Italien

Komplett fleischlos leben: ein Reizthema. Ein italienisches Gericht zwingt eine Mutter dazu, Fleisch für ihr Kind zu kochen - Italiens Rechte will generell Eltern hinter Gitter bringen, die ihren Nachwuchs zu veganem Essen zwingen.

Von Sabine Dobel Veröffentlicht:
Italien hat mehr als nur Pizza zu bieten, doch Essen spielt hier eine wichtige Rolle. So sehr, dass italinienische Recht Gefängnis für Veganer fordern.

Italien hat mehr als nur Pizza zu bieten, doch Essen spielt hier eine wichtige Rolle. So sehr, dass italinienische Recht Gefängnis für Veganer fordern.

© Luiz Carlos / Fotolia.com

ROM. Kein Fleisch, kein Fisch – und keine Schokolade, kein Tiramisu oder Eis aus Milch. Vegane Ernährung kann hart sein für Kinder. Dabei leben sie nicht zwangsläufig gesund, sondern riskieren nach Medizinermeinung teils sogar bleibende Schäden.

In Italien wird ein drakonischer Gesetzesvorschlag diskutiert. Die Abgeordnete der rechtspopulistischen Forza Italia, Elvira Savino, will Eltern sogar ins Gefängnis schicken: bis zu ein Jahr, wenn sie unter 16-Jährige zu veganer Diät zwingen, bis zwei Jahre, wenn die Kinder unter drei sind.

Es sieht ein wenig nach Sommertheater aus, zumal die Forza Italia allein keine Mehrheit hat. Der Vorschlag, der ein bestehendes Gesetz erweitern soll, dürfte also keine allzu große Chance haben.

Doch er fand Resonanz weit über Italiens Grenzen hinaus. Obwohl es nur ein Vorschlag sei, mache er die Runde in der Welt, wunderte sich auch die italienische Nachrichtenagentur Ansa.

900.000 Veganer in Deutschland

Rund 900.000 Veganer gab es 2014 nach Auskunft des Vegetarierbunds Deutschland (Vebu) in Deutschland. In Italien sollen es 600.000 sein, was einem fast ebenso hohen Anteil entspricht. Tendenz steigend. In Restaurants stehen immer öfter auch vegane Gerichte auf der Speisekarte, in Bars gibt es veganen Cappuccino – mit Milchersatz.

Auch bei Schulkost wird heftig über ein veganes Angebot debattiert. Das Gesundheitsministerium sicherte nach einem Streit um den Ausschluss eines vegan ernährten Kindes vom Kindergarten zu, dass eine andere Ernährung aus ethisch-religiösen oder kulturellen Gründen möglich sei.

Ministerin Beatrice Lorenzin ergänzte aber, Kinder bräuchten eine ausgewogene Ernährung. Dazu gehöre auch tierisches Eiweiß. "Man muss hier der wissenschaftlichen Erkenntnis folgen und nichts anderem, weil falsch ernährte Kinder Entwicklungsprobleme haben, Rachitis und andere Probleme. Und leider gibt es da viele Fälle."

Debatte auch in Deutschland

Auch in Deutschland gibt es eine Debatte um vegane und vegetarische Angebote in Schulen. "Religiöse Gründe für bestimmte Ernährungsweisen werden akzeptiert. Aber bei ethischen Gründen ist das noch nicht so angekommen", sagt Wiebke Unger vom Vebu. Sie betont: "Vegan geht in allen Lebensphasen."

Eltern müssten dabei darauf achten, welche pflanzlichen Nahrungsmittel ihren Kindern die nötigen Nährstoffe, Vitamine und Mineralstoffe liefern. Vitamin B12 müsse zusätzlich zugeführt werden. "Außerdem ist es wichtig, dass man regelmäßig ein Blutbild erstellen lässt und von Ärzten gut betreut wird."

Berthold Koletzko vom Haunerschen Kinderspital der Universität München und seine Kollegen müssen immer öfter vegan ernährte Kinder mit Mangelerscheinungen behandeln, wie der Mediziner berichtet.

Meist seien Eltern dann aber bereit, den Speiseplan umzustellen oder ergänzend Tabletten zu geben. "Es sind nur ganz wenige Familien, die sich nicht überzeugen lassen. Wenn wir dann zu der Überzeugung kommen, dass das Kind geschädigt wird, rufen wir die Gerichte an."

Italienische Gerichte entscheiden über Essen

Schnitzel fürs Kind, ja oder nein: In Italien mussten sich Gerichte damit befassen. Im Juli erlaubte ein Gericht in Monza veganes Essen für ein achtjähriges Kind. Die Mutter müsse aber für regelmäßige ärztliche Untersuchungen und notwendige Ergänzung sorgen, verlangten die Richter Medienberichten zufolge.

In Bergamo verdonnerte ein Gericht eine Mutter dazu, dem Sohn ein Mal in der Woche Fleisch zu kochen. Der Junge musste bei der Mutter streng vegan essen, beim getrennt lebenden Vater bekam er dann bei Besuchen Fleisch, Süßes, Polenta mit Würstchen und Gorgonzola. Der Junge bekam Bauchweh.

Nun muss auch der Vater Maß halten. Laut Richterspruch darf er dem Sohn nur zwei Mal pro Wochenende Fleisch vorsetzen, berichteten Medien.

Freilich garantiert auch die gewöhnliche Ernährung in Italien Kindern nicht immer Gesundheit. Sie gehören Studien zufolge zu den dicksten in ganz Europa, neben dem Nachwuchs in Griechenland. (dpa)

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