Frankfurter Flughafen

Dem Ultrafeinstaub auf der Spur

Am Flughafen Frankfurt gibt es eine erhebliche Konzentration von Ultrafeinstaub. Nun wird untersucht, wie gefährlich er für die Gesundheit der Anwohner ist.

Christoph BarkewitzVon Christoph Barkewitz Veröffentlicht:
Was kommt hinten raus aus dem Triebwerk? Unter anderem Ultrafeinstaub.

Was kommt hinten raus aus dem Triebwerk? Unter anderem Ultrafeinstaub.

© Andreas Arnold / dpa / picture alliance

FRANKFURT/MAIN. Der Frankfurter Flughafen wird gerne als der Herzmuskel für die Wirtschaftskraft in der Rhein-Main-Region bezeichnet. Für die Gesundheit der Menschen dort erweist sich Deutschlands größter Airport aber nicht immer als vergleichbarer Segen. Zu nennen sei beispielsweise der Fluglärm. Jetzt nimmt die Debatte über eine weitere Emission Fahrt auf: der Ultrafeinstaub.

Hessens Verkehrsminister Tarek Al-Wazir und Umweltministerin Priska Hinz (beide Grüne) stellten jetzt neue Ergebnisse zur Belastung rund um den Frankfurter Flughafen mit den Kleinstpartikeln vor, die laut Definition weniger als 100 Nanometer messen.

Das Ergebnis: Der Flughafen ist eine bedeutende Quelle für Ultrafeinstaub. „Die Flugzeugtriebwerke stoßen bei der Abfertigung, beim Starten, Landen und Rollen erhebliche Mengen an Ultrafeinstaubpartikeln (UFP) aus“, so Verkehrsminister Al-Wazir.

Während die Landespolitiker jedoch immer wieder darauf verweisen, dass die gesundheitlichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit noch unzureichend erforscht sei, gehen Mediziner da schon weiter.

So etwa Professor Thomas Münzel, Leiter der Kardiologie an der Mainzer Uniklinik. „Wenn Ultrafeinstaub inhaliert wird, dann geht er über die Lunge sofort ins Blut, wird von den Gefäßen aufgenommen und bewirkt lokal eine Entzündung. Das bedingt letztlich mehr Atherosklerose und führt somit zu mehr Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt, akuter Herzinfarkt, Herzschwäche oder auch Herzrhythmusstörungen“, fasste er im August 2018 die Ergebnisse einer Studie zusammen.

Mehr Emissionen durch Bodenbetrieb

Den Aussagen der beiden Landespolitiker liegen Messungen des Hessischen Landesamts für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) zugrunde, die bereits im Jahr 2015 begonnen haben.

Ein erster Zwischenbericht vom Juni 2018 ergab, dass an den zwei Messstationen in Raunheim und Frankfurt-Schwanheim tagsüber sehr hohe Konzentrationen insbesondere von sehr kleinen Partikeln (mit Durchmessern von etwa 10 nm bis 30 nm) auftreten, sobald der Wind aus Richtung des Flughafens weht.

Nach der neuen Auswertung inklusive der Werte zweier zusätzlicher Messstellen bestätigen Experten des HLNUG diese Erkenntnisse nicht nur, sondern erweitern sie: Auch Überflüge unterhalb einer Flughöhe von 400 Metern haben einen signifikanten Einfluss auf die UFP-Konzentration am Boden.

Damit sind zunächst nur Landungen gemeint, die Auswirkungen von Starts sollen in weiteren Messungen erforscht werden. Dazu sind seit diesem Jahr noch drei weitere Messstationen in Betrieb genommen worden. Klar ist aber jetzt schon: Der Hauptbeitrag an der UFP-Konzentration geht vom Betrieb am Boden des Flughafens aus.

Wie gefährlich sind UFP?

Ziel sei es, die Messungen rund um den Frankfurter Flughafen so weit auszubauen, dass mittelfristig eine valide Datenbasis zur Beurteilung der UFP-Immissionsbelastung zur Verfügung stünde, so die Minister. Hessen sieht sich hier in einer Vorreiterrolle innerhalb Deutschlands.

Allerdings berichtete der „WDR“ im Juli aus einer Studie des nordrhein-westfälischen Umweltministeriums, wonach bei Messungen in Wohngebieten rund um den Düsseldorfer Flughafen auch stark erhöhte Ultrafeinstaubwerte festgestellt worden seien.

Zwar wisse man, dass UFP lungengängig seien, so Umweltministerin Hinz, es gebe aber bis heute keine Erkenntnisse wie gefährlich sie wirklich seien, lediglich Laboruntersuchungen. „Mit unseren Messungen schaffen wir die Grundlage dafür, dass entsprechende medizinische Untersuchungen durchgeführt und langfristig auch Grenzwerte eingeführt werden können“, hofft ihr Kollege Al-Wazir.

Denn das sei das Dilemma: Es gebe aktuell keine verpflichtenden Messungen und auch keine verbindlichen Grenzwerte für Ultrafeinstaub.

Wirkungsstudie nach dem Vorbild NORAH

Zumindest an einen Grenzwert will Al-Wazir aber jetzt schon ran: an den für Schwefel im Flugbenzin, einem Vorläuferprodukt für Ultrafeinstaub. Das von der EU vorgegebene Limit für Schwefel betrage derzeit bei Kerosin drei Gramm je ein Kilogramm Kraftstoff, bei Diesel oder Benzin für Pkw, Bahn oder Binnenschiffe aber nur bei 0,01 Gramm je Kilo Sprit.

„Es ist nicht einzusehen, warum beispielsweise für die Binnenschifffahrt deutlich strengere Grenzwerte gelten als für Flugzeuge“, so der hessische Verkehrsminister.

Eine schnell wirkende Möglichkeit, den Ausstoß zu senken, sei also die Reduzierung des Schwefelanteils am Kerosin. Dazu bedürfe es allerdings europaweiter Vorgaben – genauso übrigens wie für einen Grenzwert für den Ultrafeinstaub. Hessens Möglichkeiten sind hier also zunächst beschränkt.

Um zumindest die Forschung voranzubringen, soll nun eine groß angelegte Wirkungsstudie aufgelegt werden, wie im schwarz-grünen Koalitionsvertrag vereinbart.

Vorbild ist die in den Jahren 2014 und 2015 vorgestellte „NORAH“-Studie („Noise-Related Annoyance, Cognition and Health“), die die gesundheitlichen Auswirkungen von Fluglärm am Frankfurter Airport untersucht hatte.

Schnelle Ergebnisse sind aber nicht zu erwarten: Von der Planung bis zur Ergebnispräsentation brauchte es bei „NORAH“ etwa sechs Jahre – einen vergleichbaren Zeitraum nähme wohl auch die neue Studie in Anspruch, räumen die Minister ein.

Wir haben den Beitrag aktualisiert am 21.08.2019 um 10:33 Uhr.

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