Aktionswoche startet

Alkohol im Job – ein Qualitätskiller und Sicherheitsrisiko

Alkohol am Arbeitsplatz? Ein gewaltiges Problem, sagen Experten. Bis zu zehn Prozent aller Beschäftigten trinken zu viel – von der Aushilfe bis zum Chef. Die Folgen könnten gravierend sein.

Von Yuriko Wahl-Immel Veröffentlicht:
Wirklich nötig? Selbst der harmlose Sekt zum Anstoßen bei Firmen-Feiern kann hinterfragt werden, so die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen, wenn es darum geht, Alkoholprobleme am Arbeitsplatz gar nicht erst entstehen zu lassen.

Wirklich nötig? Selbst der harmlose Sekt zum Anstoßen bei Firmen-Feiern kann hinterfragt werden, so die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen, wenn es darum geht, Alkoholprobleme am Arbeitsplatz gar nicht erst entstehen zu lassen.

© nyul / Getty Images / iStock

DORTMUND/HAMM. Der Kollege riecht nach Alkohol, jeder weiß, dass er reichlich trinkt. Problem: Der Elektriker hantiert auch in nicht-nüchternem Zustand mit Starkstrom und wird immer mehr zum Risiko für alle in dem sauerländischen Unternehmen. Ein typischer Fall, wie ihn Adelheid Kraft-Malycha schildert. „Eine Fülle von Arbeitsenergie wird dadurch lahmgelegt“, sagt die Arbeitsmedizinerin.

Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) geht davon aus, dass bis zu zehn Prozent der Beschäftigten bundesweit Alkohol in problematischen Mengen trinken. In der Gesamtbevölkerung seien es rund 15 Prozent mit riskantem Alkoholkonsum.

„Wir haben es mit erheblichen Ausmaßen zu tun. Es ist wichtig, zu handeln – für Betriebe und für uns als Gesellschaft“, betont Peter Raiser von der DHS, die die Aktionswoche Alkohol ins Leben gerufen hat. Sie startet in diesem Jahr ab dem 18. Mai mit dem Schwerpunkt „Kein Alkohol am Arbeitsplatz“.

Wer ist von Alkoholproblemen betroffen?

„Gefährdet sind alle gleichermaßen, Mitarbeiter wie Vorgesetzte“, betont Kraft-Malycha, Leitende Ärztin der Arbeitsmedizinischen und Sicherheitstechnischen Dienste in Dortmund. Jobs mit hohem Stressfaktor oder leichtem Zugang zu Rauschmitteln – Kliniken, Gastronomie oder Nahrungsmittelproduktion – könnten Alkoholkonsum womöglich befördern.

Gravierende Folgen alkoholbedingter Fehler drohten vor allem bei sensiblen Tätigkeiten oder in Hochsicherheitsbereichen.

Wie erkennt man, dass Mitarbeiter problematisch trinken?

Als Warnsignale nennt Kraft-Malycha: „Jemand reagiert überaffektiv, ohne ersichtlichen Grund stark aufbrausend, beleidigend auch gegenüber Kunden. Das äußere Erscheinungsbild ändert sich von ungepflegt bis überkandidelt.“

Suchtexperte Raiser stellt klar: „Alkohol am Arbeitsplatz ist ein Sicherheitsrisiko. Schon geringe Mengen führen zu sinkender Konzentration, zu abnehmender Leistungsfähigkeit und erschweren die Koordination.“ Die Unfallgefahr steige, nicht nur beim Bedienen von Fahrzeugen oder Maschinen. Die Qualität der Arbeit leide.

Trinkt ein Kollege zu viel Alkohol, ist er nicht der einzige Geschädigte. Denn: Andere Mitarbeiter müssen dessen Ausfälle häufig auffangen. Die Fehlzeiten bei Beschäftigten mit Alkoholproblemen liegen durchweg deutlich höher als bei den anderen, weiß Raiser.

Jährlich komme es zu sozialen Kosten in zweistelliger Milliardenhöhe vor allem durch alkoholverursachte Produktionsausfälle und Ausgaben im Gesundheitswesen.

Warum unbedingt Sekt zur Feier in der Firma?

Alkohol in der Arbeitszeit werde zu häufig toleriert, kritisiert Kraft-Malycha. Beispiel Geschäftsessen: „Es gibt einen Aperitif, zwei, drei Gläser Wein passend zum Gang, einen Digestiv – da werden womöglich weitreichende Entscheidungen bei 1,0 Promille getroffen.“ Oder Geburtstage und Firmenjubiläen: „Warum wird mit Sekt angestoßen – und nicht mit Schorle oder Kaffee? Alkohol hat am Arbeitsplatz nichts zu suchen. Schon ein Glas Sekt oder Bier verlangsamt die Funktion des Gehirns.“

Raiser spricht von einem Tabuthema, aber auch einem wachsenden Bewusstsein: „Immer mehr Unternehmen haben die Risiken erkannt, gehen Prävention an oder machen Hilfeangebote.“

Vor allem bei mittleren und kleinen Betrieben sei noch viel zu tun. Falle im Betrieb auf, dass jemand heimlich trinkt und alkoholisiert arbeitet, solle man das ansprechen, appelliert der stellvertretende DHS-Geschäftsführer. „Je früher, desto besser. Das sagen auch ehemalige Alkoholabhängige.“

Langjährige Trinker-Karrieren sind typisch

Oft ziehen sich „Trinker-Karrieren“ im Job über Jahre hinweg, bis interveniert wird. Je höher die Hierarchie-Ebene des Trinkenden, desto eher werde um den heißen Brei geredet, sagt die Dortmunder Ärztin und Gutachterin.

An der Aktionswoche mit deutschlandweit gut 1300 Veranstaltungen beteiligen sich Unternehmen, Verbände, Ärzte, Apotheken oder Selbsthilfegruppen. Guter Anlass auch DHS-Sicht auch, um Betriebsvereinbarungen für einen Arbeitsplatz ohne Alkohol zu schließen. (dpa)

Aktionswoche Alkohol 2019: Was? Wann? Wer? Wo?

Wo die über 1.300 Veranstaltungen deutschlandweit während der Aktionswoche Alkohol vom 18. - 26. Mai 2019 stattfinden, lässt sich im Terminkalender der DHS nachschlagen. So können Aktionen gezielt in der Nähe gefunden werden.

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