Robotik

„Dr. Pepper“: Kurzweil auf Station

Der Einsatz humanoider Roboter im Krankenhaus wird allerorten diskutiert. Ein Modellprojekt an der Charité zeigt, wie das in der Praxis im Klinikalltag funktionieren kann.

Von Marc Specht Veröffentlicht:
Pepper im Einsatz an der Charité. (2) BoS&S Software GmbH

Pepper im Einsatz an der Charité. (2) BoS&S Software GmbH

© (2) BoS&S Software GmbH

BERLIN. Immer mehr Branchen setzen auf den Einsatz des humanoiden Roboters Pepper als rollenden Ansprechpartner für Informationen – sei es an Flughäfen, in der Bank oder aber im Sushi-Restaurant.

Dem nach Angaben des japanischen Herstellers Softbank Robotics weltweit ersten humanoiden Roboter, der bei seinem Gegenüber Emotionen wahrnehmen und situationsgerecht reagieren kann, wird auch großes Potenzial beim flächendeckenden Einsatz in der Pflege oder in Kliniken zugetraut – in Japan wird hier bereits intensiv experimentiert.

Für Pflegebedürftige und Patienten bietet er Unterhaltung, Informationen, aber auch Unterstützung beim kognitiven Training. Die Grundfunktionen wie Bewegen und einfache Kommunikation sind bei dem sozialen Roboter Pepper bereits im Lieferumfang enthalten.

Je nachdem, welchen Zweck Pepper im Konkreten ausführen soll, muss jedoch weitere Software entwickelt und installiert werden. Für Anwendungen im Bereich der Pflege haben sich Unternehmen wie etwa der Berliner Softwaredienstleister BoS&S spezialisiert.

Pepper hört geduldig zu

Dabei kauft BoS&S bei Softbank Pepper-Roboter und stattet diese mit den passenden Programmen aus, die in Zusammenspiel mit der BoS&S Pflegesoftware Verwaltungsprozesse in Pflegeeinrichtungen vereinfachen soll.

Wenn Gesundheitseinrichtungen sich also für die Anschaffung von Pepper entscheiden, müssen diese im Grunde genommen nicht mehr viel tun, um ihn erfolgreich in Betrieb zu nehmen. Die Installation und den Support von Pepper übernimmt BoS&S ebenfalls.

Seit Jahresbeginn setzt die Charité im Rahmen eines Projektes mit BoS&S Pepper auf dem Virchow-Campus der Charité ein. In regelmäßigen Abständen sorgt er in der Abteilung für pädiatrische Onkologie sowie der unfallchirurgischen Kinderstation für die Unterhaltung und Aufmunterung der teilweise stark geschwächten Patienten.

Vor allem für die jungen Patienten auf der unfallchirurgischen Station stellt Pepper ein Highlight dar, das sie nicht nur ein paar Stunden lang unterhält, sondern ihnen den Aufenthalt im Krankenhaus weitaus angenehmer gestaltet. Pepper beherrscht neben der Fähigkeit, lockere Konversationen zu führen, auch die Möglichkeit zu spielen. Dank seiner Quiz- und Ratespiele gestaltet er den Patienten die Zeit auf der Station nicht nur unterhaltsamer, sondern auch kurzweiliger.

Neben der Fähigkeit, multimediale Inhalte abzuspielen, kann Pepper auch einfache Konversationen mit Patienten führen, was letztlich auch die Arbeit von Pflegekräften erleichtert.

Besonders nützlich ist Pepper für das Training von Gedächtnis und der kognitiven Fähigkeiten von älteren Patienten, die nicht nur regelmäßig gefordert werden müssen, sondern denen viel Geduld entgegengebracht werden muss. So kann es sein, dass etwa an Alzheimer erkrankte Patienten dieselbe Frage immer wieder mehrfach stellen, deren Beantwortung auf den Tag gerechnet die Pflegekräfte viel Zeit kostet. Solche Anliegen kann Pepper übernehmen und dadurch Pflegekräfte signifikant entlasten.

Besonders gut geeignet ist Pepper auch, um Informationen weiterzugeben und dokumentarische Prozesse zu übernehmen. Über die Anbindung an eine Software-Schnittstelle, wie etwa BoS&S diese anbietet, kann Pepper beispielsweise den Medikationsplan verwalten und Patienten daran erinnern, dass sie ihre Medikamente nehmen müssen.

Noch nicht ganz marktreif

Im Anschaffungspreis kann es Pepper in etwa mit einem Mittelklassewagen aufnehmen. Das ist vor allem dank verschiedener Finanzierungsmodelle für Pflegeeinrichtungen einigermaßen zu stemmen, jedoch stellen sich für eine breiter angelegte Einführung in den deutschen Markt andere Hindernisse dar. Krankenkassen erstatten Pflegeroboter wie Pepper bislang nicht.

Dagegen hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) das Potenzial der Pflegeroboter erkannt und fördert Pilotprojekte in diesem Bereich momentan mit einem Volumen von rund zehn Millionen Euro.

Für Pflegekräfte stellt insbesondere die Entlastung körperlicher Tätigkeiten wie das Anheben von Patienten oder Greifbewegungen eine der größten Herausforderungen bei ihrer täglichen Arbeit dar, die nicht nur viel Kraft, sondern auch eine Menge Zeit kostet.

Pepper kann hier im Gegensatz zu anderen Robotern noch keine Entlastung schaffen, sodass Kliniken und Pflegeheime in der Regel eher auf mechanische Systeme setzen, mit denen sich adipöse Patienten leichter anheben lassen. Die Hände von Pepper sind bislang nur auf dessen Stabilisierung und zur Gestikulation ausgelegt.

Robotik könnte für Pflege wichtig werden

Für Pflegeeinrichtungen könnte Pepper wertvoll werden, wenn er mit Künstlicher Intelligenz (KI) ausgestattet wird. Bislang wird jedes Wort, das Pepper beherrscht, vorher einprogrammiert.

Alles, was darüber hinaus geht, versteht er nicht. In der Charité wird Pepper derzeit vor allem eingesetzt, um festgelegte Unterhaltungsprogramme wiederzugeben, auf die sich Patienten einstellen können.

Die Robotik wird in den kommenden Jahren mit großer Sicherheit einen Teil zur Lösung für den Pflegekräftemangel in Deutschland beitragen.

Allerdings kann längst keine Rede davon sein, dass sie Pflegekräfte überflüssig macht. Viel mehr stellt sie mit ihren Möglichkeiten eine sinnvolle Ergänzung dar, um Pflegekräfte an den Stellen zu entlasten, wo sie die größten Probleme verspüren und davon abgehalten werden, die eigentliche Pflegearbeit zu leisten: bei der Unterhaltung und beim Heben von Patienten sowie der Dokumentation verschiedener Arbeitsprozesse.

Auch die Politik, die wie das BMBF die Förderung sozialer Roboter im Pflegebereich befürwortet, ist sich der Skepsis gegenüber KI-gesteuerter Maschinen bewusst.

So hat der Patientenbeauftragte Andreas Westerfellhaus im Zuge einer Rede jüngst klargestellt, dass es nicht das Ziel ist, Pflegekräfte zu ersetzen, sondern diese mithilfe von KI-gesteuerten Pflegerobotern bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Damit Roboter sich in den kommenden Jahren in der Pflege etablieren, ist es unabdinglich, neben der Skepsis bei Pflegekräften auch die in Deutschland allgegenwärtigen Bedenken in puncto Datenschutz abzubauen und Vertrauen zu schaffen.

Studien zufolge ist er da, wo er helfen soll, bereits heute schon sehr beliebt: Senioren in Pflegeheimen, die einen Testlauf mit Pepper unternommen haben, haben den kleinen Roboter gut angenommen. Damit er und andere Pflegeroboter jedoch massentauglich in Pflegeeinrichtungen eingesetzt werden können, müssen die Funktionen noch ausgeklügelter werden – und letztlich auch die Anschaffungspreise noch weiter sinken.

Marc Specht ist Marketing-Leiter des Berliner Unternehmens BoS&S Software.

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