Gravierende Umstellungsprobleme bei Statinen

Von Hagen Rudolph Veröffentlicht:

Neu-Isenburg. Nach der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses, wonach die Krankenkassen den CSE-Hemmer Atorvastatin (Sortis®) nicht mehr voll bezahlen müssen, sind seit Anfang dieses Jahres viele Patienten auf ein anderes Statin umgestellt worden. Dabei ist es bisher allerdings zu erheblichen Unterdosierungen gekommen, wie erste Marktforschungsdaten zeigen.

Das angemessene Verhältnis der Dosierungen zum Beispiel zwischen Atorvastatin und Simvastatin liegt auf Milligramm-Basis bei etwa 1:4, wie sich aus einer Analyse von weit über 100 Statin-Studien ergeben hat.

Das heißt: Um zu der gleichen Senkung des LDL-Cholesterins zu kommen, wie sie mit 10 mg Atorvastatin möglich ist, sind nach dieser bereits im Juni 2003 im renommierten "British Medical Journal" erschienenen Analyse etwa 40 mg Simvastatin nötig. Die Äquivalenzdosen der anderen Statine sind ähnlich hoch oder auch höher.

Nach Marktforschungsdaten, die das Unternehmen Pfizer in Karlsruhe, der Hersteller von Atorvastatin, hat erheben lassen, werden jedoch die wenigsten Patienten adäquat umgestellt. So haben nur drei Prozent der Patienten, die bis Ende vergangenen Jahres 10 mg Atorvastatin erhalten haben und nun Simvastatin bekommen, auch die adäquate Dosis von 40 mg Simvastatin erhalten.

In vielen Fällen wird sogar nur im Verhältnis 1:1 umgestellt, was zu erheblichen therapeutischen Nachteilen bei den betroffenen Patienten führen muß. Wieder das Beispiel Simvastatin: Die Umstellungsraten von 10 mg Atorvastatin auf 10 mg Simvastatin liegen bei 22 Prozent, von 20 mg Atorvastatin auf 20 mg Simvastatin bei 44 Prozent und von 40 mg Atorvastatin auf 40 mg Simvastatin bei 87 Prozent.

Alarmierend sind auch die Zahlen für eine Umstellung im Verhältnis 1:1,5 oder 1:2, was immer noch viel zu niedrig ist: 53 Prozent der Patienten, die 10 mg Atorvastatin bekommen haben, erhalten nun 20 mg Simvastatin. 55 Prozent der Patienten, die 20 mg Atorvastatin bekommen haben, erhalten nun 30 mg (Verhältnis 1:1,5) oder 40 mg Simvastatin.

Nur ein Prozent der Patienten mit ursprünglich 20 mg Atorvastatin wird richtig auf die äquivalente Dosis von 80 mg Simvastatin umgestellt. Eine Hochdosis, bei der allerdings die Patienten genau beobachtet werden sollten, da es nach den Ende vergangenen Jahres bekanntgewordenen Ergebnissen der Studie A To Z mit 80 mg Simvastatin bei neun von viereinhalbtausend Patienten zu Myopathien gekommen war.

Hintergrund des ganzen Umstellungsproblems ist die Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) vom vergangenen Jahr, wonach für alle fünf Statine in Deutschland (Atorvastatin, Fluvastatin, Lovastatin, Pravastatin und Simvastatin) ab Januar 2005 ein gemeinsamer Festbetrag gilt. Festbeträge sind Höchstgrenzen, bis zu denen die Kassen die jeweiligen Arzneimittel bezahlen.

Der GBA hatte bei seiner Entscheidung im vergangenen Jahr allerdings die Vorgabe des Gesetzes mißachtet, wonach Arzneimittel dann keinen Festbetrag bekommen dürfen, wenn sie im Vergleich zu anderen Substanzen einer vorgesehenen Gruppe therapeutische Vorteile bieten.

Solche Vorteile für Atorvastatin waren im letzten Jahr bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom in mehreren Studien wissenschaftlich nachgewiesen worden. Der GBA entschied jedoch, daß auf die 150 000 bis 650 000 Patienten mit akutem Koronarsyndrom keine Rücksicht genommen werden dürfe und erzwang für alle CSE-Hemmer einen gemeinsamen Festbetrag.

Auch andere Unterschiede zwischen den Statinen wurden vom Gemeinsamen Bundesausschuß nicht berücksichtigt. Etwa die unterschiedliche Potenz bei der Senkung des LDL-Cholesterins und die damit zusammenhängenden therapeutischen Folgen. Danach bringt jedes Prozent mehr an LDL-Senkung im gleichen Maße eine stärkere relative Risikoverringerung.

Unter anderem die Nichtbeachtung dieser wissenschaftlichen Erkenntnisse und die in der Diskussion um die Festbeträge immer wieder vorgebrachte falsche Behauptung, alle Statine seien ohne weiteres untereinander austauschbar, haben nun zu den gravierenden Umstellungsproblemen geführt.

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