Vilmar geht, Hoppe kommt

Kontinuität an der Spitze der deutschen Ärzteschaft: Der Marburger Bund hat das Präsidenten-Ticket. In der Sache sind sowohl Karsten Vilmar als auch Jörg Dietrich Hoppe mit der Politik über Kreuz.

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Gezwungenes Lächeln für die Kamera: Der scheidende Bundesärztekammerpräsident Karsten Vilmar und Gesundheitsministerin Andrea Fischer 1999 in Cottbus.

Cottbus, im Mai 1999. In der Bundesärztekammer geht eine Ära zu Ende: 21 Jahre hat Professor Dr. Karsten Vilmar insgesamt sechs Bundesgesundheitsminister als Präsident kommen und gehen sehen -  und die Siebte, Andrea Fischer, sollte zu jenem Zeitpunkt nur noch wenige Monate im Amt sein.

Dass Vilmar mehr als zwei Jahrzehnte die Spitzenorganisation der deutschen Ärzteschaft durch eine schwierige Phase der Gesundheitspolitik leiten würde, war im Mai 1978 beim Ärztetag in Mannheim kaum voraussehbar.

Sein Vorgänger Professor Hans Joachim Sewering war wegen mutmaßlicher Verstrickungen in die Nazi-Euthanasie zum Rücktritt gezwungen - die Bundesärztekammer suchte einen unbelasteten Nachfolger und fand ihn in dem damals mit 48 Jahren noch jungen Oberarzt und MB-Vorsitzenden.

Gerade einmal elf Jahre ist der gelernte Chirurg zu jener Zeit berufspolitisch engagiert - im Vergleich zu Vorgängern und Nachfolgern eine kurze Zeit. Doch Vilmar hat Stehvermögen und Sitzfleisch. Und ein beachtliches administratives Geschick, was ihm den wohlgemeinten Spott einbringt, der beste Hauptgeschäftsführer der Bundesärztekammer zu sein.

In der politischen Auseinandersetzung ist Vilmar meisten Teils über Kreuz mit der offiziellen politischen Linie: In der zweiten Hälfte der 1970er Jahre war die Kostendämpfungsära angebrochen, die Vilmar die gesamte Amtszeit begleiten sollte.

"Sozialverträgliches Frühableben" - Unwort des Jahres

Die politischen Eingriffe würzte der ansonsten eher dröge Bremer nicht selten mit beißendem Spott bis hin zum Zynismus. Im Zusammenhang mit der Gesundheitsreform 2000 sprach er von einem "gigantischen Humanexperiment", Anfang 1999 wurde er als Schöpfer des "Unworts des Jahres" - das berühmt berüchtigte "sozialverträgliche Frühableben" - gekürt.

Vor dem Hintergrund der Ärzteschwemme warnte er vor zu vielen Ärzten als einem Risiko für die Volksgesundheit. Die Kapazitäten im Medizinstudium dürften nicht nach der Anzahl der Klappstühle im Hörsaal bemessen werden, sondern müsse sich nach der Zahl der für die Lehre geeigneten Patienten bemessen.

Vilmars Nachfolge tritt 1999 sein Nachfolger beim Marburger Bund, Jörg Dietrich Hoppe, an.

Er setzt Vilmars Politik im Kern fort, mit einer starken medizinethischen Akzentuierung. Seiner Forderung nach einer medizinisch begründeten, aber politisch verantworteten Priorisierung wird nicht durchdringen, das Verhältnis zu den Gesundheitsministerinnen Fischer und Ulla Schmidt gespannt und unverstanden sein.

Die Lust an der Politik hat Vilmar nie verloren. Mit Genuss wird er als Ehrenpräsident des Ärztetages 2011 jene Wahl leiten, mit der Frank Ulrich Montgomery Nachfolger von Jörg Dietrich Hoppe wird.. (HL)

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