Eier-Skandal

Schuldzuweisung – Wer wusste wann von Fipronil im Ei?

In Belgien war der Eier-Skandal Thema im Parlament mit schweren Vorwürfen gegen die Niederlande. Zu spät und zu langsam sei reagiert worden.Derweil gab das Bundesinstitut für Risikobewertung Entwarnung: Die in Deutschland gemessenen Fipronil-Werte in Eiern sind wohl nicht gesundheitsgefährdend.

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Wer wusste Bescheid? In Belgien war am Mittwoch der Eier-Skandal Thema im Parlament.

Wer wusste Bescheid? In Belgien war am Mittwoch der Eier-Skandal Thema im Parlament.

© Peggy Boegner / Fotolia

BERLIN/BRÜSSEL. Die Fipronilgehalte in Eiern, die in Deutschland gemessen wurden, sind nach einer Analyse des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) nicht gesundheitsgefährdend. Bisher seien gemessenen Werte von bis zu 0,45 mg/kg nachgewiesen. Nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand sei eine akute gesundheitliche Gefährdung der Verbraucher, einschließlich Kinder, unwahrscheinlich, so das BfR in einer Mitteilung. Ab 0,72 mg/kg geht die EU von einer Gesundheitsgefahr aus.

In Belgien sorgen derweil hohe Fipronil-Messungen für Unruhe. Der Eier-Skandal war am Mitwoch Thema im belgischen Parlament. Agrarminister Denis Ducarme und Gesundheitsministerin Maggie De Block stellten sich den Fragen der Abgeordneten der beiden Fachausschüsse.

Die belgische Lebensmittelsicherheitsbehörde FASNK hatte am Dienstag bekannt gegeben, dass bei einer am 18. Juli entnommenen Probe ein Fipronil-Wert von 0,92 mg/kg gemessen wurde. Ursprünglich war bei dem fraglichen Test ein niedriger Wert von 0,076 mg/kg festgestellt worden. Der Betrieb nutzte jedoch sein Recht, ein Gegengutachten erstellen zu lassen - das wiederum den deutlichen höheren Wert von 0,92 mg/kg ergab. Die FASNK versucht nun, den Grund für die unterschiedlichen Messungen zu ermitteln, die belgische Regierung kündigte eine Reihe neuer Vorsichtsmaßnahmen an.

Haben Infos schon im November 2016 vorgelegen?

Bei der Sondersitzung hat Ducarme schwere Vorwürfe gegen die Niederlande erhoben. Seinem niederländischen Kollegen habe schon im November 2016 ein Bericht zu Fipronil in Eiern im Land vorgelegen, sagte Ducarme in Brüssel. „Es gab über diesen Bericht keinerlei offizielle Kommunikation der Niederlande“, beklagte der Minister. Außerdem hätten die belgischen Behörden mehr als einen Monat auf Informationen der niederländischen Kollegen warten müssen, die erlaubt hätten, die Verbreitung Fipronil-belasteter Eier nachzuvollziehen und Gegenmaßnahmen einzuleiten.

 „Ein Monat. Ein Monat ohne die geringste Information der niederländischen Agentur. Was heißt das? Das heißt, dass wir keinen Zugang zu einer Kundenliste der niederländischen Firma hatten“, sagte Ducarme. Derzeit wird angenommen, dass ein belgischer Hersteller einem gängigen Reinigungsmittel das Insektizid Fipronil beimengte und die Mischung an Betriebe in Belgien, den Niederlanden und Deutschland verkaufte. „Wir haben einen Monat verloren, um Tests zu machen“, so Ducarme. Er berief sich in seinen Ausführungen auf den von ihm angeforderten Bericht der FASNK über die Abläufe seit dem 2. Juni. Dem Bericht zufolge, den der Sender RTBF veröffentlichte, stellte Belgien erstmals am 16. Juni eine formelle Anfrage an die Niederlande. Erst nachdem die belgische Justiz am 20. Juli Ermittlungen wegen Betrugs aufnahm und die niederländischen Kollegen um Hilfe bat, wurde demnach die gewünschte Liste nach Belgien geschickt.

Die belgische Lebensmittelsicherheitsbehörde FASNK erfuhr am 2. Juni von einem Fipronil-Verdachtsfall in Belgien, informierte die anderen EU-Staaten aber erst am 20. Juli. Die Verzögerungen sind laut Ducarme wesentlich auf mangelnde Kooperation der Niederlande zurückzuführen.

Fipronil per Zufall entdeckt

 Aus dem Papier geht auch hervor, dass Fipronil in belgischen Eiern nur zufällig entdeckt wurde. Der Betrieb, in dem die Eier am 9. Mai gelegt wurden, ließ einen im Rahmen der Selbstkontrolle vorgeschriebenen Test durchführen. Dabei nutzte das Unternehmen diesmal aber die Dienste eines deutschen Labors, das auf mehr Schadstoffe testete als es sonst der Fall war, darunter Fipronil und dessen Spuren. Schon dieser erste Test ergab eine Überschreitung des Wertes von 0,72 Milligramm pro Kilogramm (mg/kg), ab dem die EU Gesundheitsgefahren für Verbraucher sieht - allerdings laut FASNK mit einer Analyseunsicherheit von 50 Prozent in beide Richtungen.

Die FASNK hatte bis zur laufenden Woche erklärt, die in Belgien gemessenen Werte läge allesamt unter dem Grenzwert. Aufforderungen an Verbraucher, bestimmte Chargen wegzuwerfen, gibt es erst seit Dienstag, was mit einer aktuelleren hohen Fipronil-Messung begründet wurde. Viele Abgeordnete teilten die Kritik am mutmaßlichen Verhalten der Niederlande, nahmen aber dennoch auch die eigenen Behörden ins Visier. „Was hätte es denn noch gebraucht?“, fragte der Vorsitzende der Grünen-Fraktion im belgischen Parlament, Jean-Marc Nollet, mit Bezug auf wiederholte positive Fipronil-Tests schon im Juni. Betriebe wurden damals schon gesperrt, aber nicht die Öffentlichkeit informiert.

Die sozialistische Abgeordnete Fabienne Winckel räumte ein: „Man darf keine Angst haben, die Öffentlichkeit zu warnen. Meine Regierung hat zu spät gehandelt.“ Für die Zukunft müssten Lehren gezogen werden.

Noch keine Reaktion aus den Niederlanden

Die niederländische Lebensmittelaufsicht NVWA hat am Mittwoch zunächst nicht auf den Vorwurf der belgischen Regierung reagiert, wonach bereits im November 2016 bei Eiern im Land das Insektizid Fipronil gemessen wurde. Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums, dem die Aufsichtsbehörde unterstellt ist, verwies auf das Gesundheitsministerium.

Die Organisation Foodwatch erklärte, die Belastung der Eier mit Fipronil habe gezeigt, dass die niederländische Aufsichtsbehörde beim Wirtschaftsministerium falsch angesiedelt sei. Sie müsse entweder völlig unabhängig werden oder aber dem Gesundheitsministerium unterstellt werden.

Bei der Sondersitzung hat Ducarme schwere Vorwürfe gegen die Niederlande erhoben. Seinem niederländischen Kollegen habe schon im November 2016 ein Bericht zu Fipronil in Eiern im Land vorgelegen, sagte Ducarme in Brüssel. (grz/dpa)

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