Kampf gegen Doping

Eine Pionierin wird 75

Brigitte Berendonk ist die Pionierin des Anti-Doping-Kampfes. Als eine der ersten hat die einstige Diskuswerferin den Sportbetrug angeprangert. Nun wird sie 75.

Von Andreas Schirmer Veröffentlicht:

FRANKFURT/MAIN. Als Brigitte Berendonk 1968 von den Olympischen Spielen aus Mexiko zurückkehrte, gab es für sie keine heile Welt des Sports mehr. "Die Hormonpille gehört anscheinend ebenso zum modernen Hochleistungssport wie Trainingsplan und Trikot, wie Spikes und Spesenscheck", schrieb sie im Dezember 1969 in einem Artikel für die Wochenzeitung "Die Zeit" mit dem Titel "Züchten wir Monstren?". Mit diesem Aufschrei der Empörung wurde Berendonk zur Pionierin des Anti-Doping-Kampfes – und zur Zielscheibe von Anfeindungen. Am Dienstag feiert sie ihren 75. Geburtstag.

Nach ihren Beobachtungen bei den Spielen in Mexiko-Stadt, wo sie mit dem Diskus Achte geworden war, stand für Berendonk fest, wohin der Hochleistungssport driften würde. "Nach meiner Schätzung treffen sich bei großen Wettkämpfen bald mehr Pillenschlucker als Nichtschlucker", prophezeite sie in der "Zeit". Der russische Doping-Skandal oder die zahlreichen positiven Nachtests der Olympischen Spiele 2008 und 2012 belegen: Berendonk Prognose ist aktueller denn je geblieben.

Die in Dankmarshausen bei Eisenach geborene, aus einer Arzt-Familie stammende einstige DDR-Athletin nahm bei ihrem Kampf gegen den Sportbetrug kein Blatt vor den Mund und schreckte vor hochrangigen Funktionären und angesehenen Sportmedizinern nicht zurück. Dafür wurde sie als Nestbeschmutzerin beschimpft, beleidigt und diffamiert.

Legendär ist das Streitgespräch über Doping zwischen Berendonk und dem Freiburger Sportmediziner Joseph Keul 1977 im "Aktuellen Sportstudio", in dem er die Anti-Doping-Kämpferin verunglimpfte.

"Der Name Berendonk wurde als Schimpfwort benutzt", sagte ihr Mann Werner Franke. "Sie hatte eine Meinung und traute sich, diese den Funktionären zu sagen. Das kann ich mir bei den meisten Leuten heute nicht mehr vorstellen."

Mit wissenschaftlicher Hilfe ihres Mannes, einem inzwischen emeritierter Professor für Zell- und Molekularbiologie, schrieb Berendonk das 1991 veröffentlichte Buch "Doping-Dokumente". Darin beschrieb sie das erschreckende Ausmaß des Dopings und konnte nach Auswertung von bis dato geheimgehaltenen Dokumenten, die in der Militärmedizinischen Akademie in Bad Saarow lagerten, das Staatsdoping in der DDR belegen.

"Das Buch war ein Urknall. Danach konnte keiner mehr dagegen reden", sagte Franke. Als sich seine Frau, die nach ihrer Sportkarriere als Gymnasiallehrerin für Englisch und Sport in ihrer Wahlheimat Heidelberg arbeitete, sukzessive aus der Öffentlichkeit zurückzog, übernahm er den Kampf gegen das Doping. "Rufe ich sie heute, wenn Leichtathletik im Fernsehen zu sehen ist, kommt sie und geht gleich wieder", berichtete Franke. Sie wolle damit nichts mehr zu tun haben.

"Brigitte Berendonk ist eine Frau mit beeindruckenden ethischen Maßstäben im Sport", sagt Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes. "Und sie hat dazu beigetragen, dass die Doping-Aufklärung so einen hohen Stellenwert bekommen hat."

Für Ines Geipel, Vorsitzende des Vereins Doping-Hilfe, ist Berendonk als Athletin "die konsequenteste und klarste Stimme des Anti-Doping-Kampfes" gewesen. Die ganze Auseinandersetzung in Deutschland wäre ohne das Buch "Doping-Dokumente" nicht denkbar gewesen. "Es war mutig, es hat Langzeit-Wirkung", so Geipel. (dpa)

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