Tabu-Thema

Sexuelle Übergriffe im Heim ansprechen!

Übergriffe gibt es in Altenheimen weit mehr als bekannt werden. Was es braucht es, um Missbrauchsfälle zu verhindern? Ein Pflegewissenschaftler antwortet.

Veröffentlicht:
Nicht weiter: Sexuelle Übergriffe sollten schon im Keim erstickt werden.

Nicht weiter: Sexuelle Übergriffe sollten schon im Keim erstickt werden.

© DDRockstar / stock.adobe.com

Stuttgart. Senioren- und Pflegeheime sollten nach Überzeugung des Pflegewissenschaftlers Johannes Nau offensiv mit den Themen sexuelle Übergriffe und Gewalt umgehen. „Alle Heime brauchen ein Schutzkonzept, klare Regeln und Fortbildung für ihre Mitarbeiter, so dass Exzesse wie der in Ulm verhandelte mit allergrößter Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden können“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Zahlen zu dem schambehafteten Thema gebe es nicht. „Nur ein Bruchteil der Fälle wird überhaupt bekannt. Wir müssen das Thema aus der Tabu-Ecke rausholen.“

Vor dem Landgericht Ulm steht eine Altenpflegerin, die in einem Heim im Kreis Göppingen zwei Seniorinnen sexuell missbraucht und dabei Videoaufnahmen gemacht haben soll. Das Urteil soll am Montag fallen.

Diplom-Pflegepädagoge Nau betont, nicht nur Heimbewohner seien Opfer von Gewalt. Ein Viertel bis ein Drittel des Personals sei mindestens einmal im Berufsleben betroffen von körperlichen Übergriffen seitens alter Menschen oder deren Angehörigen.

Heime sollen nicht Schwarzen Peter bekommen

Heimträger, die von sich aus das Thema Gewalt gegen Bewohner angingen, setzten sich schnell dem Verdacht aus, es gebe dort Probleme, sagte Nau. Deshalb müssten Land oder Bund Auflagen für einen adäquaten Umgang mit dem Thema und eine angemessene Aufarbeitung von Übergriffen erlassen. „Dann hat kein Heim den Schwarzen Peter.“

Die Heimleitungen müssten ihre Haltung gegenüber Übergriffen und sexueller Belästigung öffentlich vertreten und klarmachen, dass solches Verhalten absolut inakzeptabel sei. Respektvoller Umgang müsse das Maß aller Dinge sein. Das Personal sollte in der Lage sein, Wahrnehmungen wie unerklärliche blaue Flecken beim Bewohner anzusprechen und diesen zu ermuntern, seine Scham zu überwinden.

Spreche ein Pflegender im Team schlecht über Bewohner, müsse er sofort in die Schranken gewiesen und das dahinter stehende Problem gelöst werden. Beispiel: Ein Pflegender beschwert sich darüber, dass sich eine bettlägerige Bewohnerin bei der Umlagerung „anstelle“. Das Team dürfe ihn dann nicht in seiner Herablassung bestätigen, sondern fragen, wie die Lagerung weniger schmerzhaft verlaufen könne.

Entsprechende Fortbildungen könnten Pflegende dafür sensibilisieren, sagte Nau, der Schulleiter des Evangelischen Bildungszentrums für Gesundheitsberufe Stuttgart ist. In die Ausbildung werde das Thema Gewalt in der Pflege erstmals mit dem Rahmenlehrplan 2020 für die neue generalistische Ausbildung für die Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflege integriert. (dpa)

Mehr zum Thema

Vor dem World Health Assembly

WHO-Pandemieabkommen noch lange nicht konsensfähig

Das könnte Sie auch interessieren
Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

© Janssen-Cilag GmbH

Video

Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

Höhen- oder Sturzflug?

© oatawa / stock.adobe.com

Zukunft Gesundheitswesen

Höhen- oder Sturzflug?

Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

© MQ-Illustrations / stock.adobe.com

Digitalisierung

Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Umstellung auf Living Guideline

S3-Leitlinie zu Pankreaskrebs aktualisiert

Lesetipps
Gefangen in der Gedankenspirale: Personen mit Depressionen und übertriebenen Ängsten profitieren von Entropie-steigernden Wirkstoffen wie Psychedelika.

© Jacqueline Weber / stock.adobe.com

Jahrestagung Amerikanische Neurologen

Eine Frage der Entropie: Wie Psychedelika bei Depressionen wirken

Gesundheitsminister Lauterbach hat angekündigt, den Entwurf für die Klinikreform am 8. Mai im Kabinett beraten lassen zu wollen. 

© picture alliance / Geisler-Fotopress

Großes Reformpuzzle

So will Lauterbach den Krankenhaus-Sektor umbauen