter gedopt: In jüngster Vergangenheit beispielsweise standen chinesische Schwimmer und kenianische Langläufer im Fokus sowie ein Londoner Arzt, der 150 Spitzensportler, darunter etliche Fußballer, jahrelang mit Dopingpräparaten versorgt haben soll.

Warum sollte sich der organisierte Sport auch selbst schwächen? So lange der Rubel rollt, hat man keinen Grund, harte Schnitte vorzunehmen. Sanktionen gab es nur da, wo sich unabhängige Instanzen in den Sport eingemischt haben - zuletzt etwa die Justiz in Sachen Fifa. Im Vergleich dazu sind die Ermittlungen des US-Justizministeriums wegen des vermeintlich systematischen Dopings russischer Athleten jedoch nicht mehr als ein symbolischer Akt.

Zu viele Partikularinteressen

Wenn sich jene Staaten, die öffentlich für einen sauberen Sport eintreten, einig wären, müsste die Justiz überall dort ermitteln, wo autokratische oder korrupte Strukturen jede effektive Kontrolle verhindern. Aber wer glaubt im Ernst, dass es einen solchen Schulterschluss jemals geben könnte?

Geht es doch letztlich um Partikularinteressen: Auch Deutschland, selbsternannter Vorreiter im Kampf gegen Doping und Korruption, steht unter Verdacht, es mit dem Fairplay nicht so genau zu nehmen, wenn es die WM ins eigene Land holen will. Darf ein deutscher IOC-Präsident da mit dem Finger auf Japan zeigen, wenn der Verdacht aufkommt, das Land habe sich mit dubiosen Zahlungen die Olympischen Sommerspiele 2020 gesichert?

"Säbelrasseln" soll Skeptiker beruhigen

Ob die vielbeschworene "Nulltoleranz" gegenüber Dopingsündern und ihren Hintermännern mehr als nur ein Relaxans ist, das uns im Vorfeld der olympischen Sommerspiele noch einmal tiefenentspannen soll, ist unwahrscheinlich. In vier Jahren werden die in Rio genommenen Proben nachanalysiert, um uns positiv auf die Sommerspiele von Tokyo einzustimmen. Dass es diese Spiele gar nicht geben dürfte, haben wir bis dahin vergessen.

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