Ärztestreik mitten in der Fußball-Euphorie

Das Sommermärchen rund um die Fußball-Weltmeisterschaft veränderte Deutschland: Das deutsche Team begeisterte, die Fans feierten ein friedliches Fest. Der Streik der Klinikärzte endete am neunten Tag der WM - der erste Arzttarifvertrag war unter Dach und Fach.

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Eine WM und Ärzte an Unikliniken im Streik? Die Klinikärzte wären bereit gewesen, in Notfallsituationen ihren Streik zu unterbrechen. Neun Tage nach Start der WM wurde der Tarifvertrag abgeschlossen.

Eine WM und Ärzte an Unikliniken im Streik? Die Klinikärzte wären bereit gewesen, in Notfallsituationen ihren Streik zu unterbrechen. Neun Tage nach Start der WM wurde der Tarifvertrag abgeschlossen.

© imago

JUNI 2006: Deutschland, ein Fahnenmeer: Die Fußball-Weltmeisterschaft im eigenen Land lässt die Euphorie um die Spiele der Fußballnationalmannschaft in unbekannte Dimensionen steigen. Ganz neue Herausforderungen stellte das Fußballfest an 16 Spieltagen und zwölf WM-Städten auch an die Sanitäts- und Rettungsdienste.

In jeder WM-Stadt wurde ein "Local Medical Officer" ernannt, der jeweils mit seinem Team dem Saarbrücker Arzt Professor Wilfried Kindermann unterstellt war. Die "Local Medical Officers" versorgten Spieler, Funktionäre und Ehrengäste. Zusätzlich wurden an jedem Spielort bis zu drei Kliniken ausgewählt, die Offiziellen, Spielern und Schiedsrichtern für eine Versorgung rund um die Uhr zur Verfügung standen.

Das Deutsche Rote Kreuz war für die Versorgung der Zuschauer auf den Tribünen verantwortlich. Das DRK hatte dafür mit dem Weltfußballverband FIFA einen Vertrag abgeschlossen. Nach Angaben des Deutschen Roten Kreuzes waren rund 5500 Sanitäter und 460 Notärzte im Einsatz - das war der größte DRK-Einsatz in der Nachkriegsgeschichte.

Ärztestreiks - medizinische Versorgung musste organisiert werden

Die Organisation der medizinischen Versorgung bei der Fußball-Weltmeisterschaft stand auch im Zeichen der flächendeckenden Streiks der Klinikärzte: In drei Spielorten zählten auch Unikliniken zu den offiziellen FIFA-Krankenhäusern.

In Hamburg konnte ein Streik aufgrund einer Sondervereinbarung ausgeschlossen werden, in München und Leipzig dagegen hätte es zu Streiks während der WM kommen können. Auf Kundgebungen drohte der damalige Marburger Bund-Chef Dr. Frank Ulrich Montgomery mit einer Ausweitung des Streiks während der WM: "Nur weil hier ein paar Leute Fußball spielen, kann ja keiner von uns erwarten, dass wir unsere Ziele aufgeben."

Und bei einer anderen Streikveranstaltung sagte er: "Wir wollen keine Fußball-WM ohne Ärzte, aber wir wollen dabei nicht die Deppen der Nation sein." Bei Katastrophenfällen sei natürlich die Versorgung gesichert, betonten Ärztefunktionäre - am 18. Juni, neun Tage nach Beginn der WM, wurde schließlich der erste Arzttarifvertrag abgeschlossen.

Katastrophen oder größere Einsätze für die Kliniken gab es nicht - viel mehr war die Fußball-WM in Deutschland ein euphorisches Fußballfest, obwohl die deutsche Mannschaft "nur" den dritten Platz belegte. Das viel beschriebene "Sommermärchen" entsteht in der öffentlichen Wahrnehmung allerdings erst in der Nachbetrachtung -  unter anderem durch den Film "Sommermärchen" des deutschen Regisseurs Sönke Wortmann.

Die Euphorie rund um die Nationalmannschaft nimmt in den kommenden Jahren weiter zu. Für Fußballturniere verwandeln sich über Nacht die Straßen in Fahnenmeere, Trikots und schwarz-rot-goldene Schminkstifte sind Verkaufsschlager.

Der unbeschwerte Umgang vieler junger Menschen mit den schwarz-rot-goldenen Nationalfarben und Fußball-Trikots entfacht auch immer wieder Debatten über den Umgang mit Nationalstolz. (bee)

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