WHO in Sorge

Leise rieselt das Mikroplastik

Der Plastikmüll belastet die Erde – auch in seiner kleinsten Form. Zu den gesundheitlichen Auswirkungen von Mikroplastik fordert die WHO mehr Studien.

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Mikroplastik-Teilchen kleben an einem Finger.

Mikroplastik-Teilchen kleben an einem Finger.

© Bernd Wüstneck/dpa

GENF. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) spricht sich für intensive Forschungen im Zusammenhang mit Mikroplastik aus. Es müsse viel genauer untersucht werden, warum die Partikel im Trinkwasser vorkommen und welche gesundheitliche Gefährdung von ihnen ausgeht, teilte die WHO am Mittwoch in Genf mit.

„Basierend auf den begrenzt verfügbaren Informationen scheint Mikroplastik im Trinkwasser auf dem jetzigen Niveau kein Gesundheitsrisiko darzustellen“, so die WHO-Expertin Maria Neira. Andere Verunreinigungen des Wassers seien aus heutiger Sicht wesentlich bedeutsamer, sagte WHO-Experte Bruce Gordon.

„Mikroplastik überall in der Umwelt“

Es gelte in jedem Fall, die Wissensbasis zu erweitern und vor allem zu verhindern, dass der weltweite Plastikmüllberg weiter anwächst. „Mikroplastik ist überall in der Umwelt, auch im Wasserkreislauf“, heißt es in dem WHO-Report.

Menschen nehmen nach Angaben australischer Forscher täglich Mikroplastik zu sich: durch Nahrung, Trinkwasser oder bloßes Atmen. Bis zu fünf Gramm der winzigen Teilchen gelangen pro Woche in den Körper, abhängig von den Lebensumständen. Die Untersuchung basiert auf Daten zu Mikroplastik in der Atemluft, im Trinkwasser, in Salz, Bier und in Schalentieren.

Mehr Mikroplastik im Mineralwasser gefunden

Im deutschen Leitungswasser sei erheblich weniger Mikroplastik entdeckt worden als in Mineralwasser, sagte Martin Wagner von der Norwegian University of Science and Technology (NTNU) in Trondheim.

Es sei davon auszugehen, dass Kläranlagen den Großteil der Partikel, die kleiner sind als fünf Millimeter, entfernen. „Das Problem hierbei ist allerdings, dass sich das Mikroplastik dann im Klärschlamm befindet und wieder in die Umwelt gelangt, wenn der Klärschlamm zur Düngung in der Landwirtschaft verwendet wird.“

Über die gesundheitlichen Auswirkungen von Mikroplastik könne man noch keine generellen Aussagen machen, betonte Wagner.

2017: Weltweit 348 Millionen Tonnen Plastik

Woher das Mikroplastik im Trinkwasser im Detail stammt, ist oft unklar. Eine Rolle spielen Regen- oder Schmelzwasser und Abwasser. Insgesamt seien die verfügbaren Studien aber zu lückenhaft, um das jeweilige Ausmaß dieser Zuflüsse genauer zu bestimmen oder die Quellen noch exakter zu erfassen, erläuterte die WHO.

Im Jahr 2017 seien weltweit rund 348 Millionen Tonnen Plastik, ohne Berücksichtigung der Produktion von Fasern, angefallen. Diese Menge werde sich angesichts des Bevölkerungswachstums, des Verbrauchs und des Wegwerfverhaltens bis 2025 verdoppeln und bis 2050 wohl verdreifachen, schätzt die WHO.

Der Markt sei riesig. Allein in Europa stellten 60.000 Firmen mit 1,5 Millionen Beschäftigten und einem Umsatz von 355 Milliarden Euro Plastik her. Mit einer fachgerechten Reinigung könne das Abwasser von 90 Prozent des Mikroplastiks gereinigt werden.

Haut als Barriere

Den Ruf nach mehr Forschung insbesondere bei der möglichen gesundheitlichen Auswirkung von Mikroplastik über 150 Mikrometer teilt auch der Umweltmediziner Privatdozent Hanns Moshammer von der Medizinischen Universität Wien. Er schlägt vor, einen Fokus auf die Haut zu legen.

„Gesunde Haut oder Schleimhaut stellt tatsächlich eine recht effiziente Barriere gegenüber größeren Teilchen dar“, erläuterte Moshammer. Welchen Schutz die Haut oder Schleimhaut noch leisten könne, wenn sie verletzt oder entzündet ist, müsse genauer untersucht werden.

Jüngst hatte ein Forscherteam unter Leitung des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) in Bremerhaven berichtet, dass Mikroplastik-Teilchen im Schnee aus der Luft auf die Erdoberfläche rieseln – selbst in der abgelegenen Arktis. (dpa/ths)

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