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Heftige Vorwürfe gegen das IOC

IOC-Chef Bach in der Defensive: Russische Sportler, die bei Olympia nicht starten dürfen, wollen klagen. Zugleich gibt es weltweit Kritik, weil Russland nicht komplett ausgeschlossen wird.

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MOSKAU. Der Internationale Leichtathletik-Verband (IAAF) hat Russland eine Sondererlaubnis zum Olympia-Start gesperrter Sportler verweigert. Einen entsprechenden Antrag habe IAAF-Chef Sebastian Coe in einem Brief abgelehnt, sagte Sportminister Witali Mutko am Mittwoch in Moskau. Es sei bedauerlich, dass damit saubere Sportler nicht in Rio starten dürften, meinte Mutko der Agentur Tass zufolge. Der Weltverband hatte russische Leichtathleten nach Berichten über Staatsdoping in der vergangenen Woche von Olympia ausgeschlossen.

Andere russische Sportler wie Schwimmerin Julija Jefimowa wollen unterdessen juristisch gegen ihren Bann vorgehen. "Wir reichen wohl am 29. Juli Klage beim CAS (Internationalen Sportgerichtshof) ein", sagte der Anwalt Artjom Pazew.

Sportler wollen klagen

Ähnliches plane der russische Ruderverband nach dem direkten Ausschluss von drei Sportlern, teilte Verbandschef Weniamin But mit. Zudem war 19 weiteren Ruderern ebenfalls der Rio-Start verweigert worden. Dreispringerin Jekaterina Konewa sagte, sie wolle mit einer Klage gegen das Startverbot notfalls bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ziehen.

Unterdessen hat in Deutschland die Nationale Anti-Doping-Agentur NADA den Verzicht des Internationalen Olympischen Komitees auf einen Komplett-Ausschluss Russlands von Olympia erneut scharf kritisiert. "So wie jetzt entschieden wurde, passt das nicht zur Null-Toleranz-Politik des IOC. Da ist eine große Chance verpasst worden", sagte die NADA-Vorstandsvorsitzende Andrea Gotzmann der "Süddeutschen Zeitung" Auch bei den Anti-Doping-Agenturen anderer Länder herrsche vor den Sommerspielen von Rio de Janeiro "absolutes Entsetzen".

Die Entscheidung des IOC sei ein Rückschlag für saubere Athleten, argumentierte Gotzmann. Diese würden sich fragen, "was muss passieren, bevor harte Konsequenzen gezogen werden? Russland ist ja nicht das einzige Land, in dem es nicht so läuft, wie wir uns das wünschen."

Moralische Anforderungen

Auch dass das IOC der russischen Whistleblowerin Julia Stepanowa eine Olympia-Starterlaubnis verwehrte, kritisiert Gotzmann deutlich: "Die Whistleblower brauchen wir, die muss man ermuntern, ihr Wissen preiszugeben. Dass hier zweierlei ethisch-moralische Maßstäbe angelegt werden, finde ich bedenklich."

Das IOC hatte begründet, Stepanowa habe als überführte Doperin nicht die "ethischen Anforderungen" erfüllt. "Sie hat ihre Informationen erst preisgegeben, als der Schutz des Systems nicht mehr funktionierte und als sie bereits eine Zweijahressperre erhalten hatte", sagte IOC-Präsident Thomas Bach.

Stepanowa hat nach Angaben ihres Mannes Witali Stepanow Einspruch gegen die IOC-Entscheidung eingelegt, sie nicht unter neutraler Flagge in Rio antreten zu lassen. Die 800-Meter-Läuferin war 2013 wegen Dopings für zwei Jahre gesperrt worden

Helmut Digel, einer der renommiertesten deutschen Sportwissenschaftler, fordert vom IOC ein größeres finanzielles Engagement in der Anti-Doping-Bekämpfung. Das IOC solle seine Einnahmen in Milliardenhöhe für den Zeitraum einer Olympiade - also für vier Jahre - in einen Anti-Doping-Fonds investieren, sagte der einstige Vizepräsident des Welt-Leichtathletikverbandes in einem Interview der "Südwest Presse"

Die Empörung nach dem Verzicht auf einen kollektiven Bann Russlands hatte Anfang der Woche zu einem heftigen Verbalduell zwischen Diskus-Ass Robert Harting und IOC-Chef Bach geführt. Der Olympiasieger attackierte den IOC-Präsidenten am Dienstag scharf. "Er ist für mich Teil des Doping-Systems, nicht des Anti-Doping-Systems. Ich schäme mich für ihn", schimpfte Harting in Berlin.

Bach wehrte sich heftig: "Es ist eine nicht akzeptable Entgleisung, wenn man jemanden, der nicht der eigenen Meinung ist, in derartiger Art und Weise beleidigt", sagte er . (dpa)

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