Viele Raucher fühlen sich

Allein mit der Nikotinsucht

Viele Raucher wollen ihr Laster aufgeben, schaffen es aber ohne Unterstützung nicht. Da Krankenkassen eine Tabakentwöhnung nicht mehr bezahlen, fühlen sie sich alleingelassen. Dabei helfen eine ärztliche Beratung und Nikotinersatz bewiesenermaßen, betonen Wissenschaftler.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Die meisten Raucher schaffen es auf dem Weg zur Tabakentwöhnung nicht ohne fremde Hilfe.

Die meisten Raucher schaffen es auf dem Weg zur Tabakentwöhnung nicht ohne fremde Hilfe.

© Anyka / Fotolia

NEU-ISENBURG. In Deutschland sind Raucher im Straßenbild weiterhin keine Seltenheit. 29 Prozent der Menschen über 14 Jahre in der Republik greifen zum Glimmstängel.

Das geht aus den jüngsten Daten hervor, die im Zuge der „Deutschen Befragung zum Rauchverhalten“ (DEBRA-Studie) nun veröffentlicht wurden (BMJ Open 2019;9: e026245).

In der bevölkerungsrepräsentativen Umfrage erheben Forscher der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf die Einstellung von Bevölkerung und Betroffenen zu Maßnahmen gegen Nikotinsucht. Die fortlaufende, computer-gestützte, persönlich-mündliche Haushaltsbefragung, die zweimonatlich soziodemografische Daten sowie Tabak- und E-Zigarettenkonsum von je rund 2000 Personen im Alter von 14 Jahren oder älter erhebt, gilt als eine der umfangreichsten Untersuchungen rund um das Thema Rauchen in Deutschland.

Die DEBRA-Studie wurde bis 2019 gefördert vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW. Seit 2019 wird sie vom Bundesministerium für Gesundheit gefördert.

Autoren empfehlen dem GBA Rolle rückwärts

Kernerkenntnis der jüngsten Veröffentlichung: Raucher in Deutschland fühlen sich mit ihrer Sucht alleingelassen. Denn mehr als 80 Prozent der Raucher in Deutschland versuchen immer noch, häufig vergebens, auf eigene Faust aufzuhören.

Seit März 2004 ist die medikamentöse Unterstützung der Tabakentwöhnung bekanntlich gemäß einem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) von der Erstattung ausgenommen – geregelt wird dies im „Lifestyle-Paragrafen“ des SGB V (§ 34, Abs. 1).

Für die Studienautoren Professor Daniel Kotz und Dr. Sabrina Kastaun, beide vom Institut für Allgemeinmedizin am Uniklinikum Düsseldorf, sollte der GBA hier eine Rolle rückwärts machen.

„Die Daten der DEBRA-Studie zeigen, dass dieser Paragraf im SGB aus suchtmedizinischer Sicht unbedingt abgeschafft werden sollte“, so Kotz und Kastaun. „Mangelnde Akzeptanz auch der Raucherinnen und Raucher stellt kein Hindernis für den Einsatz bewiesen wirksamer Maßnahmen zur Tabakentwöhnung dar“, schieben sie nach.

Seit 1997 eine IGeL

Dazu kommt: Wie der privatmedizinisch tätige Internist Dr. Wolfgang Grebe betont, ist die Tabakentwöhnung – als zertifizierter Tätigkeitsschwerpunkt – seit 1997 als Individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) definiert. Die Bandbreite der Therapieoptionen sei groß, wie er erklärt, und verweist exemplarisch auf die Suggestion sowie die direkte Verhaltenstherapie.

Das Thema Tabakentwöhnung brennt auch den gesetzlichen Krankenkassen auf den Nägeln. Sie engagieren sich in unterschiedlichem Maße für nikotinabhängige Versicherte – in Form von Satzungsleistungen. Manche übernehmen die Kosten für Tabakentwöhnungsmaßnahmen teilweise.

Wie Kotz und Kastaun weiter hinweisen, gelinge eine anhaltende Tabakentwöhnung nur dann optimal, wenn dabei Methoden verwendet würden, die bewiesenermaßen helfen, wie Nikotinersatz oder ärztliche Beratung. Ohne diese Methoden schafften nur drei bis fünf Prozent den anhaltenden Ausstieg, so die Wissenschaftler.

Tabakentwöhnung – ein zu heißes Eisen?

Im Versorgungsalltag in Deutschland erhalten nach eigener Aussage nur vier Prozent der Raucher beim Arztbesuch eine Kurzberatung zur Tabakentwöhnung und ein Therapieangebot, wie die DEBRA-Daten ergeben.

Die latente Akzeptanz für arztseitige Offerten für Entwöhnungskurse könnten in der Realität durchaus häufiger ausgesprochen werden – wäre da nicht die Sache mit der fehlenden Kostenerstattung.

Denn die Mehrheit der Deutschen wünscht sich eine Kostenübernahme bewiesen wirksamer Therapien der Tabakentwöhnung sowie darin geschultes Gesundheitspersonal. Auch mehr als jeder zweite Raucher spricht sich dafür aus. Denn laut DEBRA ist Tabakrauchen noch immer der mit Abstand wichtigste gesundheitliche Risikofaktor in Deutschland.

Zahlen zur Nikotinsucht legte der kürzlich veröffentlichte Epidemiologische Suchtsurvey 2018 (ESA) des Instituts für Therapieforschung in München offen. Demnach gibt es in Deutschland rund 3,5 Millionen Raucher, die als abhängig gelten. Und acht Millionen Bürger gaben an, in den letzten 30 Tagen vor der Befragung täglich Tabak geraucht zu haben.

Deutschland unter Beobachtung

Deutschland steht in puncto Rauchen auch unter verschärfter internationaler Beobachtung. So attestierte auch der im Juli veröffentlichte Welt-Tabakbericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Deutschland noch Luft nach oben bei Hilfen zur Entwöhnung.

Auch bemängelte die WHO, dass es immer noch zu wenig strikte Vorgaben für rauchfreie öffentliche Räume gebe. Ebenso müsse es in den Medien effektivere Kampagnen gegen das Rauchen geben. Werbeverbote sollten verschärft und die Steuern erhöht werden, so die Conclusio der WHO. (Mitarbeit: ths)

Mehr zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Interview

vdek-Chefin Elsner: „Es werden munter weiter Lasten auf die GKV verlagert!“

Neuer Hoffnungsträger

Homotaurin-Prodrug bremst Alzheimer

Lesetipps
Schwere Infektionen mit Antibiotika richtig behandeln: Behandlungsmythen, die so nicht stimmen.

© bukhta79 / stock.adobe.com

Richtig handeln bei Infektionen

Drei Mythen bei der Antibiotika-Therapie auf dem Prüfstand