Seehofer: "Ärzteschaft hat menschlich, ethisch und fachlich Format"

Mit einem Füllhorn an Komplimenten, Honorarversprechungen und neuen Freiheiten für die Ärzte gastiert Horst Seehofer beim Ärztetag 1995 in Stuttgart.

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Stuttgart, 23. Mai 1995. Mit den Petersberger Gesprächen hat Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer eine Wende in den Beziehungen zwischen Politik und Ärzteschaft eingeläutet - und dies dokumentiert er beim Ärztetag im Mai 1995 in Stuttgart mit dem Kompliment: "Die Deutsche Ärzteschaft hat menschlich, ethisch und fachlich Format."

Mit Worten wie diesen liefert Seehofer nicht zuletzt den Ärzten, insbesondere den Vertragsärzten, eine moralische Rechtfertigung für ihren harten Sparkurs vor allem bei den Arzneiverordnungen: die Budgets von 1993 und 1994 waren in Milliardenhöhe unterschritten worden; dass dies möglicherweise auch die Qualität der Versorgung beeinträchtigen würde, ist für Seehofer kein Thema.

Noch im Hochgefühl seiner Kostendämpfungserfolge verspricht er den Ärzten Geld und neue Freiheiten: um 600 Millionen DM soll die hausärztliche Vergütung aufgestockt werden, die Ärzte in den neuen Bundesländern sollen einen "Sonderbonus Ost" in Höhe von vier Prozent erhalten.

Seehofer hält, was er verspricht

In diesen Punkten hält Wort. Nach 1995 sollen die gesetzlichen Budgets aufgehoben werden - "da kann der Herr Dreßler kläffen wie er will".

Die Philosophie der nächsten Gesundheitsreform werde davon geprägt sein, dass der Staat viel Regelungskompetenz an die Selbstverwaltung geben und sich auf eine Missbrauchsaufsicht beschränken werde. Beispiel Qualitätssicherung: Dies sei zunächst eine Aufgabe der Ärzte. "Sie werden sich wundern, welche Freiheiten Sie bekommen werden."

Das SGB V soll entschlackt werden, die Hälfte der Paragrafen, so habe ihm sein Ministerialdirektor Gerhard Schulte versichert, sei überflüssig. "Ich habe die Schnauze voll, mich durch die Überprüfung der Kreativität der Selbstverwaltung blockieren zu lassen."

Aber: Wird Seehofer liefern? Ende 1995 sind die Kassen wieder im Defizit. Die Neuordnungsgesetze kommen mit einem Jahr Verspätung erst Mitte 2007. Die Budgets blockieren wie Blei. Die Kreativität der Selbstverwaltung ist von Seehofer massiv überschätzt worden. (HL)

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