RLV sorgen für Verunsicherung bei Ärzten

Es ist so weit: Im ersten Quartal 2009 gelten erstmals die neuen RLV für Vertragsärzte. Doch was eigentlich für Honorarsicherheit sorgen soll, verbreitet zunächst Angst und Schrecken.

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Mit dem RLV-Bescheid sollten die Ärzte Planungssicherheit fürs Honorar gewinnen. Das überzeugte aber nicht jeden Arzt.

Mit dem RLV-Bescheid sollten die Ärzte Planungssicherheit fürs Honorar gewinnen. Das überzeugte aber nicht jeden Arzt.

© [M] hans12 / fotolia.com | sth

Januar 2009. Die Angst vor Praxispleiten und einer Entlassungswelle unter Medizinischen Fachangestellten (MFA) geht um.

Der Grund: Die Regelleistungsvolumina (RLV) werden jetzt tatsächlich umgesetzt - und sorgen für massive Honorarverwirrung, nicht nur bei den Ärzten.

Was der EBM 2008 vorbereitet hat, sollen die neuen RLV fortsetzen: Sie sollen den Ärzten eine feste Vergütung in Euro und Cent bringen und die Honorarungerechtigkeit der alten floatenden Punktwerte aufheben.

Und ihnen per Bescheid vorab genau zeigen, mit welchem Budget sie rechnen können. Doch was da im ersten Quartal 2009 anläuft, scheint auf den ersten Blick weder Honorarsicherheit noch -gerechtigkeit zu schaffen.

Viele Ärzte sehen sich auf einmal mit einem extrem niedrigen Fallwert - im Vergleich zum Vorjahresquartal - konfrontiert, der sie in die Bredouille bringt.

So geht es etwa Dr. Thorsten Werkhausen, der im rheinischen Königswinter eine hausärztliche Gemeinschaftspraxis mit seiner Ehefrau führt.

Ihm steht mit dem RLV nur noch ein Fallwert von 36 Euro zu, im Vorjahr erzielte er noch 71 Euro je Patient.

Praxen geraten durch niedrige RLV ins Straucheln

Doch der Hilferuf und Protest, der die "Ärzte Zeitung" Anfang 2009 erreicht, kommt gar nicht von dem Arzt selbst, sondern von einer seiner Arzthelferinnen.

Denn die Praxis hatte wegen des niedrigen RLV schon zum Jahresbeginn einer MFA in Teilzeit und der angestellten Fachärztin die Kündigung ausgesprochen. Die Sorge der Arzthelferin: Auch ihr Arbeitsplatz sei gefährdet.

Die Wut: "Als Arzthelferin bin ich persönlich entsetzt, dass die Bundesregierung und die KBV und der GKV-Spitzenverband eine so kapitale Abwertung der ärztlichen Leistung für einen Teil der Praxen beschließt".

Denn pro Jahr fehlten dem Arzt trotz außerbudgetärer Leistungen rund 70.000 Euro. "Das ist das Geld, das uns für unser Personal fehlt" erklärte Werkhausen damals der "Ärzte Zeitung".

Insgesamt fühlen sich vor allem Landärzte mit hohen Scheinzahlen benachteiligt. Denn, wer bei den RLV, die sich aus Fallwert mal Fallzahl des Arztes aus dem Vorjahresquartal mal Altersfaktor der Patienten errechnen, mit seinen Patientenzahlen spürbar über dem Durchschnitt der Arztgruppe liegt, bekommt nicht mehr für jeden Patienten den vollen Fallwert.

Und nicht nur das, Leistungen, die über das Budget hinausgehen, sollen nur mit einem abgestaffelten Preis vergütet werden. Wie hoch dieser abgestaffelte Preis tatsächlich ausfallen wird, kann den Ärzten Anfang 2009 aber niemand mit Gewissheit sagen.

Zwar mussten die KVen vorab Rückstellungen für diese Leistungen übers Budget hinaus bilden. Der tatsächliche Auszahlungswert kann sich aber erst zeigen, wenn auch festseht, wie viele Ärzte ihr Budget überschritten haben - und unter wie vielen das Geld aufzuteilen ist.

Was zusätzlich irritiert: Der Fallwert - der bei den 17 KVen im ersten RLV-Quartal zwischen 32 und 44 Euro liegt - ist häufig allein durch die Versichertenpauschale (mit Werten von 31,50 bis 35,70 Euro Anfang 2009) schon fast aufgebraucht.

Die Stimmung innerhalb der Ärzteschaft und vor allem gegen die KBV ist so schlecht, dass KBV-Chef Dr. Andreas Köhler auf Werbetour durch die KVen tingelt.

Wenig hilfreich ist da, dass Gesundheitsministerin Ulla Schmidt den KVen die Schuld an der RLV-Misere gibt. Im Vergleich zu 2007 steige das Honorar der Vertragsärzte um 2,75 Milliarden Euro, erläutert sie noch im Januar in einem Schreiben an die Koalition.

"Es kann nicht sein, dass dieses Geld nicht ankommt." Sie glaubt, die KVen würden die Ärzte nicht richtig über die RLV-Bescheide aufklären.

Sie vermutet aber noch mehr: Es gebe eine große schweigende Mehrheit von Ärzten, die finanziell erheblich von der Reform profitiere.

Fest steht, es gibt Verlierer. Das zeigen später im Sommer die ersten Daten aus 15 KVen. Aber: Insgesamt im Bundesdurchschnitt wächst das Arzthonorar im ersten Quartal 2009 im Vergleich zum Vorjahresquartal um 7,8 Prozent oder 472 Millionen Euro.

Die größten Honorargewinner sind damals die Berliner Ärzte mit einem Plus von 32,2 Prozent. Trotzdem zählt bundesweit ein Drittel der Ärzte zu den Reformverlierern.

Immer wieder wird das Honorar nachjustiert

Kein Wunder also, dass der Bewertungsausschuss schnell reagiert und eine Konvergenzphase beschließt, um die Verluste der Verliererpraxen abzumildern (siehe Kasten).

Konvergenzphase für Verliererpraxen

Der erweiterte Bewertungsausschuss nahm die Hilferufe aus den Praxen ernst, die über erhebliche Umsatzverluste durch die neuen RLV klagten. Bereits im Januar 2009 erlaubte er den KVen, Modifikationen bei der Umsetzung der Honorarreform vorzunehmen. Diese betrafen zum einen die einfachere Geltendmachung von Praxisbesonderheiten. Zum anderen wurde die sogenannte Konvergenzphase eingeführt. Für diese Zeit erhielten die KVen Spielraum bei der Begrenzung von Umsatzverlusten. Entgegen den ursprünglichen Regelungen konnten sie so bereits dann stützend eingreifen, wenn sich das Honorar eines Arztes um weniger als 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal verringert. Die Konvergenzphase sollte von April 2009 bis Ende 2010 gelten. KVen, die die RLV unter Vorbehalt mitgeteilt hatten, konnten die Maßnahmen aber auch schon im ersten Quartal 2009 greifen lassen.

Und das bleibt nicht das einzige Mal, dass nachgebessert wird. Bereits im Mai beschließt der Bewertungsausschuss die nächste Nachbesserungsrunde.

Ab Juli wird so etwa in den Berufsausübungsgemeinschaften (BAG) bei der RLV-Berechnung vom Arzt- auf den Behandlungsfall umgestellt, weil sich in den BAG eine Häufung von gegenseitigen Zuweisungen ergibt.

Die dadurch steigenden Arztfallzahlen drücken vielerorts die Fallwerte aller Ärzte im RLV. Was Einzelpraxen und spezialisierte Ärzte laut KBV besonders hart trifft.

Um die Mittel für die RLV aufzustocken, werden aber auch einzelne Leistungen - beispielsweise die Gesprächsleistungen - wieder aus den RLV herausgenommen und extrabudgetär vergütet.

Zudem sollen die KVen für die Rückstellungen für die abgestaffelte Vergütung von Leistungen jenseits der RLV aber innerhalb der morbiditätsorientierten Vergütung nur noch zwei statt drei Prozent des RLV-Vergütungsvolumens ansetzen. Auch das soll für Entspannung in den RLV sorgen.

Letztlich bleiben die RLV eine Dauerbaustelle. Das Verteilungssystem zeigt immer wieder Schwachstellen. Eine davon, die die KVen durch Quotierungen selbst zu beheben versuchen, ist die plötzliche Ausweitung von Leistungen außerhalb der RLV, zum Beispiel von Besuchsleistungen.

Als Gegenmaßnahme werden daraufhin 2010 die qualifikationsgebundenen Zusatzvolumina (QZV) eingeführt.

Und als 2012 die neue regionale Honorarautonomie kommt, schaffen einige KVen die ungeliebten RLV quasi postwendend wieder ab. (reh)

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