Die große Ärzteumfrage

Pessimisten verlieren die Mehrheit

Ein Silberstreif am Horizont: Die Pessimisten unter den Ärzten sind auf dem Rückzug, die Stimmung wird zuversichtlicher. Das zeigt die große Leserfrage der "Ärzte Zeitung" 2012 im Vergleich zu 2007. Auch in der Bevölkerung hat sich das positive Urteil stabilisiert.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:
Von trüben Aussichten keine Spur: Morgendämmerung in der Ärzteschaft.

Von trüben Aussichten keine Spur: Morgendämmerung in der Ärzteschaft.

© Karina Baumgart / fotolia.com

Die Unken werden leiser. Aus dem Crescendo in Moll, das im Jahr 2006 mit etlichen Protestmärschen in Berlin und anderen deutschen Metropolen seinen Höhepunkt erreicht hatte, ist ein anhaltendes Diminuendo geworden.

Ein heller werdender Silberstreif am Horizont kündet von besseren Zeiten für Ärzte. Doch das gilt nicht nur für die Mediziner: Auch die Stimmung und die Erwartungen der Bürger zum Gesundheitswesen haben sich aufgehellt.

Dies ist wohl eine der wichtigsten Botschaften, die aus der Umfrage der "Ärzte Zeitung" unter ihren Lesern im Jubiläumsjahr 2012 hervorsticht.

Die gesundheits- und berufspolitischen Rahmenbedingungen haben einen Wendepunkt erreicht, es geht nicht mehr nur abwärts - es gibt eine Gegenbewegung, bei der der Anteil der Pessimisten ab- und der der Optimisten zunimmt.

Späte Früchte der Agendapolitik

Bereits 2002 hatte die "Ärzte Zeitung" anlässlich ihres 20jährigen Bestehens die Stimmung unter ihren Lesern zu erkunden versucht.

Knapp zehn Jahre nach Einführung der Honorarbudgetierung und des wachsenden Interventionismus bis tief in die ärztliche Praxis war damals die Stimmung auf dem Tiefpunkt angekommen - sie entlud sich drei Jahre darauf in den massivsten Ärzteprotesten der Nachkriegsgeschichte.

Eine Legislaturperiode hatte die rot-grüne Koalition unter Führung von Bundeskanzler Gerhard Schröder bereits verschenkt, als sie im Frühjahr 2003 die bis heute in der SPD ungeliebte Agendapolitik des Förderns und Forderns startete.

Sie war eine der Grundlagen zur Stabilisierung der Sozialversicherungen und für mehr Beschäftigung, wovon auch die gesetzliche Krankenversicherung profitiert hat. Ein Fitnessprogramm für die deutsche Volkswirtschaft.

Schrittweise wurden auch die Rahmenbedingungen für Ärzte verändert: Medizinische Versorgungszentren ermöglichten es ab 2004, als angestellter Arzt ohne wirtschaftliches Risiko in der ambulanten Medizin tätig zu werden; die Integrierte Versorgung erhielt eine Anschubfinanzierung; der AiP und damit der Start ins Berufsleben für ein halbes Arztgehalt wurde abgeschafft; das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz liberalisierte die Formen der Berufsausübung und schuf neue Grundlagen für Kooperationen; das KV-System kam mit Selektivverträgen unter Druck, für Ärzte entstanden auf diese Weise auch Versorgungs-, Vertrags- und Honoraralternativen.

Das Wettbewerbsstärkungsgesetz vollzog schließlich den Paradigmenwechsel von der einnahmeorientierten zur morbiditätsorientierten Ausgabenpolitik. Das finanzielle Risiko für eine alternde und kränker werdende Gesellschaft sollten nicht weiter die Ärzte, sondern die Krankenkassen tragen.

Der 2009 in Kraft getretene Gesundheitsfonds pufferte die Krankenversicherung gegen die Auswirkungen der Finanzkrise ab und ermöglichte Vertragsärzten steigende Honorare auch in Krisenzeiten.

Und diese Krise hat Deutschland dank einer nicht eben bequemen Wirtschafts-, Sozial- und Gesundheitspolitik seit 2003 besser gemeistert als viele andere europäischen Länder.

Wie erleben Sie Ihren Beruf und Ihr Arztsein?

Hat sich Ihre Einschätzung in den letzten Jahren ...

Meine Arbeit ist nützlich/macht mir Spaß.

Die Qualität der Versorgung hat sich verschlechtert.

Dass dies auch die Stimmung der Ärzte aufgehellt hat, belegt der Vergleich der Umfrageergebnisse 2012 mit denen des Jahres 2007.

Gerade um diesen Vergleich herauszuarbeiten und um zu zeigen, was sich verändert hat, haben wir unseren Lesern heute die exakt gleichen Fragen wie vor fünf Jahren gestellt - und die Veränderungen sind frappierend:

Auf die Frage: Wie erleben Sie Ihren Beruf und Ihr Arztsein gegenwärtig?" antworteten: aktuell gut 60 Prozent, sie seien zufrieden oder gar "sehr zufrieden"(11,1 Prozent); fünf Jahre zuvor waren es 28 Prozent; der Anteil der zufriedenen Ärzte hat sich somit innerhalb von fünf Jahren mehr als verdoppelt.

Dementsprechend ist der Anteil der unzufriedenen Ärzte deutlich auf 39 Prozent gesunken; 71 Prozent waren dies noch im Jahr 2007, davon sogar 24 Prozent, die "gar nicht" zufrieden waren.

Eine ähnliche Frage hatte die "Ärzte Zeitung" ihren Lesern bereits 2002 gestellt: "Sind Sie mit den Bedingungen, unter denen Sie Ihren Beruf ausüben, zufrieden?"

Das Ergebnis war noch niederschmetternder als 2007: 82 Prozent waren mit den Rahmenbedingungen unzufrieden, deutlich weniger als ein Fünftel konnte damit mehr oder weniger gut leben.

So weit der Status quo heute, vor fünf Jahren und vor zehn Jahren. Aber nehmen die Leser die Veränderung auch wahr? Ist Ihnen heute, zum Zeitpunkt der Befragung bewusst, dass sich die Verhältnisse verbessert haben?

Langer Weg bis zum Reformerfolg

Eher nicht! Denn 54 Prozent der Befragten sind auch aktuell im Jahr 2012 der Meinung, dass sich ihre Einschätzung im Vergleich zu 2007 verschlechtert hat. Ein Drittel meint, sie sei unverändert, nur gerade elf Prozent glauben, dass ihr Urteil über die Gesamtumstände ihrer Arbeit heute besser ausfällt.

Hierbei ist es notwendig, zwischen tatsächlicher (erster Fragenkomplex) und wahrgenommener, also gefühlter (zweiter Fragenkomplex) Veränderung differenziert wird.

In Wirklichkeit gibt es aber auch bei der wahrgenommenen Veränderung eine beachtliche Dynamik, vor allem im Vergleich zum Jahr 2002: Vor zehn Jahren betrug der Anteil jener Ärzte, die in den fünf Jahren zuvor eine Verschlechterung ihrer beruflichen Rahmenbedingungen wahrgenommen hatten, fast 86 Prozent.

Inzwischen ist dieser Anteil um gut 30 Prozentpunkte kleiner geworden. Das berechtigt zu dem Schluss, dass sich auch die Gefühlslage zu den Veränderungen im Gesundheitssystem deutlich aufgehellt hat.

Bestätigt wird die Trendaussage der "Ärzte Zeitungs"-Umfrage durch große Repräsentativbefragungen wie den Ärzte-Monitor im Auftrag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und des NAV-Virchowbundes (publiziert im Juni 2012) sowie den MLP Gesundheitsreport 2011 (veröffentlicht Ende letzten Jahres.

Danach ist die Arbeit für Patienten unter vielen Berufsoptionen eine der erfüllendsten und sinnstiftenden Aufgaben. "Meine Arbeit ist nützlich", sagten 72 Prozent der Befragten im Ärzte Monitor. 53 Prozent gaben an "Meine Arbeit macht mir Spaß".

Der MLP-Gesundheits-Report schließlich zeigt eine beachtliche Kongruenz der Einschätzung von Ärzten und repräsentativ ausgewählten Bürgern.

Waren im Jahr 2008 noch 60 Prozent der Bürger und 57 Prozent der Ärzte der Meinung, die Qualität der Gesundheitsversorgung habe sich verschlechtert, so sind dies nun mit 47 Prozent (Bürger) und 43 Prozent (Ärzte) Minderheiten geworden.

Diese Minderheiten sind zwar immer noch stark. Genauso stark ist aber auch der Veränderungstrend mit 13 bis 14 Prozentpunkten.

So bleibt unter dem Strich wohl eine Aussage zutreffend: Die Pessimisten haben die Mehrheit verloren.

Die Veränderungen in den vergangenen fünf bis zehn Jahren sind unter zwei Aspekten aufschlussreich: Erstens sind Reformen im Gesundheitswesen möglich und erfolgreich, aber zweiten brauchen sie außergewöhnlich viel Zeit und Geduld.

30 Zeitungszeilen kompakt

Der Anteil der Ärzte, die mit ihrem Beruf zufrieden oder sehr zufrieden sind, hat sich 2012 im Vergleich zu 2007 auf gut 60 Prozent verdoppelt. Dagegen ist der Anteil der Ärzte, die weniger oder gar nicht zufrieden sind, auf 38 Prozent gesunken; vor fünf Jahren waren es 71 Prozent.

Die beachtliche Veränderung schlägt sich allerdings nicht in gleichem Ausmaß in der subjektiven, gefühlten Verbesserung nieder. Immer noch meint eine Mehrheit von 54 Prozent, die Verhältnisse hätten sich verschlechtert. Wobei allerdings die subjektive Gefühlslage der Ärzte aktuell besser ist als 2007 oder gar 2002, bevor die Ärzte massiv in den Protest gingen.

Das Fazit: Es hat in den Jahren nach 2006 offenkundig einen Wendepunkt für die Ärzte gegeben, der sich auch an etlichen Reformen festmachen lässt. Und: Das sich aufhellende Stimmungsbild bei Ärzten geht einher mit mehr Zuversicht auch in der Bevölkerung.

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