ZUR PERSON

"Wir vermissen ihn als Gentleman, als Vorbild und als Menschen"

Von Ursula Gräfen Veröffentlicht:

Vor 51 Jahren, im Februar 1953, stürmt der Engländer Francis Crick (36) in eine Kneipe in Cambridge und verkündet, er und und sein US-amerikanischer Kollege James Watson (24) hätten "das Geheimnis des Lebens" gelüftet. So richtig will ihnen keiner glauben. Auch Cricks Frau Odile, der Crick am Abend von seiner wichtigen Entdeckung erzählt, glaubt ihm nicht. Sie sagt später zu ihm: "Du kamst immer nach Haus und sagtest solche Dinge, also habe ich mir nichts dabei gedacht."

Als die beiden jungen Forscher am 25. April 1953 ihre Entdeckung in "Nature" veröffentlichen, beginnen sie ganz bescheiden: "Wir möchten eine Struktur für das Salz der Desoxyribonukleinsäure (DNA) vorschlagen. Diese Struktur besitzt neuartige Eigenschaften, die von beträchtlichem biologischen Interesse sind." Der Bericht endet mit den berühmten Sätzen: "Es ist uns nicht entgangen, daß die spezifische Paarung, die wir postuliert haben, einen möglichen Kopiermechanismus für das genetische Material unmittelbar nahelegt." Und noch immer bleiben die Kollegen skeptisch.

1962 bekommt Francis Crick den Medizin-Nobelpreis

Erst Jahrzehnte später wurde klar, daß die beiden jungen Forscher, die wenig über Chemie wußten und nie selbst experimentiert hatten, eine Jahrhundertentdeckung machten, als sie die Doppelhelixstruktur der DNA aufklärten. 1962 bekamen sie zusammen mit Maurice Wilkins den Medizin-Nobelpreis dafür.

Einer der beiden Pioniere, Francis Harry Compton Crick, der exzentrische Brite, der 1953 noch nicht einmal einen Doktortitel hatte, ist tot. Letzten Mittwoch ist er im Alter von 88 Jahren in einer Klinik in San Diego in Kalifornien an Darmkrebs gestorben.

"Mit Francis Crick für zwei Jahre in einem kleinen Zimmer in Cambridge zusammen sein zu dürfen, war wirklich ein Privileg", sagt sein alter Mitstreiter Watson, der heute am Cold Spring Harbor Laboratorium in New York arbeitet. ""Francis war das Gehirn..., ich war das Gefühl. Francis war bis zu seinem Tod der Mensch, mit dem ich unbefangen über meine Ideen sprechen konnte. Ich werde ihn schmerzlich vermissen."

"Einer der brillantesten und einflußreichsten Forscher"

Crick sei einer der "brillantesten und einflußreichsten Forscher" gewesen, so Richard Murphy, Präsident des Salk Institutes in La Jolla in Kalifornien, an dem Crick zuletzt geforscht hat. "Wir vermissen ihn als Gentleman, als Vorbild und als Menschen, der enorm viel zum Verständnis der Biologie und der Gesundheit beigetragen hat." Und Lord May, der Präsident der britischen Royal Society, sagte zum Tod des Pioniers der Genforschung: "Francis Crick hat einen enormen Beitrag zur Wissenschaft geleistet."

Crick wurde am 8. Juni 1916 in Northampton als Sohn eines Schuhfabrikanten geboren. Er studierte zunächst Physik, nach dem Krieg Biologie. Während des Weltkriegs war er wissenschaftlicher Zivilbeamter, zeichnete Waffen und machte Entdeckungen auf dem Gebiet des Radars. Ab 1949 arbeitete er am Cavendish-Labor in Cambridge, wo er mit Watson die DNA-Struktur aufklärte. Crick promovierte 1954 über eine Methode zur Strukturanalyse von Proteinen. 1976 ging er an das Salk Institute in den USA.

Zunächst blieb Crick der Genetik treu. Doch dann wandte er sich der Neurowissenschaft zu und begann, sich mit der Seele zu beschäftigen. Seele - das war für Crick Chemie. Gedanken, Gefühle, Charakter und Eigenschaften sind nur Zusammenspiel von vielen Nervenzellen und nicht Ausdruck eines freien Geistes oder eines freien Willens. Deshalb sei es nur eine Frage der Zeit, bis die Molekularpsychologie alle Hirnprozesse logisch erklären könne, sagte Crick und stellte sich gegen Theologen und klassische Philosophen. 1989 veröffentlichte er seine Autobiographie "What Mad Pursuit".

Was war Crick für ein Mensch? Der Brite galt schon früh als exzentrisch und als öffentlichkeitsscheu. Kollegen, die Crick nahegestanden haben, heben seine unstillbare Neugier für das Leben hervor. Watson hat ihm einmal einen "außergewöhnlichen Geist" zugesprochen. Crick war ein begnadeter Redner, kleidete sich am liebsten in italienische Edelanzüge und liebte gepflegte Konversation - "besonders mit hübschen Frauen", wie er von sich selbst sagte.

Auf die Grundlage der Entdeckung von Crick und Watson stützte sich die gesamte Gentechnik. Die industrielle Produktion von Insulin aus gentechnisch veränderten Bakterien wurde möglich. Erste außerhalb des Mutterleibes gezeugte Kinder wurden geboren. Die erste Gentherapie bei Menschen konnte gemacht werden, und im Februar 2001 gaben das Human Genome Project (HUGO) und das Unternehmen Celera Genomics bekannt, daß sie das menschliche Genom zu 99 Prozent identifiziert hätten.

Francis Crick selbst spielte die Entdeckung, die ihn berühmt gemacht hat, später herunter: "Wir hatten einfach Glück mit der DNA. Wie Amerika hat sie nur darauf gewartet, entdeckt zu werden."

Schlagworte:
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Interview

STIKO-Chef Überla: RSV-Empfehlung kommt wohl bis Sommer

NHANES-Analyse

Bei Hörminderung: Hörgeräteträger leben länger

Lesetipps
Neue Hoffnung für Patienten mit Glioblastom: In zwei Pilotstudien mit zwei unterschiedlichen CAR-T-Zelltherapien blieb die Erkrankung bei einigen Patienten über mehrere Monate hinweg stabil. (Symbolbild)

© Richman Photo / stock.adobe.com

Stabile Erkrankung über sechs Monate

Erste Erfolge mit CAR-T-Zelltherapien gegen Glioblastom

Die Empfehlungen zur Erstlinientherapie eines Pankreaskarzinoms wurden um den Wirkstoff NALIRIFOX erweitert.

© Jo Panuwat D / stock.adobe.com

Umstellung auf Living Guideline

S3-Leitlinie zu Pankreaskrebs aktualisiert