EBM-Reform 1996: Großbaustelle mit Fallgruben

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Licht am Ende des Tunnels: 1995 gibt es Aussicht auf extrabudgetäre Honorarzuwächse und eine EBM-Reform mit einer völlig neuen Philosophie: einfache Abrechnung, neue hochwertige Leistungen - so die Hoffnung.

Köln, 9. August 1995. Erstmals seit drei Jahren scheint ein Durchbruch in der vertragsärztlichen Honorarpolitik wieder in Sicht.

Anfang August einigen sich die KBV und die Spitzenverbände der Krankenkassen auf eine Honorarempfehlung, die eine spürbare Flexibilisierung bedeuten würde:

Die Honorarsumme wird um das volle Grundlohnwachstum von schätzungsweise drei Prozent angehoben.

Darüber hinaus sollen 200 Millionen DM für neue Leistungen in der vertragsärztlichen Versorgung bereitgestellt werden.

Das auslaufende Budget für ambulante Operationen, das 1995 rund 790 Millionen DM beträgt, wird um 150 Millionen DM aufgestockt.

Sollte der Gesetzgeber den Forderungen von Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer - 400 Millionen DM zusätzlich für Hausärzte, 240 Millionen DM zusätzlich für die Ärzte in den neuen Bundesländern - nicht folgen, so sind die Kassen dennoch bereit, dies zu finanzieren.

Sechs Prozent mehr Ärztehonorar

Insgesamt können die Vertragsärzte mit einer Honoraraufstockung von sechs Prozent im Jahr 1996 rechnen - eigentlich eine gute Basis, nun auch ernst zu machen mit einer umfassenden EBM-Reform, die zum 1. Januar 1996 in Kraft treten soll.

Zweieinhalb Jahre hat daran die KBV unter der Federführung des bayerischen KV-Vorsitzenden Dr. Lothar Wittek gearbeitet, immer wieder hat sich KBV-Chef Dr. Winfried Schorre eingeschaltet, um den Konsens mit möglichst allen Berufsverbänden zu erzielen.

Notwendig ist die Reform auch aufgrund gesetzlicher Vorgaben: die Zusammenfassung von Leistungen in Komplexen, ergänzt durch Einzelleistungen, die Schaffung einer hausärztlichen Grundvergütung, die Definition von spezifisch hausärztlichen Leistungen und Abstaffelungsregelungen für medizinisch-technische Leistungen.

KVen schneidern Honoraverteilungsmaßstäbe

Die Komplexleistungen werden in einer fachgruppenspezifischen, rentnergewichteten Ordinationsgebühr zusammengefasst. Ziele sind eine vereinfachte Abrechnung, rationelle Leistungserbringung und Vermeidung von Mengenausweitungen.

Andererseits werden aber auch hochwertige Beratungs- und Betreuungsleistungen vor allem für schwer kranke Patienten geschaffen. Es gelingt der KBV nicht, dies auf Hausärzte zu beschränken. Sie gibt dem massiven Druck der Facharztverbände nach.

Schon nach dem ersten Quartal 1996 zeigt sich das Desaster: Die Leistungsmengen explodieren, die Punktwerte gehen auf Talfahrt, die Förderung der Hausärzte scheitert an exzessiven Abrechnungen mancher Fachgruppen.

In aller Eile müssen im Frühsommer 1996 die KVen Not-Honorarverteilungsmaßstäbe schneidern, um die EBM-verursachten Verwerfungen zu korrigieren. Der EBM bleibt eine Baustelle. (HL)

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