IM GESPRÄCH

Neue Studie sichert das Konzept der intensiven Lipidsenkung weiter ab

Peter OverbeckVon Peter Overbeck Veröffentlicht:

Die These, daß der Schutz vor kardiovaskulären Ereignissen durch Cholesterinsenkung um so größer ist, je tiefer das Cholesterin gesenkt wird, ist in der IDEAL-Studie erneut bestätigt worden.

Die Ergebnisse der jetzt beim Kongreß der American Heart Association (AHA) in Dallas vorgestellten und gestern auch in "JAMA" (294, 19, 2005, 2437) veröffentlichten Studie belegen, daß die stärkere Reduktion des Cholesterinspiegels durch Atorvastatin im Vergleich zu einer konventionellen Lipidtherapie auch eine stärkere Reduktion von kardiovaskulären Ereignissen zur Folge hat.

Initiator der IDEAL-Studie (Incremental Decrease in Endpoints through Aggressive Lipid Lowering) ist eine Forschergruppe um Professor Terje Pedersen aus Oslo. Pedersen ist ein Pionier der Statin-Forschung. Just am selben Ort der aktuellen Präsentation der IDEAL-Ergebnisse - nämlich im texanischen Dallas - hat er 1994 mit der 4S-Studie die erste große klinische Endpunktstudie zum Nutzen einer Statin-Therapie vorgestellt.

8888 Patienten im Mittel 4,8 Jahre lang behandelt

IDEAL macht da weiter, wo 4S vor einem Jahrzehnt endete.

Hauptergebnis der 4S-Studie war bekanntlich, daß bei Postinfarkt-Patienten mit Hypercholesterinämie durch eine Senkung des LDL-Cholesterins um 35 Prozent mit Simvastatin (20 bis 40 mg/Tag) die Gesamtsterblichkeit um 30 Prozent verringert werden konnte.

Daran anknüpfend ging es nun in der IDEAL-Studie um die Frage, ob es zur mittlerweile als Standard etablierten Behandlungsstrategie mit Simvastatin eine noch wirksamere Alternative gibt. Als solche zogen Pedersen und Mitarbeiter die Therapie mit täglich 80 mg Atorvastatin in Betracht.

Mit dem Ziel, beide Behandlungsstrategien in ihrer klinischen Wirksamkeit zu vergleichen, sind in der IDEAL-Studie 8888 Patienten im Mittel 4,8 Jahre lang entweder mit Simvastatin (20 mg, bei Bedarf 40 mg/Tag) oder Atorvastatin (80 mg/Tag) behandelt worden. Drei Viertel der Patienten hatten schon vor Eintritt in die Studie eine Behandlung mit Statinen - an häufigsten mit Simvastatin - erhalten.

Klarer Vorteil bei der Inzidenz des nicht tödlichen Infarktes

Entsprechend der unterschiedlichen lipidsenkenden Potenz beider Therapieregime wurde das LDL-Cholesterin in der Simvastatin-Gruppe auf einen mittleren Wert von 104 mg/dl und in der Atorvastatin-Gruppe auf 81 mg/dl gesenkt.

Ob sich diese unterschiedliche Potenz auch klinisch geltend macht, sollte primär am Endpunkt kombinierter Koronarereignisse (Koronartod, nicht tödlicher Myokardinfarkt, überlebter Herzstillstand) überprüft werden.

Die Rate entsprechender Ereignisse war in der Atorvastatin-Gruppe um elf Prozent niedriger als in der Simvastatin-Gruppe (9,3 versus 10,4 Prozent) - ein Unterschied, der aber nicht signifikant war. Allerdings wurde die Inzidenz des nicht tödlichen Myokardinfarktes - eine der Komponenten des primären Endpunkts - durch Atorvastatin signifikant um 17 Prozent gesenkt (von 7,0 auf 6,2 Prozent).

In den sekundären kombinierten Endpunkten spiegelte sich ein deutlicherer Vorteil der intensiveren Lipidsenkung mit Atorvastatin wider, betonte Pedersen. So war die Rate der schwerwiegenden kardiovaskulären Ereignisse (primäre Endpunktereignisse plus Schlaganfall) signifikant um 13 Prozent niedriger als in der Simvastatin-Gruppe. Und auch die Senkung der Rate aller aufgetretenen KHK-Ereignisse (primäre Endpunktereignisse plus instabile Angina pectoris und koronare Revaskularisation) um 16 Prozent erwies sich als signifikant.

Die Aufdeckung unterschiedlicher Effekte auf die Sterblichkeit war nicht Ziel der Studie. Die Raten für Gesamt- und kardiovaskulär bedingte Mortalität unterschieden sich in beiden Behandlungsgruppen nicht.

Den durch intensivere Lipidsenkung mit 80 mg Atorvastatin im Vergleich zur Simvastatin-Therapie erreichbaren Zusatznutzen veranschaulichte Pedersen auf Basis der IDEAL-Daten mit folgenden Zahlen: Werden 1000 Patienten fünf Jahre lang mit Atorvastatin behandelt, lassen sich über den Effekt der Standardtherapie hinaus weitere 68 kardiovaskuläre Ereignisse verhindern.

Dabei erwies sich die Therapie mit Atorvastatin auch in der hohen Dosierung als sicher: Weder ein Anstieg der nicht kardiovaskulär bedingten Mortalität noch eine Zunahme schwerwiegender Nebenwirkungen mußte als Preis für den Zusatznutzen in Kauf genommen werden.

IDEAL-Studie bestätigt Nutzen ausgeprägter LDL-Senkung

Trotz Verfehlens eines signifikanten Unterschieds im primären Studienendpunkt hält der norwegische Studienleiter die IDEAL-Ergebnisse für beweiskräftig genug, um das Konzept der intensiven Lipidsenkung noch stärker wissenschaftlich abzusichern. Diese Ergebnisse sollten nicht isoliert bewertet werden.

Pedersen wies bei dem Kongreß in in Dalles darauf hin, daß die IDEAL-Studie nach der PROVE-IT (Pravastatin or Atorvastatin Evaluation and Infection Therapy)- und TNT (Treating to New Targets)-Studie ein weiteres Mal Belege dafür liefert, daß bei Patienten mit hohem kardiovaskulären Risiko das LDL-Cholesterin möglichst stark gesenkt werden sollte, um die bestmöglich präventive Wirkung zu erzielen.

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