Ehrenamt

Neue Kraft durch Hilfe für andere Menschen

Der Verein „Stiftung Lebensspur“ zeichnet zwei Menschen aus, die sich trotz eigenen Leids intensiv für andere Hilfsbedürftige einsetzen.

Veröffentlicht:
Die Preisträger Klaus D. Herzog und Lul Autenrieb mit der Stiftungsvorsitzenden Barbara Breuer in ihrer Mitte

Die Preisträger Klaus D. Herzog und Lul Autenrieb mit der Stiftungsvorsitzenden Barbara Breuer in ihrer Mitte

© Stiftung Lebensspur

KÖLN. Lul Autenrieb hat in ihrem Leben viel Gewalt erfahren. Mit sechs Jahren wurde die 1960 in Somalia geborene Frau beschnitten, viele Mädchen überleben dieses grausame Ritual nicht. Zehn Jahre später, als junges Mädchen, zwang sie ihr Vater zur Hochzeit mit einem älteren Mann. „Die Ehe war von Gewalt und Missbrauch geprägt“, erinnert sie sich heute. Mehrfach floh sie zurück zu ihrer Familie. Nach der letzten Flucht gelang es ihrem gewalttätigen Ehemann, in das Haus ihrer Eltern einzudringen. Er versuchte, die junge Frau mit 28 Messerstichen zu töten, einer davon durchtrennte ihr Rückenmark.

Autenrieb hatte Glück und überlebte. Ihr Onkel, damals Verteidigungsminister Somalias, ließ sie nach Deutschland bringen. Dort erfuhr sie von den Ärzten, dass sie querschnittsgelähmt sei und lebenslang im Rollstuhl sitzen würde. Autenrieb brauchte lange, um das Trauma zu bewältigen – allein in einem fremden Land, dessen Sprache sie zunächst nicht sprach.

Ehemann in Reha kennengelernt

Doch sie fand wieder Kraft, auch durch die Bekanntschaft mit ihrem zweiten Mann, den sie in der Reha kennenlernte. Das Paar zog nach der Scheidung vom ersten Mann nach Duisburg, dort blühte die Frau auf. Sie begann, sich in der Nachbarschaftshilfe zu engagieren, in einem Frauencafé und in der Kirchengemeinde, später wurde sie in der Flüchtlingshilfe aktiv und gab Nachhilfe für geflüchtete Kinder.

Nach ihrem Umzug nach Bonn weitete Autenrieb ihr ehrenamtliches Engagement auf die politische Ebene aus. Sie wurde Botschafterin für die Deutsch-Somalische Gesellschaft in Tannenbusch und hat 2008 mithilfe der Frauenorganisation „Terre des Femmes“ mitangestoßen, dass die Genitalverstümmelung bei Mädchen und Frauen in Deutschland als Asylgrund anerkannt wird. Für ihr großes Engagement hat Autenrieb jetzt einen Preis bekommen.

Der Kölner Verein „Stiftung Lebensspur“ hat der engagierten 59-Jährigen die Auszeichnung „Beachtenswerter Lebensweg von Menschen mit Behinderung 40plus“ verliehen. Die Organisation setzt sich für die Belange von Menschen mit Behinderung ein. Sie hat den mit 5000 Euro dotierten Preis bereits das dritte Mal verliehen. Der Fokus liegt jeweils auf einem anderen Personenkreis, der sich bewerben kann.

„Wenn ich Luls Lebensweg und ihr Engagement anschaue, werde ich ganz bescheiden – sie hat so viel geleistet“, sagte Klaus D. Herzog, der an dem Abend ebenfalls ausgezeichnet wurde. Dabei ist auch Herzogs Biographie alles andere als gewöhnlich und geprägt von sehr viel ehrenamtlicher Tätigkeit für behinderte Menschen, vor allem Kinder und Jugendliche. Der heute 60-Jährige verunglückte als junger Mann schwer mit dem Motorrad und ist seitdem querschnittsgelähmt. Nach Untersuchungen im Krankenhaus war schnell klar, dass er nie wieder würde gehen können.

Wahrhaben wollte er die Diagnose lange nicht. Noch aus dem Krankenhaus heraus organisierte er sich ein umgebautes Auto, mit dem er viel herumfuhr. Er holte die noch fehlenden Fachabiturprüfungen zum regulären Nachprüfungstermin im Krankenhaus nach.

Danach begann Herzog ein Studium der Elektrotechnik, war aber zunehmend frustriert über den Freiheitsverlust und seine körperlichen Einschränkungen. Der Wendepunkt war die Bekanntschaft mit den ersten Rollstuhlsportlern. Sie beeindruckten den damals noch jungen Mann: „Die Jungs fuhren heiße Autos, hatten tollen Freundinnen und waren, wie es mir schien, durch nichts zu erschüttern“, erinnert er sich. „Das hat mich völlig begeistert und motiviert.“

In Behindertensport gekommen

So begann für Herzog das Engagement für den Behindertensport. Er gründete einen eigenen Verein in Regensburg, der schnell auf verschiedene Angebote wie eine integrative Basketball-Gruppe, einen Schwimmkurs und die Kinder- und Jugendarbeit anwuchs. Die Arbeit mit jungen Leuten wurde für Herzog besonders wichtig. Gemeinsam mit seiner Frau initiierte er Rollikids, den Fachbereich Kinder- und Jugendsport im Deutschen Rollstuhl-Sportverband.

Aus Sicht der „Stiftung Lebensspur“ ist in Deutschland bei den Themen Förderung von Menschen mit Behinderung und Barrierefreiheit noch viel Luft nach oben. Deswegen will die Organisation künftig gezielt Stipendien an junge Menschen mit Behinderung vergeben, um sie auf ihrem Lebensweg zu unterstützen. „Lassen wir uns nicht irritieren von denen, die behaupten, dass bei uns alles besser ist als in anderen Ländern“, sagte Dr. Barbara Breuer, Vorsitzende des Vorstandes der Stiftung. „Das mag – je nach Land stimmen, darf aber nicht unser Maßstab für die Zukunft sein.“ (acg)

Schlagworte:
Mehr zum Thema

Vor dem World Health Assembly

WHO-Pandemieabkommen noch lange nicht konsensfähig

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Aktuelle Forschung

Das sind die Themen beim Deutschen Parkinsonkongress

Lesetipps
Die Empfehlungen zur Erstlinientherapie eines Pankreaskarzinoms wurden um den Wirkstoff NALIRIFOX erweitert.

© Jo Panuwat D / stock.adobe.com

Umstellung auf Living Guideline

S3-Leitlinie zu Pankreaskrebs aktualisiert