Fukushima: Rätselraten über Radioaktivität

Ein Jahr nach der Atomkatastrophe in Fukushima rätseln Wissenschaftler noch immer über die wirklichen Strahlenfolgen. Das Problem: Die Ereignisse müssen mühsam rekonstruiert werden.

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Dosisleistungsmeessung in Fukushima: Experten rätseln über das Ausmaß der Verstrahlung.

Dosisleistungsmeessung in Fukushima: Experten rätseln über das Ausmaß der Verstrahlung.

© Christian Aslund / Greenpeace / epa / dpa

MAINZ (ine). Auch ein Jahr nach der durch Erdbeben- und Tsunami bedingten Havarie des Atomkraftwerks Fukushima Daiichi im Nordosten Japans sind Strahlenschutz-Experten weltweit immer noch am Auswerten und Überprüfen der Daten.

Seit vergangenem Juni untersuchen zum Beispiel die Mitglieder des UN-Komitees zu den Effekten atomarer Strahlung (UNSCEAR) die Folgen der radioaktiven Strahlung, die aus Fukushima Daiichi ausgetreten ist, für die gesamte Bevölkerung und die Umwelt.

Vieles ist dabei noch unklar. So gibt es etwa keine Messwerte zur Höhe der radioaktiven Belastung der Sedimente vor der Küste des Atomkraftwerks.

"Sie muss hoch sein", vermutete Professor Wolfgang Weiss vom Bundesamt für Strahlenschutz und Vorsitzender des UN-Komitees auf einem Symposium an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz.

Der Kraftwerksbetreiber Tepco habe angekündigt, den Meeresboden auf einer Fläche von mehr als 73.000 Quadratmetern mit einer 60 Zentimeter dicken Betonschicht abzudichten.

Physiker Weiss rechnet 2013 mit ersten Ergebnissen. Weitere Berichte sollen folgen. Das Problem: Es gibt zwar Riesen-Datenmengen, allerdings muss erst geprüft werden, ob ihre Qualität für eine wissenschaftliche Auswertung taugt.

Mühsam rekonstruiert werden müssen nach Angaben von Weiss die Geschehnisse in den ersten Wochen nach dem Austritt der Radioaktivität. Die Strahlenwerte hätten anfangs bei bis zu 680 Millisievert gelegen.

Wenig Differenzierung

Zu 80 Prozent sei die Kontamination über das Einatmen erfolgt. Wie sich die Tepco-Arbeiter dagegen geschützt haben, ist eine von mehr als 90 Fragen, die das UN-Komitee der Regierung in Tokio kürzlich vorgelegt hat.

An einer Trendanalyse arbeitet auch die Internationale Atomenergie-Behörde (IAEA), die japanische Regierung will eine Datensammlung erstellen, und WHO-Experten arbeiten an einer Bewertung der Strahlenexposition.

Japans Regierung will zudem mehr als zwei Millionen Menschen in den nächsten Jahrzehnten regelmäßig untersuchen. Darunter sind auch 360.000 Kinder und Jugendliche, die unter anderem per Ultraschall auf Unregelmäßigkeiten getestet werden.

Einig waren sich die Strahlenschutzexperten in Mainz über die Auswirkungen des GAU in Japan auf Deutschland. "Die natürliche Strahlenbelastung hat sich seitdem um ein Millionstel erhöht", sagte Weiss.

Angesichts der Schwankungen - 10 Millisievert im Bayerischen Wald und 0,5 Millisievert an der Nordseeküste - sei dieser Faktor aber zu vernachlässigen. Kritik an den Medien übte Professor Joachim Breckow vom Fachverband für Strahlenschutz.

Differenzierte Fachbeiträge seien in der Phase unmittelbar nach der Katastrophe kaum gefragt gewesen. In der Bevölkerung bestehe deshalb eine erhebliche Fehleinschätzung darüber, was und wie hoch Strahlenwirkungen eigentlich sind.

Es werde Aufgabe der Strahlenforscher sein, dieses Bild wieder zurechtzurücken - und zwar unabhängig vom Pro und Contra der Kernenergienutzung.

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