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Die Ehe als Liebestöter? Das war einmal

Für viele Deutsche galt die Ehe lange als Anleitung zum Unglücklichsein. Macht heute Ehe wieder Spaß?

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BERLIN. Als Wolfgang Krüger mit 69 Jahren zum Traualter schritt, wunderte er sich über harsche Reaktionen mancher Freunde. „Einige haben mich fast als Verräter gesehen“, erinnert er sich. Heiraten – das stand in seiner Berliner Generation für Gefängnis, gar als Gefahr für die Liebe.

Krüger ist Psychologe und Buchautor. Die völlig unterschiedlichen Reaktionen auf seine Hochzeit ließen ihm keine Ruhe. Er wollte herausfinden, ob verheiratete Paare glücklicher sind als Partner ohne Trauschein. Zum Weltglückstag am 20. März hat er eine Theorie: Die Ehe mache die Bundesbürger heute glücklicher als früher. Ist da was dran?

Lisa Fischbach kann jede Menge Statistiken zum Thema wälzen. Die Hamburger Psychologin analysiert Umfragen der Online-Partnervermittlung ElitePartner, die repräsentativ für die Bevölkerung sind.

Die jüngste stammt vom Herbst 2018. Rund 9000 deutsche Erwachsene, die keine Mitglieder des Vermittlungsdienstes waren, gaben online Auskunft über die Zufriedenheit mit ihrer Partnerschaft.

Im Ergebnis war eine stattliche Mehrheit von rund 83 Prozent sehr oder gut zufrieden, ob nun als Ehepaar oder ohne Trauschein. „Beziehungsqualität kommt heute viel mehr von innen, nicht bloß durch ein Papier“, sagt Fischbach.

Mehr Glück durchs Heiraten

Und doch sei etwas dran am gefühlten Quäntchen mehr Glück durchs Heiraten. „Ehen sind heute freiwilliger gewählt und werden bewusster geschlossen als noch vor ein oder zwei Generationen“, sagt sie. Meist gebe es auch keine großen Unterschiede mehr beim Alter oder in Sachen Bildung und Sicht auf die Welt. Das entschärfe Konfliktpotenzial.

Partner hätten vor dem Ja-Wort oft schon mehrere Jahre zusammengelebt und seien älter als früher. „Eine Ehe ist heute kein gesellschaftlicher Zwang mehr. Es ist ein Zeichen für Verbindlichkeit, das die Liebe stärken soll“, resümiert Fischbach.

Das Statistische Bundesamt hat auch gerechnet. Seit 2007 treten wieder mehr Paare vor den Traualtar, 2017 waren es rund 407.000. Männer waren bei der Hochzeit im Durchschnitt 34, Frauen 31 Jahre alt. Anfang der 1970er Jahre waren beide Partner jeweils zehn Jahre jünger.

Auffällig ist, dass die durchschnittliche Dauer von Ehen in Deutschland beständig wächst – von rund elf Jahren zu Beginn der 90er Jahre auf mittlerweile 15. Im Jahr 2017 wurden rund 153.500 Paare geschieden. Das war der niedrigste Wert seit 1992.

„Das ist eine beeindruckende Entwicklung“, urteilt Psychologe Krüger. Viele Experten seien verwirrt und fragten sich, ob das an einem neuen Sicherheitsdenken in gefühlten Krisenzeiten liege. Krüger sieht es anders. „Ich glaube, dass in den letzten zehn Jahren die Ehen besser geworden sind. Glücklicher.“

Beziehungen seien demokratischer als früher. Auch wenn Haushalt und Kindererziehung weiterhin eher auf den Schultern der Frauen lasteten, werde zwischen den Partnern mehr ausgehandelt.

„Ehe bringt eine andere Intensität in die Beziehung“

Noch in den 50er und 60er Jahren seien viele Ehen geprägt gewesen von gesellschaftlichen Zwängen, Versorgungsgedanken und oft auch von einem Machtgefälle.

Heute sieht Krüger eigene Gefühle durch seine Umfrage unter 150 Partnern mit und ohne Trauschein und rund 40 Tiefeninterviews bestätigt.

„Eine Ehe bringt noch einmal eine andere Intensität in die Beziehung“, fasst er zusammen. Es sei etwas anderes zu sagen „meine Frau“ als „meine Freundin“.

Auch Forscherin Fischbach sieht in einer Ehe eine höhere Ebene von Verbindlichkeit. „Finanzen werden anders geregelt“, sagt sie.

Meist entstehe ein Ruhegefühl, eine Art Plateau, da die Rechte für Ehepartner gesetzlich geregelt seien. Paare ohne Trauschein müssten sie immer wieder einzeln aushandeln - von der Sorge für gemeinsame Kinder bis hin zum Besuchsrecht auf der Intensivstation.

Zwar spiele in einer Ehe noch immer das romantische Ideal mit der hübschen Abkürzung „Amefi“ hinein: Alles mit einem für immer. Heute dürften Ehen aber auch ohne gesellschaftliches Stigma scheitern, betont Fischbach. „Das nimmt ihnen den dogmatischen Überbau.“

In der Realität hätten die Deutschen laut Elite-Umfrage im Schnitt 3,4 Partnerschaften im Leben. „Heute verharrt kaum noch jemand lange in einer Partnerschaft, die unglücklich ist“, sagt Fischbach. (dpa)

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