Dr. Peter Reibisch

Hilfe für Flüchtlinge auf der Durchreise

Eigentlich wollte der Kieler Hausarzt Dr. Peter Reibisch am Kieler Schwedenkai nur mal nach den Flüchtlingen sehen. Doch aus einem ehrenamtlichen Einsatz wurden viele. "Wer krank in Deutschland ist, gehört behandelt", findet er.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Dr. Peter Reibisch behandelt Flüchtlinge auf der Durchreise.

Dr. Peter Reibisch behandelt Flüchtlinge auf der Durchreise.

© Dirk Schnack

KIEL. Der Transit nach Skandinavien ist das Ziel für viele Flüchtlinge, die in den vergangenen Monaten in die norddeutschen Fährhäfen gekommen sind. Rund um die Ostsee warten Menschen aus Syrien, Afghanistan und aus afrikanischen Ländern auf eine Weiterreise nach Schweden, Norwegen oder Finnland.

Viele von ihnen sind von den Strapazen der Flucht erschöpft. Weil sie keine medizinische Betreuung in den Erstaufnahmeeinrichtungen bekommen, sind sie auf ehrenamtliche medizinische Betreuung angewiesen.

Einer der Ärzte, die den Flüchtlingen helfen, ist Dr. Peter Reibisch. Schon seit zwei Monaten kommt er jeden Montag in den Schwedenkai, von dem aus in Kiel die Fähren nach Göteborg ablegen.

Wie auf allen Linien sind die Kontingente für Flüchtlinge begrenzt, so dass sich immer mehr Menschen in der Hafenstadt aufhalten, die eigentlich weiterreisen wollen. Das Bündnis, das in Kiel die Flüchtlingshilfe organisiert, hatte Ärzte um Hilfe gebeten.

Reibisch, der früher im Kieler Stadtteil Ellerbek als Hausarzt niedergelassen war, sagte sofort zu. Seitdem kommt er montags zwischen 15 und 17 Uhr zum ehrenamtlichen Einsatz.

Hilfebedarf wurde immer stärker

"Ich dachte zunächst, nach vier oder fünf Einsätzen wäre Schluss", sagt Reibisch. Doch der Hilfebedarf wurde stärker. Dass den Transitflüchtlingen noch vor Ort geholfen werden muss, steht für Reibisch außer Frage: "Wer krank in Deutschland ist, gehört behandelt."

Dass dies aber auch noch Monate nach Beginn der Einsätze ausschließlich ehrenamtlich erfolgt, hält er nicht für richtig. Nach seiner Ansicht müsste sich der Staat besser um die Kranken unter den Transitflüchtlingen kümmern und eine Hilfe organisieren. 

Reibisch und sein Übersetzer Mahmoud - vor einem Jahr aus Syrien gekommen, spricht er bereits perfekt Deutsch und hofft nun auf einen Medizinstudienplatz in Kiel - holen zunächst aus einem Vorratsraum gespendete Medikamente und schließen dann einen winzigen umfunktionierten Wickelraum auf, auf dessen Tür in verschiedenen Sprachen "Arzt" steht.

Sofort versammelt sich eine Reihe von Patienten. Viele von ihnen sind von der langen Flucht erschöpft und erkältet. Halsschmerzen und Fieber sind weit verbreitet in diesen Tagen unter den Flüchtlingen. Es gibt aber auch andere Situationen.

"Ich hatte hier eine Frau mit einem frisch entbundenen Säugling, noch mit Nabelschnur", berichtet Reibisch. Sein Angebot, sofort einen Klinikplatz zu organisieren, schlug die junge Mutter aus - dann hätte ihr Ticket nach Schweden seine Gültigkeit verloren.  

Nur ein paar hundert Meter weiter im Oslo-Kai waren noch mehr Menschen auf die Fähre nach Norwegen. "Wir wären froh, wenn wir hier auch eine ärztliche Betreuung hätten", sagt eine Helferin. So schickt sie kranke Transitflüchtlinge in den Schwedenkai, wo Reibisch und Mahmoud zwei Stunden lang ununterbrochen Patienten empfangen.

Wo Mahmoud weder auf Türkisch und Arabisch und Reibisch nicht auf Deutsch und Englisch weiterkommen, wird Übersetzungshilfe organisiert. Bei Kurden wird eine junge Frau hinzugeholt, die von Kurdisch auf Arabisch übersetzt, damit Mahmoud dann auf Deutsch übersetzen kann.

Unter Tränen

In solchen Situationen wird es voll im Wickelraum und alle Beteiligten sind froh, meist bei offener Tür behandeln zu können. Manchmal aber sind geschlossene Türen wichtig. Etwa bei der Familie, die mit vier Kindern nach vierwöchiger Flucht aus Aleppo angekommen ist. Als die Tür geschlossen ist, ist die Mutter kurz vor einem Zusammenbruch.

Unter Tränen berichtet sie, dass sie gar nicht nach Skandinavien, sondern in Deutschland bleiben wollen. Weil die Kieler Erstaufnahmeeinrichtung überfüllt war, wurden sie zunächst in die für die Übernachtung der Transitflüchtlinge hergerichtete Markthalle gebracht. Sie hat kranke Kinder, die aber ohne die Aufnahme in der Erstunterkunft gar nicht in die medizinische Betreuung kommen.

Reibisch stellt der Familie eine Bescheinigung aus, dass sie aus ärztlicher Sicht dringend in die Erstaufnahme gehören. Mehr kann er nicht tun. Die Frau aus Aleppo klammert sich an seine Bescheinigung und bedankt sich ausführlich. 

"Das war das erste Mal, dass Flüchtlinge hierher kommen, die gar nicht weiterreisen wollen", berichtet Reibisch anschließend. Es stimmt ihn nachdenklich, dass der Familie in der Erstunterkunft nicht geholfen werden konnte. Nur kurze Zeit später kommt ein weiterer Flüchtling, der keinen Platz mehr in der überfüllten Erstunterkunft gefunden hat.

Über die alles andere als optimalen Bedingungen in dem beengten Raum kommt von Reibisch keine Beschwerde. "Ich bin froh, dass wir diesen Raum zur Verfügung gestellt bekommen haben", sagt der Arzt. Auch das große Engagement des Dolmetschers weiß der Arzt zu schätzen.

Ohne ihn wären viele Behandlungen für die Transitflüchtlinge kaum möglich. Dass ihm keine Geräte zur Verfügung stehen, ist für den früheren Hausarzt dagegen kein Hindernis. "Wir machen sprechende Medizin, das war in der Praxis früher auch unser Schwerpunkt."

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