Kochen in der Antarktis

Ewiges Eis und hungrige Männer

In der Antarktis-Forschungsstation Neumayer III hält ein Koch aus Hamburg Wissenschaftler mit seinem Essen bei Laune. Ein Einblick in eine besondere Arbeitswelt.

Von Janet Binder Veröffentlicht:
Die deutsche Neumayer-Station III in der Antarktis. Zum Überwintern bleibt ein 12köpfiges Team.

Die deutsche Neumayer-Station III in der Antarktis. Zum Überwintern bleibt ein 12köpfiges Team.

© picture alliance / Thomas Steuer

BREMERHAVEN. Bis November ist es noch lange hin. Sven Krüger freut sich dennoch bereits darauf. Dann wird der Koch endlich wieder eine Lieferung mit Salat, Gemüse, Obst und Eiern erhalten.

Die letzte kam im Februar, die frischen Lebensmittel sind längst verbraucht. Nur Äpfel und Orangen sind noch da – und natürlich die lange haltbaren und tiefgekühlten Vorräte. Mal eben in den Supermarkt gehen kann der 35-Jährige nicht.

Rückkehr im Februar 2018

Sven Krüger aus Hamburg ist Koch auf der vom Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut (AWI) betriebenen Forschungsstation Neumayer III in der Antarktis. Dort gehört er seit Dezember 2016 zur zwölfköpfigen Überwinterungscrew, bestehend aus Wissenschaftlern, einem Ingenieur, einem Elektrotechniker, einem Informatiker, einem Mediziner und einem Kamerateam.

Erst Anfang Februar 2018 geht es zurück nach Hause. Dann wird Krüger bereits den nächsten Saison-Koch eingearbeitet haben. 14 Monate im ewigen Eis, fernab der Zivilisation – diese Erfahrung hat Sven Krüger gereizt. Fast sieben Jahre hat er in seiner Heimatstadt Hamburg als Ausbilder in der Küche eines Verlagshauses gearbeitet. "Dann musste was Neues her."

Durch eine Reportage erfuhr er von der Jobmöglichkeit in der Antarktis. "Ich hatte nie vor, ins Ausland zu gehen." Schließlich habe er zusammen mit seiner Ex-Partnerin eine elfjährige Tochter. "Aber bei der Stellenausschreibung bin ich neugierig geworden", erzählt Krüger. Und glücklicherweise gebe es ja Videotelefonie.

In einer viermonatigen Vorbereitungsphase in Bremerhaven lernte sich das neue Überwinterungsteam kennen. In dieser Zeit schickte Krüger auch die Bestellung von 1500 Einzelartikeln los.

"Kein Veganer, kein Vegetarier"

Der Proviant wurde dann in sechs Containern verstaut, Anfang Januar 2017 kam das Essen mit dem Forschungseisbrecher "Polarstern" in der Antarktis an. Weitere vier Lieferungen folgten mit dem Flieger. Eine Jahresbestellung besteht aus 60 Tonnen Lebensmitteln, darunter 1500 Liter Milch, 900 Kilogramm Kartoffeln und 5000 Eier.

Natürlich konnte Krüger bei der Vorbereitung auf die Erfahrung seiner Vorgänger zurückgreifen. Aber er berücksichtigte auch die Essensvorlieben seiner Kollegen. "Zum Glück sind keine Veganer oder Vegetarier dabei", sagt der 35-Jährige. "Ich koche sehr gerne mit Fleisch."

Auf dem Speiseplan stehen nun Klassiker wie Spaghetti Bolognese oder Schnitzel. Besonders beliebt bei der Crew seien auch Currys. "Ich versuche, dass sich die Leute ausgewogen ernähren."

Der Außenteil der Station besteht aus einer sechs Meter über der Bodenoberfläche befindlichen Plattform, die auf 16 höhenverstellbaren Stelzen steht. Die Stelzen sind jeweils einzeln in ihrer Höhe verstellbar und haben breite Betonplatten, die das Gewicht der Plattform auf eine breite Fläche verteilen.

Ziel dabei ist es, ein Einsinken in den Schnee zu verhindern. Der Vorteil der Bauweise besteht darin, dass sich keine Schneeverwehungen über und am Gebäude ablagern. Der Wind, der den Schnee unter die Plattform hineinweht, weht ihn auch wieder heraus.

Neun Monate Einsamkeit

Frühere Gebäude in der Antarktis, die nicht auf Stelzen standen, wurden immer wieder eingeschneit. Durch einen jährlichen Hebevorgang von 80 bis 100 Zentimeter soll ein Versinken der Plattform im Neuschnee verhindert werden.

Im antarktischen Sommer müssen bis zu 60 Bewohner versorgt werden. Die meisten von ihnen sind inzwischen längst weg, geblieben sind nur die Überwinterer. Im noch anhaltenden antarktischen Winter ist die Neumayer-Station III neun Monate von der Außenwelt abgeschnitten, Lieferungen sind weder per Flugzeug noch mit dem Schiff möglich.

"Müsli und Haferflocken werden langsam knapp", sagt Krüger. Er habe nicht damit gerechnet, dass so viel davon gegessen wird. Das Vorgängerteam hatte zum Frühstück Brot und Brötchen bevorzugt. "Aber schlimmer wäre, wenn die Süßigkeiten ausgingen." Schokolade esse das Team gerade jetzt in der dunklen Jahreszeit sehr gerne.

"Grundsätzlich habe ich als Koch ein anderes Verhältnis zu Lebensmitteln", sagt Krüger. "Aber hier wird das noch extremer." Das gehe am Ende sogar so weit, dass er die verbliebenen Äpfel regelmäßig liebevoll drehe: "Damit sie keine Druckstellen bekommen." (dpa/eb)

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