Ausstellung

Die Sonne – Licht, Heilung, Tod, Macht

Gottheit, Energiequelle, Leuchtkraft, Heilmittel, Zeit- und Richtungsgeberin: Bei der Ausstellung „Shine on Me – Wir und die Sonne“ dreht sich alles um den feurigen Stern.

Sven EichstädtVon Sven Eichstädt Veröffentlicht:
Sonnenlicht galt als unabdingbar, um hochwertige Milch von Kühen zu gewinnen (Bild oben). Hielt man Lichttherapie zunächst als heilsam, wiesen Forscher in den 1920er Jahren auf karzinogene Gefahren von UV-Licht hin.

Sonnenlicht galt als unabdingbar, um hochwertige Milch von Kühen zu gewinnen (Bild oben). Hielt man Lichttherapie zunächst als heilsam, wiesen Forscher in den 1920er Jahren auf karzinogene Gefahren von UV-Licht hin.

© Deutsches Hygiene-Museum Dresden

DRESDEN. „Milch von höchster Qualität können nur Kühe herstellen, die bei Sonnenlicht mit Futter, das im Sonnenlicht wächst, gefüttert werden“, schrieb 1926 der Mediziner Edward J. Deck.

Die Auswirkungen der Sonne auf die Gesundheit sind ein Aspekt einer Ausstellung, die unter dem Titel „Shine on me – Wir und die Sonne“ bis zum 18. August am Deutschen Hygiene-Museum in Dresden gezeigt wird. Die Besucher der Ausstellung werden dabei auf eine Zeitreise rund um das Thema Sonne geschickt.

Licht als wichtiger Nährstoff

Licht wurde ab den 1920er Jahren als „Nahrungsmittel“ und lebenswichtiger Nährstoff angesehen, an dem es vor allem den in Städten lebenden Menschen mangele. „Licht ist ein notwendiger Bestandteil des Lebens. Wenn die lebenswichtigen UV-Strahlen ferngehalten werden, leidet die Gemeinschaft“, warb etwa ein britischer Lampenhersteller 1928. „Tausende sind nur zur Hälfte leistungsfähig, weil sie nur zur Hälfte ernährt werden. Ihnen fehlt es nicht an fester Nahrung – sondern an lichter Kost.“

Höhensonnen kamen in Mode, die mehr UV-Licht produzierten als andere Leuchten. Außerdem wurden Krankheiten wie die Tuberkulose der Haut schon seit Mitte der 1890er Jahre mit großen Kohlenbogenlampen behandelt.

Bei den Höhensonnen, bei denen es sich um Quecksilberdampflampen handelte, wird die Janusköpfigkeit der Sonne in gesundheitlicher Hinsicht deutlich, wie die Historikerin Tania Woloshyn in einem begleitenden Buch zu Ausstellung hinweist. Nicht nur stimulieren und heilen konnten Höhensonnen, so Woloshyn, sie brachten auch Leid und sogar Tod: Lebensgefährliche Verbrennungen und tödliche Stromschläge traten nicht selten auf.

Euphorie durch Lichttherapie

Schon 1925 erkannten Forscher in Großbritannien, dass UV-Licht karzinogen wirkt – zu jener Zeit, als sich auch die Lichttherapie auf dem Höhepunkt befand. Es dauerte bis in die 1960er Jahre, bis die medizinische Fachwelt und die Öffentlichkeit anfingen, die krebserregende Wirkung von UV-Licht vollständig anzuerkennen, wie Sally Dunne Romano 2006 her-ausarbeitete.

Die Lichttherapie wiederum löste nicht nur Wohlgefühl, sondern in manchen Fällen sogar Euphorie aus. Der Mediziner Auguste Rollier warnte 1916 davor, dass Patienten, die sich der Lichttherapie aussetzten, der Aufsicht bedürften, um ihren „Eifer“ zu dämpfen. Die starke Hochstimmung sei so verführerisch gewesen, dass sich Patienten mitunter gefährlich lange dem UV-Licht ausgesetzt hätte.

Später wurde die Sucht nach Licht auch als Bräunungssucht bezeichnet, bei der körpereigene Endorphine, Dopamin und Testosteron ausgeschüttet werden. Die zweideutige Charakterisierung der Sonne in gesundheitlicher Hinsicht, nämlich zugleich Glückseligkeit und Hautkrebs zu erzeugen, wird auch aktuell erkennbar, schreibt Woloshyn.

Sonne als Symbol der Macht

Die Sonne diente und dient allerdings nicht nur gesundheitlichen Aspekten, sondern auch politischen Zielen. Ludwig XIV. war im 17. Jahrhundert der französische „Sonnenkönig“, im 20. Jahrhundert wurde die unbesiegbare Macht der Sonne weiter symbolisch beschworen. Japan ist das „Land der aufgehenden Sonne“, Chinas Diktator Mao Zedong ließ sich wiederholt im Profil vor der strahlenden Sonne zeigen.

Spätestens ab der Oktoberrevolution von 1917 in der Sowjetunion sagten Bilder von Morgenröte und Sonnenlicht in der sozialistischen Literatur den Anbruch einer neuen Zeit voraus, die bis heute nicht eingetreten ist, so Kurator David Elliott im 400 Seiten starken Ausstellungsbuch.

Die Internationale führte die „Brüder zur Sonne, zur Freiheit“, sozialistische Jugendlieder verlangten zu DDR-Zeiten „immer lebe die Sonne“, die DDR-Jugendorganisation FDJ hatte die „Sonne mit dem goldenen Strahlenband und dem blauen Himmel“ als Symbol.

Zuvor stand schon vom 18. Jahrhundert an die Sonne für eine Verheißung: Das bis jetzt nicht eingelöste Versprechen einer vernunftgeleiteten, egalitären Epoche, in der das Licht der Wahrheit und Gerechtigkeit die Massen aus der Dunkelheit von Unterdrückung und Unwissen befreit. Die Schwarze Sonne, ein Sonnenkreuz, gilt hingegen als ein sehr altes esoterisches Symbol und wird heute mit dem Neonazismus in Verbindung gebracht. Ursprünglich galt die Schwarze Sonne als Zeichen des Glücks.

Nun wird die Sonne allerdings nicht nur symbolisch genutzt, sondern auch ganz praktisch. Seit 6000 Jahren nutzen Menschen die Kraft der Sonne dazu, sich das Leben angenehmer zu machen, weist Solarhistoriker John Perlin hin. So riet etwa Sokrates im antiken Griechenland, beim Hausbau an die Sonne zu denken, damit es die Bewohner angenehmer hätten.

Ausgerichtet an der Wintersonne

Aristoteles schrieb, dass Gebäude so errichtet werden sollten, dass im Winter die Sonnenwärme genutzt und sie in den heißeren Monaten draußen gehalten wird. Antike Baumeister in Griechenland hielten sich denn auch an die Ratschläge. Im antiken Rom war es äußerst beliebt, Gebäude an der Wintersonne auszurichten, sodass sogar Gesetze zum „Sonnenrecht“ erlassen wurden.

In China sind seit Jahrtausenden die Hauptachsen ihrer Städte in Ost-West-Richtung angelegt, damit sich alle Häuser nach Süden ausrichten ließen. Bis heute bevorzugen die Chinesen die Orientierung ihrer Häuser gen Süden.

Im 20. Jahrhundert wurde in Deutschland zwischen den beiden Weltkriegen die Idee eines funktionalen Bauens auf der Grundlage sozialer Gerechtigkeit und einer Orientierung an der Sonne sehr ernst genommen. In den deutschen Ballungszentren entstanden Wohnanlagen, die die Wintersonne optimal nutzen sollten. Ähnliche Wohnbauprojekte verbreiteten sich in den Niederlanden, in Schweden und anderen nordeuropäischen Ländern.

Dies endete mit der Machtübernahme Hitlers. Die Nationalsozialisten griffen auf herkömmliche Formen des Wohnungsbaus wie Satteldächer und kleinteilige Fenster zurück und sahen die funktionale Architektur als Verrat an den Idealen einer „teutonischen Baukunst“ an.

Hohlspiegel für das Feuer

Nicht nur für Wärme in Häusern wurde die Sonne genutzt, sondern auch, um Feuer zu machen. Vor 3000 Jahren entdeckten die Chinesen, wie man Hohlspiegel herstellt und Sonnenlicht in Feuer verwandelt, so John Perlin im Begleitbuch zur Ausstellung. Die Griechen entwickelten vor rund 2500 Jahren ähnliche Solargeräte. Der griechische Mathematiker Archimedes soll vor 2200 Jahren mit Hohlspiegeln, die das Sonnenlicht bündelten, sogar die Schiffe der römischen Flotte vor Syrakus in Brand gesetzt haben.

Bis in die 1980er Jahre galt ein Solarkraftwerk des Unternehmers Frank Shuman aus den USA, das er 1913 in Ägypten errichten ließ, als größtes Solarkraftwerk der Welt. Shuman hatte lange rinnenförmige Reflektoren bauen lassen, die das Sonnenlicht auf gläserne, mit Wasser gefüllte Absorber zentrierten.

Bis in die frühen 1950er Jahre dauerte es, bis Daryl Chapin, Calvin Fuller und Gerald Pearson von den Bell Laborabories in den USA eine Solarzelle entwickelten, die genügend Sonnenenergie in Strom umwandeln konnte, um elektrische Kleingeräte zu betreiben.

Die „New York Times“ sah im April 1954 in der Erfindung den „Beginn einer neuen Ära, in der einer der größten Menschheitsträume in Erfüllung gehen wird – die Gewinnung nahezu unerschöpflicher Energie aus der Sonne zum Wohle der Zivilisation“. Das Militär wiederum sah in der Erfindung einen unerlässlichen Baustein für sein hochgeheimes Satellitenprogramm.

Der 1958 gestartete US-Satellit „Vanguard 1“ war der erste der Welt, dessen Instrumente mit Strom aus Solarzellen betrieben wurden. Er sendete bis 1964. Die unerwartete und relativ starke Nachfrage nach Solarzellen in der Raumfahrt erwies sich als wichtig für den späteren Erfolg der Fotovoltaik.

Die Ölschocks von 1973, 1979 und 1980 verstärkten das Interesse daran, die Sonnenenergie für Warmwasser und Heizen sowie für Industriestrom zu nutzen. 1980 waren Fotovoltaikanlagen mit einer Leistung von weniger als einer Million Megawatt auf der Welt installiert, 2017 waren es bereits mehr als 300 Gigawatt oder 300.000 Megawatt.

Ausstellung: „Shine on me – Wir und die Sonne“

  • Deutsches Hygiene-Museum, Lingnerplatz 1, Dresden.
  • Bis 18. August 2019 Dienstag bis Sonntag und Feiertage: 10 bis 18 Uhr. Montags geschlossen.
  • Eintrittspreise Erwachsene 9 Euro Familienkarte 14 Euro Kinder bis 16 Jahre frei.
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